Der Corona-Check zeigt: Männer und Frauen im Siegerland sind ähnlich oft im Homeoffice. Dr. Elisabeth Heinrich fordert Regeln für Arbeitsteilung.
Als Gleichstellungsbeauftragte der Uni Siegen beschäftigte Dr. Elisabeth Heinrich das Thema Homeoffice schon 2006. Damals begann das Projekt „alternierende Telearbeit“ für eine familiengerechtere Hochschule. Durch Corona hat sich Homeoffice nun etabliert, wie unser Corona-Check zeigt – doch auf keinen Fall so, wie sie sich es sich wünscht.
Worum ging es bei dem Projekt 2006?
Darum, die Möglichkeit flexible Homeoffice-Zeiten für Hochschulbeschäftigte mit „Care-Aufgaben“ – gegenüber zu pflegenden Angehörigen oder Kindern – überhaupt erst zu schaffen. Das war damals nicht selbstverständlich.
Was war dabei die Hoffnung?
Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu erleichtern. Besonders die Gleichstellungsförderung von Frauen hatten wir im Blick, da Frauen häufig in der Familienphase zurückstecken und in Teilzeittätigkeiten ausweichen. Es erleichtert das Familien-Management, wenn man gewisse Zeiten von zuhause aus arbeiten kann, keine langen Fahrtzeiten hat und Kinder zur Betreuung in den Kindergarten oder die Schule bringen kann.
Corona war ja dafür ein Katalysator. Das müsste Sie freuen?
Im Gegenteil: Was diese Zeit gelehrt hat, ist dass Homeoffice nicht „auf jeden Fall“ karrierefördernd für Frauen ist. Da haben wir zwei wichtige Unterscheidungsmerkmale der alternierenden Telearbeit, wie wir sie uns damals vorgestellt haben, zu dem, was wir jetzt in den Corona-Monaten erlebt haben.
Doppelbelastung für Karrieren von Frauen im Siegerland höchst kontraproduktiv
Und zwar?
Während der Pandemie musste die gesamte Arbeitszeit zuhause erbracht werden. Und es hat keine Betreuung stattgefunden, weder durch Institutionen noch durch familiennahe Unterstützungsnetzwerke. In unseren Rahmenbedingungen hatten wir damals festgehalten, dass maximal 50 Prozent der Arbeitszeit von zuhause aus erbracht wird. Denn auch die Sichtbarkeit und das Netzwerken von Frauen vor Ort ist ein karrierefördernder Aspekt.
Und: Wir hatten klar festgelegt, dass während der Arbeitszeit keine Betreuung der Kinder oder der zu pflegenden Angehörigen stattfinden soll. Dass der Rücken frei ist. Eine permanente Doppelbelastung und Entgrenzung von Care-Arbeit und beruflichen Aufgaben ist höchst kontraproduktiv. Zwar sind wir mit der Forschung noch nicht am Ende – aber vieles weist darauf hin, dass insbesondere die Karrieren von Frauen ins Stocken geraten sind, weil diese Rahmenbedingungen für das Homeoffice nicht gegeben waren. Natürlich haben sich in diesem Zusammenhang auch traditionelle Rollenmuster negativ ausgewirkt.
Manche erhoffen sich auch mehr Barrierefreiheit durch die Digitalisierung der Arbeitswelt. Ist dieser Aspekt der Sichtbarkeit, den Sie gerade angesprochen auch hier wichtig zu beachten?
Auch hier ist es eine Frage der Balance. Auf der einen Seite ist es eine große Chance, dass lange Anfahrtswege erspart werden oder dass Vorlesungen, die digital aufgezeichnet wurden jetzt jederzeit und immer wieder von zuhause abrufbar sind. Trotzdem ist es wichtig, dass Menschen, beispielsweise mit Behinderung, nicht ins soziale Aus gedrängt werden.
Siegenerinnen arbeiten vermutlich häufiger in Berufen in denen weniger Homeoffice möglich ist
Laut Corona-Check ist die Homeoffice-Nutzung zwischen den Geschlechtern im Siegerland ungefähr ausgeglichen – in Siegen sind es sogar mehr Männer (35,5 Prozent, Frauen: 30,72 Prozent).
Spontan würde ich denken, ist der Hintergrund der, dass Frauen häufiger in Berufen arbeiten, in denen weniger Homeoffice möglich ist, z.B. im Dienstleistungsbereich.
Oder dass mehr Männer Verantwortung zuhause übernehmen wollen?
Da müssen wir auf jeden Fall noch mehr Sozialforschung betreiben, um sicher sagen zu können, inwieweit die Pandemie Männer- und Frauenrollen auch in diese Richtung verändert haben könnte oder ob nicht doch das Phänomen des Rollback überwiegt, das heißt Frauen systematisch in die traditionelle Rolle zurück gedrängt worden sind, wofür derzeit viele Untersuchungen sprechen und was auch ich in der Tendenz beobachte.
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