Siegen. Die Pandemie hat Spuren hinterlassen, das Publikum kehrt nur zaghaft ins Theater zurück. Das Apollo in Siegen will gegensteuern – und zwar so.

Der neue Chef ist aufgeregt; zumindest „ein bisschen“, wie er vorwegschickt. Pressegespräche ist Markus Steinwender gewöhnt, doch bei diesem geht es um die erste Spielzeit von und mit ihm als Apollo-Intendant. Vor anderthalb Jahren habe er begonnen, sich mit der Stadt zu beschäftigen, „und jetzt kann ich hier das Programm vorstellen“. Da ist ein wenig Nervosität doch verständlich.

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Die Pandemie hat nicht nur einen langen Atem – sondern gerade für den Kulturbereich auch einen giftigen. Innerhalb der zwei Coronajahre haben sich Gewohnheiten verändert. Über weite Phasen konnten die Menschen nicht mehr ins Theater gehen, den Freiraum füllten sie mit anderen Aktivitäten, von denen viele nun einen festen Platz in der Freizeitplanung haben.

Markus Steinwender, der neue Intendant des Apollo-Theaters Siegen (2. von rechts), stellt mit Team und Unterstützern das Programm seiner ersten Spielzeit vor.
Markus Steinwender, der neue Intendant des Apollo-Theaters Siegen (2. von rechts), stellt mit Team und Unterstützern das Programm seiner ersten Spielzeit vor. © WP | Florian Adam

Apollo-Theater Siegen: Neuer Intendant will Publikum nach Pandemie zurückgewinnen

Außerdem haben viele Leute auch immer noch Hemmungen, größere Veranstaltungen in geschlossenen Räumen zu besuchen. „Wie kommen wir überhaupt wieder an unser Publikum heran?“, beschreibt Markus Steinwender das Problem. Und er formuliert ein Ziel: „Das Apollo-Theater ist und soll ein wichtiger Ort für Theater und Konzert in Siegen sein und bleiben. Ein Herz der Stadt. Und ein Kraftort.“

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Markus Steinwender ist der erste Apollo-Chef, der NICHT Magnus Reitschuster ist. Der Gründungsintendant, der im Mai seinen Abschied feierte, war 15 Jahre im Amt, unter seiner Führung wurde das Apollo „ein unglaublicher Publikumsmagnet mit großen Erfolgen“, wie Bürgermeister Steffen Mues beim Pressegespräch hervorhebt. Mit Markus Steinwender, der sich gegen 32 Bewerberinnen und Bewerber durchsetzte „haben wir jemanden gefunden, dem ich ohne Weiteres zutraue, dieses Haus in die Zukunft zu führen und es zum Positiven zu verändern“.

Das Apollo-Theater Siegen wird ein unter Intendant Markus Steinwender eine neue Corporate Identity bekommen. Die Arbeiten daran laufen.
Das Apollo-Theater Siegen wird ein unter Intendant Markus Steinwender eine neue Corporate Identity bekommen. Die Arbeiten daran laufen. © WP | Florian Adam (Archiv)

Apollo-Theater Siegen: Neue Abos sollen Publikum nach Coronapause zurückholen

Auch das Siegener Theater sei nämlich vom demografischen Wandel betroffen. Das Apollo erhält zwar öffentliche Zuschüsse, außerdem stellt die Stadt das (teure) Gebäude zur Verfügung. Getragen wird der Betrieb aber von einem Verein, und entstanden ist das Haus aus bürgerschaftlichem Engagement heraus. Die „Gründergeneration“, so Steffen Mues, werde aber nun einmal älter; entsprechend würden nicht mehr alle davon das Theater besuchen. Folglich müssten neue Zielgruppen erreicht werden: „Wichtig ist, dass alles getan wird, damit das Theater nah am Publikum bleibt.“ Und zwar auch und gerade an einem Publikum, das sich bisher noch nicht angesprochen fühlt oder aus anderen Gründen fernbleibt.

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Markus Steinwender und sein Team – mit Eva-Maria Trütschel (Dramaturgin und Referentin für Marketing) und Henriette Heine (Theaterpädagogin und ausgebildete Schauspielerin) hat er noch zwei neue Fachleute ins Boot geholt – haben bereits erste Ansätze, die in der Spielzeit 2022/23 umgesetzt werden:

Abos. Mit neun verschiedenen Abos gibt es weniger als bisher, mit Ausnahme des Konzert-Abos mit acht Terminen hat außerdem jedes „nur“ sechs. Zwei Jahre lang seien die Abos wegen der Pandemie ausgesetzt worden, erläutert der neue Intendant, nun gelte es, den Leuten den Wiedereinstieg leicht zu machen. Von kleineren Paketen verspricht sich das Team höhere Anziehungskraft, weil die Nutzerinnen und Nutzer sich so für weniger Termine verpflichten – was der Coronazeit-Gewohnheit entgegenkommt, sich in der Freizeit seltener festlegen zu müssen (weil man sich einfach seltener festlegen konnte).

Markus Steinwender, 50, ist ab Sommer 2022 neuer Intendant des Apollo-Theaters Siegen. Der gebürtige Salzburger folgt auf Magnus Reitschuster.
Markus Steinwender, 50, ist ab Sommer 2022 neuer Intendant des Apollo-Theaters Siegen. Der gebürtige Salzburger folgt auf Magnus Reitschuster. © WP | Florian Adam

Siegen: Apollo- und Bruchwerktheater bieten erstmals gemeinsames Abo an

Kooperation. Zum ersten Mal gibt es ein gemeinsames Abo mit dem Bruchwerktheater in der Siegbergstraße. „Es war sehr eindrücklich, dass Markus Steinwender sofort Kontakt zu uns gesucht hat“, berichtet Milan Pešl, einer der Bruchwerkgründer. Es gebe verschiedene „Publikumsblasen“ in Siegen, die mit einzelnen Spielorten assoziiert seien: „Das Apollo-Publikum, das Bruchwerk-Publikum, das Lyz-Publikum“. Innerhalb dieser Gruppen gäbe es mitunter nur bedingt Überschneidungen – dabei sei es angebracht, diese Blasen zu durchstoßen, „um den Menschen das komplette Theatererleben“ zu ermöglichen: Großes Haus hier, Studiobühne da.

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Genau das passiert nun im Abo mit drei Apollo- und drei Bruchwerk-Stücken. Markus Steinwender spricht deshalb sogar vom Bruchwerk als „Partnerhaus“. Und, wie der 50-Jährige verrät, habe es auch schon Gespräche mit dem Lyz gegeben, um irgendwann (hoffentlich) ein gemeinsames Abo anbieten zu können.

Apollo-Theater Siegen will künftig eng mit Jugendzentren zusammenarbeiten

Jugend. Geplant ist eine intensive Vernetzung mit den Jugendzentren, „um mehr junge Leute ins Theater zu holen“, erklärt Theaterpädagogin Henriette Heine. Dabei geht es unter anderem um Workshops. Das Junge Theater (JAp) indes wird seinen Fokus etwas verschieben, wie Markus Steinwender erläutert: Weg von der Konzentration auf im engeren Sinne Jugendliche, hin zu einem Zuschnitt auf Menschen, die für aktuelle Theaterpublikums-Maßstäbe als „jung“ gelten – also bis Mitte 30 oder 40.

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Corporate Design. Das Apollo-Theater wird seinen Auftritt nach außen verändern, kündigt der Intendant an: Es gibt eine neue Corporate Identity, die alle Veröffentlichungen und die neue Homepage (diese kommt 2023) prägen wird. Das dauere noch, weil dafür keine Agentur aus irgendeiner Metropole beauftragt worden sei, die sich hunderte Kilometer entfernt etwas ausdenkt; stattdessen soll dies vor Ort geschehen, mit starken Bezügen zur Region und zur Geschichte und DNA des Hauses. Dazu gehöre auch das Äußere des Gebäudes, wie Markus Steinwender anmerkt. Bisher stehe nämlich gar nicht dran, dass es sich um ein Theater handelt. Lediglich „Apollo“. Und das führe manchmal sogar zu Missverständnissen, so der neue Chef: „Es rufen hier genügend Leute an, die ihre Brille abholen wollen.“

Musiktheater am Eröffnungswochenende der Apollo-Spielzeit 2022/23: „Do the Calimero“, live in Siegen zu erleben am 9. September. Dieses Szenenfoto hat es übrigens auch aufs Programmheft geschafft. 
Musiktheater am Eröffnungswochenende der Apollo-Spielzeit 2022/23: „Do the Calimero“, live in Siegen zu erleben am 9. September. Dieses Szenenfoto hat es übrigens auch aufs Programmheft geschafft.  © Apollo-Theater Siegen | Fred Debrock

Apollo-Spielzeit 2022/23: Großes Eröffnungswochenende zum Einstieg

• Das Eröffnungswochenende der Apollo-Spielzeit 2022/23 beginnt am Freitag, 9. September, um 19.30 Uhr mit „Do the Calimero/Mach den Calimero“. Das Musiktheater-Stück des belgischen hetpaleis & LOD muziektheaters (Regie: Lies Pauwels) in Kooperation mit dem Apollo und dem österreichischem Schäxpir Festival ist eine Uraufführung in niederländischer Sprache mit deutschen Übertiteln. Außerdem am Eröffnungswochenende auf dem Programm: Das Familienkonzert „Papa Haydns kleine Tierschau“ mit der Philharmonie Südwestfalen (Samstag, 10. September) und „Rita“ (Sonntag, 11. September), ein Stück zwischen Schauspiel und Tanz von Randi De Vlieghe und Jef Van gestel; ein Beitrag über das Älterwerden, der als witzig, skurril und berührend zugleich angekündigt wird.

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• Neues Format im Portfolio ist das Klassenzimmerstück. „Meine Schwester An(n)a“ ist zwar am Samstag, 10. September, ab 17.30 Uhr auch im Apollo zu sehen, Schulen können das Stück über Essstörungen aber darüber hinaus für Aufführungen in ihren eigenen Räumen buchen.

• „High Noon (Collective’s Cut)“ am 25. und 26. Oktober ist ein „Endzeit-Western-Spektakel“ von und mit dem Ensemble „Pandora Pop“, das zwar vor der Pandemie entstand, diese „aber vorweggenommen hat“, wie Apollo-Intendant Markus Steinwender sagt: Es geht um eine Kleinstadt, in der ein Virus ausbricht.• „Die kleine Muck“ heißt das Familienstück im November und Dezember. Der Titel der Eigenproduktion nach Wilhelm Hauff ist kein Schreibfehler: Die Hauptfigur ist in dieser Version weiblich.

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• Während der Pandemie hätten viele Kulturschaffende und -institutionen mit digitalen Formaten experimentiert – und teilweise „kamen ganz furchtbare Sachen dabei heraus“, sagt Markus Steinwender. Aber eben auch einige sehr gute. Und eine solche sei „Play Hard Work“ eine „interaktive Online-Live-Zoom-Show“ von Pandora Pop, die das Apollo im Dezember präsentiert. Wen das noch nicht von den Potenzialen digitaler Theater-Formate überzeugt: Am 14. Januar ab 19.30 Uhr läuft „möwe.live“ – Tschechows Klassiker „Die Möwe“ inszeniert für den digitalen Raum. Klingt jetzt erst einmal nicht so spektakulär, doch der Apollo-Intendant ist Feuer und Flamme: „Ob wir digitales Theater brauchen? Ich bin mir sicher: Wenn Sie diesen Abend erleben, sagen Sie ,Ja’!“

Silvester feiern wie in den „Golden Twenties“? Ab ins Apollo-Theater zu „Als gäb’s kein Morgen – Die wilden 20er Jahre“. 
Silvester feiern wie in den „Golden Twenties“? Ab ins Apollo-Theater zu „Als gäb’s kein Morgen – Die wilden 20er Jahre“.  © Apollo-Theater Siegen | Volker Beushausen

• An Silvester gibt es Musiktheater: Bei „Als gäb’s kein Morgen – Die wilden 20er Jahre“ von Tankred Schleinschock und dem Westfälischen Landestheater Castrop-Rauxel ist der Name Programm.

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• Außerdem auf dem Programm – unter anderem: Die Gala der Filmmusik, „Wer hat Angst vor Virginia Woolf?“, Bühnenfassungen von Helmut Dietls Film „Vom Suchen und Finden der Liebe“ und Jan Weilers Buch „Das Pubertier“, das Kinderstück „Das NEINhorn“ und „Game Music Live!“: Videospielsoundtracks gespielt von der Philharmonie Südwestfalen.

Weitere Infos gibt es auch auf abo.apollosiegen.de und auf apollosiegen.de

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