Siegen. Siegens Wahlberechtigte sollen abstimmen, ob Haupt- und Realschulen erhalten bleiben. Bis dahin ist es aber noch ein weiter Weg.
„Sollen Haupt- und Realschulen in Siegen erhalten werden?“ Über diese Frage sollen die Kommunalwahlberechtigten in Siegen abstimmen. Das Bürgerbegehren „Keine Schulschließungen zugunsten einer weiteren Gesamtschule!" ist am Montag bei Bürgermeister Steffen Mues angemeldet worden. Bis dafür Unterschriften gesammelt werden können, wir nun noch einige Zeit vergehen. Am Zuge ist zunächst die Verwaltung. Die Domain im Internet ist aber schon reserviert: schulvielfalt-siegen.de
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„Sie können davon ausgehen, dass wir das so schnell wie möglich machen“, sagte Bürgermeister Steffen Mues: die Schätzung der Kosten, die eine Umsetzung des Bürgerwunsches verursachen würde. Denn dieser Betrag muss bei den Unterzeichnern des Bürgerbegehrens bekannt sein. Tatsächlich dürfte der Verwaltung daran liegen, das Anmeldeverfahren für eine Gesamtschule Am Rosterberg nicht stoppen zu müssen. Das aber wäre der Fall, wenn der Rar einen Bürgerentscheid zulässt, der im Januar noch nicht abgeschlossen ist.
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Sie vertreten das Bürgerbegehren
Michael Petin ist als Fachkraft im multiprofessionellen Team der Achenbacher Hauptschule direkt betroffen und einer von drei Vertretungsberechtigten des Bürgerbegehrens: „Ich glaube schon, dass das hier in Siegen Erfolg haben kann.“ Um die 4000 Wahlberechtigte müssten das Begehren unterschreiben, damit der Rat zum Bürgerentscheid aufruft. Der wiederum braucht dann eine Mehrheit der gültigen Stimmen, mindestens aber 10 Prozent der Wahlberechtigten, also etwa 8000 Stimmen. „Ich bin optimistisch, das die Hauptschule weiter bestehen kann“, sagt Michael Petin. Dass der Rat sich nicht für den von GfS, UWG und FDP beantragten Ratsbürgerentscheid entscheiden hat, bedauert er. „Jetzt müssen wir viel arbeiten. Wir hoffen, dass wir schnell anfangen können.“
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Auch für Lehrkräfte „absolut schwierige Situation“
Zweite Vertretungsberechtigte ist Sandra Drößler, Lehrerin an der Realschule Am Oberen Schloss: „Nur zu unterschreiben ist mir zu wenig“, begründet die Pädagogin ihr Engagement für das Bürgerbegehren. Mit der Schließung der Achenbacher Hauptschule und der Realschulen Auf der Morgenröthe und Am Oberen Schloss gebe Siegen das dreigliedrige Schulsystem auf. „Das kann man nicht wieder zurückholen.“ Sandra Drößler glaubt, dass Kinder mit Unterstützungsbedarf, zum Beispiel auch die, die erst noch Deutsch lernen müssen, an einer Gesamtschule „völlig untergehen“. Dagegen würden sich die Gymnasien zu „Eliteschulen“entwickeln müssen – „oder zugrunde gehen“.
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Der Ratsmehrheit wirft Sandra Drößler mangelnde Kenntnis der Situation an den Schulen vor: „Wir müssen die Kinder unterrichten, nicht die Politik steht vor der Klasse.“ Sie selbst hat während ihrer Berufslaufbahn bereits die Winchenbachschule und die Haardter-Berg-Schule mit abwickeln müssen. „Macht man eine gut laufende Firma ohne Grund zu? Auch für uns Lehrkräfte ist das eine absolut schwierige Situation.“
In den 1990ern gab es noch fünf Hauptschulen in Siegen
Hermann J. Hellmann, der dritte Vertretungsberechtigte des Bürgerbegehrens, war in den 1990er Jahren Elternsprecher der damals noch fünf Siegener Hauptschulen und Elternvertreter an der Achenbacher Hauptschule. „In diese Zeit fühle ich mich zurückversetzt.“ Die Bertha-von-Suttner-Gesamtschule auf dem Giersberg war als erste Gesamtschule in Siegen gerade eröffnet worden. Real- und Hauptschulen hätten weiter bestehen können. „Diese Frist scheint jetzt zu Ende zu gehen.“ Dass die nun vierte Siegener Gesamtschule die Arbeit der aufgelösten Haupt- und Realschulen weiterführen kann, bezweifelt Hermann J. Hellmann: „Wie soll eine neue Schulform all diese Probleme übernehmen?“
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So geht es weiter
Wenn die Verwaltung den Vertretungsberechtigten die Kosten für die Umsetzung ihres Begehrens mitgeteilt hat, läuft die Frist von drei Monaten nach dem Ratsbeschluss wieder an, in dem die Unterschriften für das Bürgerbegehren gesammelt werden können. Es sei denn, die Vertretungsberechtigten beantragen die Vorprüfung des Bürgerbegehrens durch den Rat. „Das werden wir noch diskutieren“, sagt Michael Petin. Der hätte dann noch einmal acht Wochen Zeit, sich schon vor der Unterschriftensammlung festzulegen – was den Vertretern des Begehrens die Chance gäbe, die Entscheidungsfrage rechtzeitig noch einmal anders zu formulieren.
Bürgerentscheide im Siegerland
Im Siegerland gab es bisher zwei Bürgerentscheide: 2003 gegen den Verkauf der noch kreiseigenen Verkehrsbetriebe Westfalen-Süd, 2012 gegen die Schließung von drei Grundschulen in Wilnsdorf. Beide verfehlten die nötige Mindestzahl an Stimmen.
Nicht zum Bürgerentscheid führten Bürgerbegehren 2004 gegen den Verkauf von Kraemers Park in Hilchenbach, 2010 für den Erhalt des Gymnasiums Am Löhrtor in Siegen und 2015 gegen neue Windräder in Wilnsdorf. Diese Bürgerbegehren wurden von den Räten als unzulässig zurückgewiesen.
Gar nicht erst mit einer Unterschriftensammlung begonnen hat 2021 in Netphen eine Initiative
für den Erhalt der Eishalle.
Noch wird die Verwaltung nicht gebremst
Sobald die Unterschriften vorliegen und der Rat das Bürgerbegehren zugelassen hat, darf die Verwaltung den mit dem Bürgerbegehren beanstandeten Ratsbeschluss nicht mehr ausführen. Ob das dann „nur“ die Auflösung von Haupt- und Realschulen oder auch die Errichtung der vierten Gesamtschule betrifft, dürfte Thema der Auseinandersetzung werden – wenn es denn so weit kommt.
Michael Petin hat übrigens in seiner Heimatstadt Mönchengladbach schon einmal ein Bürgerbegehren gegen die Schließung von zwei Hauptschulen unterstützt. Der Bürgergerentscheid war erfolgreich, die Sache aber nicht: Am Ende hatten die Schulen zu wenig Anmeldungen, um noch einmal Klassen für einen neuen Jahrgang bilden zu können.
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