Siegen/Wilnsdorf. Der Wilnsdorfer Rat könnte am Donnerstag beschließen, die Bezirksregierung einzuschalten. Siegen sieht das entspannt.
Die Gemeinde Wilnsdorf soll bei der Bezirksregierung ein Moderationsverfahren beantragen, „um einen derzeit nicht bestehenden Konsens zwischen der Stadt Siegen und den umgebenden Städten und Gemeinden in der Schulentwicklung zu erzielen“. Das beantragt die BfW/FDP-Fraktion in der Ratssitzung am Donnerstag, 23. Juni. „Bis dahin sollen mögliche Errichtungsbeschlüsse von Seiten der Bezirksregierung angesichts der logischen Widersprüche und Konflikte in der Planung ausgesetzt werden.“
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Was hat die Gemeinde Wilnsdorf gegen eine vierte Gesamtschule in Siegen?
Nichts – aber gegen die damit verbundene Schließung der Haupt- und Realschulen. Das führe dazu, dass im Siegerland die einzige Hauptschule in Wilnsdorf verbleibe und eine von noch drei Realschulen (die anderen sind in Kreuztal und Hilchenbach), abgesehen von der Realschule des christlichen Schulvereins in Niederndorf. Bereits jetzt besuchen insgesamt 65 auswärtige Kinder die Hauptschule in Rudersdorf, darunter 50 aus Siegen. An der Realschule sind 110 Kinder aus anderen Kommunen angemeldet, darunter weitere 62 aus Siegen. Die Sorge ist, dass die beiden Schulen in Wilnsdorf überfüllt werden.
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Warum könnte es in Wilnsdorf eng werden?
Bürgermeister Hannes Gieseler rechnet mit weiteren Kindern aus Siegen, die von ihren Eltern nicht an einem Gymnasium oder an einer Gesamtschule angemeldet werden. Und mit Kindern, die in Siegen nach der Erprobungsstufe das Gymnasium verlassen müssen, aber keinen Platz an einer Gesamtschule finden. Denn „allein die Zahlen der Siegener Kinder werden eine fünf- oder sechszügige Schule notwendig machen“, schreibt die Gemeinde Wilnsdorf. Die geplante vierzügige Gesamtschule werde von vornherein zu klein sein. Wilnsdorf könnte aber die Kinder aus der Nachbarstadt nicht einfach abweisen: Für Kinder aus Kaan-Marienborn zum Beispiel ist Niederdielfen der nächstgelegene Schulstandort. Draußen bleiben müssten dann Kinder aus Wilnsdorf. „Das ist unsere größte Sorge“, sagt Hannes Gieseler. Eine Erweiterung der Realschule „können wir uns nicht leisten“.
Was bringt ein Moderationsverfahren?
Im Schulgesetz ist festgelegt, dass die Schulträger (also die Städte und Gemeinden) „in enger Zusammenarbeit und gegenseitiger Rücksichtnahme auf ein regional ausgewogenes, vielfältiges inklusives und umfassendes Angebot (...) achten. (...) Macht ein benachbarter Schulträger eine Verletzung eigener Rechte geltend und hält der Schulträger an seiner Planung fest, kann jeder der beteiligten Schulträger ein Moderationsverfahren bei der oberen Schulaufsichtsbehörde beantragen.“
Bürgermeister Hannes Gieseler ist für ein solches Verfahren, „allein, um der Stadt Siegen deutlich zu machen, dass wir berechtigte Interessen haben“. Die Stadt Siegen habe sich selbst durch die Bezirksregierung beraten lassen, sagt Siegens Bürgermeister Steffen Mues, „sollte die Gemeinde Wilnsdorf daher nun ebenfalls bei der Bezirksregierung ein Moderationsverfahren anstreben, werden wir uns im Rahmen dieses Verfahrens selbstverständlich konstruktiv beteiligen.“ Es dürfe „aber stark bezweifelt werden“, ob das Moderationsverfahren zu einem anderen Ergebnis als der Siegener Rat komme.
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Was sagt die Stadt Siegen?
Die Stadt Siegen weist darauf hin, dass 157 Kinder aus Wilnsdorf eine Gesamtschule in Siegen besuchen, elf eine Realschule und zwei die Hauptschule. „Es ist Fakt, dass es eine hohe Nachfrage nach Gesamtschulplätzen in der Gemeinde Wilnsdorf gibt, deren Abdeckung in Siegen die Gemeinde Wilnsdorf bisher stillschweigend, aber doch sehr bewusst in Anspruch genommen hat“, sagt Siegens Bürgermeister Steffen Mues. „Wichtig ist uns auch, dass der schulgesetzlich geregelte Zugang für Schulformen in einer anderen als der Wohnortkommune, wenn die Schulform in der eigenen Kommune nicht vorgehalten wird, bestehen bleibt.“ Sowohl Wilnsdorf wie Siegen würden auch künftig eine „überörtliche Versorgungsfunktion“ erfüllen. Siegener Schülerinnen und Schüler mit dem Schulformwunsch Realschule könnten zwischen den drei Realschulen in Kreuztal, Wilnsdorf oder Freudenberg wählen. „Abhängig vom Wohnort und den pädagogischen Vorstellungen werden die Entscheidungen daher auf alle drei Kommunen verteilt, so dass vermutlich keine einzelne Realschule übermäßig belastet wird.“
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Warum planen die Städte und Gemeinden ihre Schulentwicklung nicht gemeinsam?
„Wir sehen natürlich grundsätzlich die Notwendigkeit einer regionalen Schulentwicklungsplanung, das haben wir immer wieder herausgestellt“, sagt Siegens Bürgermeister Steffen Mues. „Dieses Angebot ist noch nie gekommen, seit ich Bürgermeister bin“, sagt Wilnsdorfs Bürgermeister Hannes Gieseler. Darauf jetzt nach dem Siegener Ratsbeschluss abzuheben und den Umlandkommunen – auch Netphen und Freudenberg hatten sich kritisch geäußert – „Kirchturmdenken“ vorzuwerfen, „empfinde ich als Hohn“. Die Kommunen hätten sich zum Beispiel darauf verständigen können, gemeinsam aus dem dreigliedrigen Schulsystem auszusteigen oder gemeinsam zentrale Hauptschulen vorzuhalten. Eine Pflicht zu gemeinsamer Schulentwicklungsplanung kennt das Schulgesetz für den Fall, dass eine Schule nur mit Kindern aus mehreren Gemeinden fortbestehen kann.
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