Siegen. Siegens vierte Gesamtschule würde das Aus für drei andere Schulen bedeuten. Die geben nicht auf und wollen einen Bürgerentscheid. So ist die Lage.

Ein Bürgerentscheid über den Erhalt der Haupt- und Realschulen in Siegen wird zunehmend wahrscheinlicher. 4029 gültige Unterschriften wären beim vorgelagerten Bürgerbegehren erforderlich, damit anschließend die Siegenerinnen und Siegener final über diese Schulfrage abstimmen können. Mehr als 2500 Unterschriften wurden bereits gesammelt, wie die Vertretungsberechtigten nun beim Pressegespräch zum Zwischenstand mitteilten.

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Mit der Einführung einer vierten Gesamtschule – Am Rosterberg – hatte der Rat Mitte Juni gleichzeitig mehrheitlich die Schließung der Hauptschule Achenbach sowie der Realschulen Am Oberen Schloss und Auf der Morgenröthe beschlossen. Grund: Während an den drei bestehenden Siegener Gesamtschulen immer wieder Kinder abgewiesen werden müssten, würden an den Haupt- und Realschulen die Mindestanmeldezahlen nicht mehr erreicht. Daraufhin formierte sich eine Initiative zum Erhalt der drei von der Schließung betroffenen Schulen, meldete den Wunsch nach einem Bürgerbegehren an und bekam dafür am 31. August vom Rat grünes Licht. „Wir haben direkt nach der Sitzung mit der Unterschriftensammlung begonnen“, sagt Michael Petin, Sozialarbeiter an der Achenbacher Hauptschule und neben Sandra Drößler und Hermann J. Hellmann einer der drei Vertretungsberechtigten.

Siegen: Bürgerentscheid könnte zu Erhalt von Haupt- und Realschulen führen

Es gehe nicht um eine Ablehnung der Schulform Gesamtschule: „Es geht um den Erhalt der Schulvielfalt“, betont Sandra Drößler, Lehrerin an der Realschule Am Oberen Schloss. „Wir wollen das breite Angebot erhalten, damit Eltern entscheiden können, wo sie ihr Kind hinschicken möchten.“ Dieser Ansatz korrespondiert mit der Reaktion der Gemeinde Wilnsdorf auf den Siegener Ratsbeschluss aus dem Juni: Die nämlich hätte nach der Schließung die einzige Haupt- und eine von nur noch drei Realschulen im Siegerland und befürchtet, dass aus Siegen ein Schülerandrang droht, der die Kapazitäten überlastet. Hier soll ein Moderationsverfahren weiterhelfen.

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Die Unterschriftensammlung in Siegen ist ein forderndes Projekt, sagt Michael Petin. „Wir sind ziemlich im Stress, weil an den Schulen ja auch viel los ist.“ Die Initiative setzt unter anderem auf Stände bei Veranstaltungen mit viel Publikumsverkehr. Dies scheitere aber teilweise an Genehmigungen, weil bei manchen Events – etwa dem Altstadtfest – politische Aktionen nicht erwünscht seien.

Siegen: Unterschriftensammlung für Erhalt der Haupt- und Realschulen läuft weiter

Die Unterstützerinnen und Unterstützer gehen aber auch durch die Stadt oder von Haus zu Haus, um Unterschriften zu bekommen. Kritische Stimmen für das Begehren seien kaum zu hören, sagt Michael Petin, „es gibt tatsächlich wenig Diskussionsbedarf.“ Auch Sandra Drößler berichtet von weit überwiegend positiven Erfahrungen: „Das schönste Erlebnis war, als zwei Leute am Markt auf mich zukamen, nachdem sie unser Plakat gesehen hatten, und direkt fragten: ,Wo können wir unterschreiben?’“

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Manche Helferinnen und Helfer laden sich auch Unterschriftenlisten von der Homepage der Initiative herunter (schulvielfalt-siegen.de) und schicken diese ausgefüllt zurück. „Auch die Gymnasien haben sich angeschlossen“, sagt Michael Petin – ebenso die Berufskollegs. „Die sehen Gefahren für den Ausbildungsmarkt“, erläutert der Vertretungsberechtigte. „Und auch in vielen Betrieben sieht man mit Unverständnis, wie Haupt- und Realschulen geschlossen werden sollen.“ Gerade Absolventinnen und und Absolventen dieser Schulformen würden sich häufig für eine betriebliche Ausbildung entscheiden, statt sich in Richtung Abitur und Studium zu orientieren.

Siegen: Rat könnte im Dezember über Bürgerentscheid zur Schullandschaft beschließen

Bis zum 22. November hat die Initiative Zeit, um die erforderlichen Unterschriften beisammen zu haben und diese an den Bürgermeister zu übergeben. Faktisch werden es mehr als die vorgeschriebenen 4029 sein, prognostiziert Sandra Drößler. Auf den Listen unterschreiben auch Leute etwa aus Kreuztal, Netphen oder Wilnsdorf. Das sei nicht unerwünscht, denn „die Stadt soll ruhig sehen, dass sich auch Menschen aus den Nachbarkommunen für das Thema interessieren.“ 4029 Unterschriften von Siegenerinnen und Siegenern müssen es aber sein. Die Verwaltung wird die Listen daraufhin prüfen und das Ergebnis nach derzeitiger Einschätzung der Initiative in der Ratssitzung am 21. Dezember mitteilen.

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Ist die Marke überschritten, müsste die Umsetzung des Juni-Beschlusses gestoppt werden. Der Rat könnte dann selbst dem Anliegen des Bürgerbegehrens folgen. Wahrscheinlicher ist aber, dass er für einen Bürgerentscheid votiert. Dazu wären alle bei einer Kommunalwahl Wahlberechtigten in Siegen aufgerufen, also alle Bürgerinnen und Bürger ab 16 Jahren. Eine Mehrheit von mindestens zehn Prozent der Wahlberechtigten, also rund 8000 Menschen, könnte den Ratsbeschluss kippen, mit dem die Errichtung einer vierten Gesamtschule und die Schließung der drei anderen Schulen verbunden sind.

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