Siegen. CDU, SPD, Grüne und Volt setzen die vierte Gesamtschule für Siegen durch, die CDU allerdings eher mit zusammengebissenen Zähnen.
Die Vorbereitungen für die Errichtung einer vierten Gesamtschule in Siegen beginnen. „So schnell wie möglich“ würden nun die Stellungnahmen von Schulkonferenzen, Schulaufsicht und Nachbarkommunen eingeholt, damit der Rat den formellen Errichtungsbeschluss fassen kann – nicht erst, wie bisher geplant, im September, sondern vielleicht sogar schon vor der Sommerpause, turnusmäßig wäre das am 15. Juni. Das hat Schuldezernent Andree Schmidt nach der Abstimmung im Schulausschuss angekündigt.
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Eine Gegenstimme auch von der CDU
Der Schulausschuss hat sich, wie erwartet, bei fünf Gegenstimmen für den Antrag von CDU, SPD, Grünen und Volt ausgesprochen, in den Räumen des jahrgangsweise auslaufenden Peter-Paul-Rubens-Gymnasiums auf dem Rosterberg zum Schuljahr 2023/24 eine Gesamtschule zu errichten. Teilstandort soll die Achenbacher Hauptschule sein. Hauptschule und die beiden Realschulen sollen ab 2023 keine 5. Klassen mehr bilden und dann auslaufen. FDP, UWG, Linke und GfS lehnten ab, eine Gegenstimme gab es auch aus den Reihen der CDU.
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FDP, GfS und UWG stellen Gegenantrag
Keine Chance hatte ein gemeinsamer Antrag von FDP, GfS und UWG, den Kevin Lee Hörnberger (FDP) am Schluss der Debatte stellte: die beiden Realschulen Am Oberen Schloss und Auf der Morgenröthe am Standort Rosterberg zusammenlegen, die Hauptschule erhalten, die Erweiterung der drei Gesamtschulen an ihren Standorten prüfen und die dauerhafte Kapazität der Gymnasien von zehn auf elf Züge erweitern. Dazu solle das Löhrtor-Gymnasium eine Dependance in der Spandauer Schule bekommen – die Grundschule wird in das Gebäude der ehemaligen Realschule auf dem Häusling umziehen.
Vier Fraktionen für die vierte Gesamtschule in Siegen
SPD: „Das gegliederte Schulsystem ist politisch abgewählt“, sagt Joachim Pfeifer, „Siegens Schullandschaft erhält eine klare Struktur.“ Später wendet Pfeifer sich an Hauptschul-Rektor Christoph Henrichs: „Sie instrumentalisieren die Schwächsten. Wenn sie die Freiheit hätten, würden sie sich für ein integratives System entscheiden.“
CDU: „Wir tun uns außerordentlich schwer“, gesteht Alexander Patt. Den Antrag trage die CDU mit, „um langfristig Planungssicherheit zu geben. Den mehrheitlichen Elternwillen kann man nicht leugnen.“ Die Zustimmung der CDU erfolge „nicht unbedingt aus Überzeugung“, im Rat werde es aus seiner Fraktion Gegenstimmen geben.
Volt: „Unsere Schulen sind zwar gut, aber nicht mehr gesund, begründet Samuel Wittenburg den Handlungsbedarf. „Wir haben zum ersten Mal die Möglichkeit, zu agieren und nicht nur zu reagieren.“ Mit Berufsorientierung würden die von der Schließung betroffenen Schulen nicht punkten können: „Es ist einfach schwierig, mit einem Hauptschulabschluss einen Ausbildungsplatz zu bekommnen.“
Grüne: Durch die Schließung des PPR-Gymnasiums werde es das auch an der Gesamtschule benötigte „Schülerkapital“ mit Gymnasialeignung geben, sagt Elisabeth Nüßing. „Perspektivisch“ möge die neue Gesamtschule aber auf einen Standort konzentriert werden, die Dependancen-Lösung „darf man nicht in den nächsten 50 Jahren so belassen“.
Schulen: Werner Jüngst, Leiter der Gesamtschule Eiserfeld, ist „ohne Wenn und Aber“ für die vierte Gesamtschule. Den Gegnern wirft er „ideologische Grabenkämpfe aus der Zeit vor 30 bis 40 Jahren“ vor. „Was hier fehlt, ist der Blickwinkel der Schüler und der Eltern.“
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Vier Fraktionen gegen vierte Gesamtschule in Siegen
FDP: Mit der Errichtung der vierten Gesamtschule werde in Siegen die „Schullandschaft zerstört“, sagt Kevin Lee Hörnberger. Siegen hätte die Schulentwicklung gemeinsam mit Nachbarkommunen planen müssen. „Dann hätten Netphen und Burbach jetzt nicht Sekundarschulen, sondern Gesamtschulen.“
UWG: Achim Bell erinnert daran, dass sich seine Wählergemeinschaft vor über 30 Jahren von der SPD abgespalten habe, weil ein „funktionierendes Ganztagsgymnasium“ aufgeben wurde – damals, auf dem Giersberg, für die erste Gesamtschule, heute auf dem Rosterberg für die vierte: „Eine Fehlentwicklung.“
GfS: Eva Biawolons-Sting zitiert ein Bekenntnis von Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) zur Hauptschule: „Ich kann nicht verstehen, dass CDU-Mitglieder dagegen sprechen.“
Linke: „So nicht", sagt Ulrich Schloos. Die betroffenen Lehrerkollegien seien nicht eingebunden worden. „Und wenn sie sich übergangen fühlen, dann gehen sie eben. Den Schaden werden die betroffenen Schülerinnen und Schüler haben.“ Und später: „Mir geht es um das pädagogische Herzblut.“ Er sei nicht dafür, „das dreigliedrige Schulsystem auf Dauer zu halten“.
Hauptschul-Rektor: „In den Kollegien rumort es"
Schulen: „In den Kollegien rumort es und wird unruhig“, berichtet Christoph Heinrichs, Rektor der Achenbacher Schule, „es wird also keineswegs Ruhe und Frieden in der Siegener Schullandschaft eintreten.“ Gesamtschulen seien darauf ausgelegt, „möglichst viele Schüler zum Abitur zu führen. Die Schwachen fallen hinten runter.“ Holger Engelbert, Rektor der Realschule Auf der Morgenröthe, ist „nicht dagegen, dass Eltern, die einen Gesamtschulplatz für ihr Kind wollen, den auch bekommen." Das sei durch eine Erweiterung der bestehenden Gesamtschulen zu erreichen. Und wundert sich: „Die CDU verhält sich seltsam.“
Zum Kommentar: Noch steht die neue Schullandschaft für Siegen nicht
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