Siegen. Abschlussbericht: Sieben Straßen sollen umbenannt werden, weil Namensgeber aus Nazizeit schwer belastet sind. Die Liste ist aber noch länger
- Arbeitskreis legt Abschlussbericht vor und empfiehlt die Umbenennung von Straßen
- Mehrere Namensgeber wurden hinsichtlich ihrer NS-Verstrickungen geprüft
- Weitere Straßennamen sollten zumindest erläutert werden, so die Empfehlung
Der Arbeitskreis zur Aufarbeitung der historischen Hintergründe von Straßennamen legt seinen Abschlussbericht vor. Fünf Straßen werden zur Umbenennung empfohlen: Adolf-Wagner-, Bergfrieder-, Hindenburg-, Diem-, Lothar-Irle-, Porsche- und Stoeckerstraße.
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Sie alle gehören in die Kategorie A; Namen von Personen, die im Kontext der Nazizeit schwer belastet sind, so der Arbeitskreis. Nun entscheidet die Politik.
Die Kategorien für NS-belastete Straßennamen in Siegen
A: Schwere Belastung, Umbenennung empfohlen. Wird eine Straße umbenannt, empfiehlt der Arbeitskreis, ein kleines Erläuterungsschild anzubringen, mit altem Straßennamen und Hintergrund der Umbenennung. „Auf diese Weise wird eine Umbenennung kein Vergessen oder Tilgen von Geschichte“, heißt es. Vielmehr werde auf die Festigung zeitgemäßer, demokratischer Werte aufmerksam gemacht.
B: Belastung, Kommentierung am Straßenschild und online, aber keine Umbenennung – auch wenn man heute keine Straße mehr nach diesen Personen benennen würde. Die Belastung sei gegenüber Kategorie A weniger gravierend – aber erklärungsbedürftig und kritisch zu kommentieren, um die Zusammenhänge um die NS-Belastung der Namensgeber zu erläutern. Dazu gehören: Adolf-Saenger-, Carl-Dresler-, Dr. h.c. Karl-Barich-, Hans-Kruse-, Ostland- und Tannenbergstraße sowie der Otto-Krasa-Weg.
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C: keine oder marginale Belastung, kein Handlungsbedarf. Folgende Namen wurden geprüft, der Arbeitskreis entschied sich dafür, die Straßennamen beizubehalten: Adolf-Wurmbach-, Frey-, Virchow-, Gorch-Fock-, Graf-Luckner-, Paul-Bonatz- und Walter Flex-Straße, Hermann-Böttger-, Hermann-Löns- und Gerhart-Hauptmann-Weg.
Die Kriterien für eine Belastung aus der NS-Zeit für Straßennamen in Siegen
Der Prüfkatalog orientiert sich an den Kriterien anderer Kommunen, so der Arbeitskreis: Mitgliedschaft in NSDAP oder anderen Nazi-Organisationen, Inhaber hoher oder Führungsämter im NS-Apparat, Aktive Unterstützung, Förderung, ideologische Verbreitung des NS-Weltbilds (Antisemitismus, Rassismus, Führerkult, Militarismus, Kriegsverherrlichung), Beteiligung an Kriegsverbrechen, extreme gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit, gezielte Schädigung von Personen im Kontext der NS-Politik (Denunziation, Verbrechen, Verantwortung für Zwangsarbeit) sowie Leugnung, Festhalten oder fehlende Reue zur Nazizeit nach dem Zweiten Weltkrieg.
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Bei der Prüfung der Personen wurde die Intensität der individuellen Belastung eingestuft, so der Arbeitskreis – jede Verstrickung sei individuell zu bewerten. Berücksichtigt wurde auch der in manchen Fällen unzureichende Forschungsstand. „Gute“ Taten vor oder nach der Nazizeit aufzurechnen verneint der Arbeitskreis ausdrücklich.
So soll es im Prozess um die Umbenennung von Straßen in Siegen weitergehen
Dabei ging es nicht nur darum, belastete Straßennamen zu identifizieren und Vorschläge zu unterbreiten auch hinsichtlich des Umgangs mit kritischen Benennungen, sondern auch Leitlinien zur Erinnerungskultur in Siegen generell zu entwickeln.
Nun beraten und entscheiden Kulturausschuss, HFA und Rat, ob den Empfehlungen des Arbeitskreises gefolgt wird – dazu soll die Verwaltung einen Umbenennungs-Leitfaden erstellen. Dringend wird dazu geraten, die Forschungsbemühungen um die jüngere Siegener Stadtgeschichte zu intensivieren – etwa über einen Studienpreis und ein städtisches Geschichtsportal, das ein regionales Personen-Wiki enthält, das insbesondere die Namen der Kategorien A und B beleuchtet, um die Entscheidungen und Prozess für die Bevölkerung transparent und nachvollziehbar zu machen. „Der Arbeitskreis ist sich bewusst, dass Straßenumbenennungen für die Anwohner und Anlieger der betroffenen Straßen erhebliche Probleme mit sich bringen können.“ Daher sei früh ein „Servicepaket“ zu erstellen, um bürokratische Lasten und Kosten soweit wie möglich zu minimieren – den Betroffenen sollen möglichst keine Gebühren entstehen. Bürger- und Informationsveranstaltungen seien ausdrücklich erwünscht.
Mehr Präsenz im Stadtbild: Straßen in Siegen verstärkt nach verdienten Frauen benennen
Mit diskussionswürdigen Namensgebern jenseits der Nazizeit hat sich der Arbeitskreis nicht beschäftigt – hält das aber im Sinne der Erinnerungskultur für notwendig. Auch hier könnte ein Geschichtsportal eine wichtige Rolle spielen. Zudem gelte es, die Diskussion um ehrungswürdige Personen auf eine breitere Basis zu stellen.
Für künftige Straßenbenennungen legt der Arbeitskreis Kriterien an: Die Benennung dient der Ehrung und Erinnerung an eine verdiente Persönlichkeit, wobei sich die Einschätzung im Lauf der Zeit ändern kann – Zurückhaltung sei geboten. Die Person muss in Verbindung zur Stadt Siegen stehen und mindestens zehn Jahre tot sein, Angehörige sind, falls machbar, zu beteiligen.
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Der Arbeitskreis sollte auch den Bürgerantrag zur Steigerung der Präsenz von Frauen im Siegener Stadtbild bearbeiten. Positiv diskutiert wurden verdiente Siegener Frauen, die geprüft und als ehrungswürdig eingestuft wurden: Es wird empfohlen, Straßen nach ihnen zu benennen. Dazu gehören, ohne Anspruch auf Vollständigkeit: Emmi Braun, Charlotte Dresler, Frieda Dresler, Hilde Fiedler, Therese Giehse, Hedwig Heinzerling, Anna Cäcilia Wilhelmine Hellmann, Dina Herter, Elisabeth Köhne, Margarethe Lenz, Charlotte Petersen, Helge Pross, Maria Rubens und Juliane von Stolberg-Wernigerode.