Dahlbruch. Viktoria-Besitzer Jochen Manderbach wird deutlich: Länger als dieses Jahr wird das Hilchenbacher Kino die Besucher-Flaute nicht überstehen.
Es sieht nach Aufbruch aus in Dahlbruch: Am Kulturellen Marktplatz wächst das Haus der Alltagskultur, im nächsten Bauabschnitt wird das Theater um einen zweiten Veranstaltungssaal erweitert – angepeilte Eröffnung: Ende 2023. Jochen Manderbach, der Inhaber des Viktoria-Kinos, würde auch gern frohgemut sein – seine Zahlen sprechen aber dagegen: „Wenn das so weitergeht, werden wir keinen zweiten Saal brauchen.“
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Denn die Besucherzahlen sind in den Keller gerutscht und kommen auch nicht wieder heraus: „Das wird dieses Jahr noch gehen. Aber dauerhaft ist so kein Kinobetrieb möglich.“ Und, so führt er hinzu, am allerwenigsten eine Investition von rund 80.000 Euro in Leinwand und Vorführtechnik für den zusätzlichen Kinosaal, der Viktoria, Gebrüder-Buch-Kreis und andere Veranstalter bei der Nutzung des Hauses unabhängiger voneinander machen soll. Filmverleihe verlangen garantierte Aufführungszeiten und Vorstellungszahlen: Da ist eine zweite Spielstätte hilfreich, um den großen Saal für Neues freizumachen oder für das Theater – so die Idee.
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Das sind die Zahlen im Hilchenbacher Viktoria: Weit entfernt vom nötigen Minimum
Und nun? Acht Monate war das Kino 2020 in Betrieb, sechs Monate 2021. Seit 1. Juli 2021 laufen die Vorstellungen wieder ohne Unterbrechung. Mit James Bond gelang der Neustart, „da hatten wir echt Glück“, sagt Jochen Manderbach. „Corona hatte gerade mal eine Pause gemacht.“ Fast 4000 Leute haben den neuen Bond gesehen – an diese Zahlen kam das Viktoria in den folgenden Monaten nicht mehr heran. Zuletzt im Dezember hatte das Viktoria, vor allem mit einem von ganzen Grundschulen besuchten Kinderfilm („Ein Junge namens Weihnacht“) noch einmal deutlich über 2000 Besucher im Monat. Seitdem dümpeln die Besucherzahlen zwischen 1000 und 1700 im Monat – viel zu wenig, um ein wirtschaftliches Minimum von 30.000 Gästen im Jahr zu erreichen.
Das sind die Gründe: Mittelaltes und älteres Publikum ist vorsichtig
„Es ist nicht die Baustelle“, sagt Jochen Manderbach. Im Theater ist gerade ein Aufzugschacht installiert worden, zwei neue Notausgänge werden demnächst gebaut – Richtung Hüttenweg, weil zum Bernhard-Weiss-Platz hin ja angebaut wird. Im November musste das Kino für eine Woche schließen, während die Lüftung umgebaut wurde. „Ich vermute, dass wir auch noch einmal ein paar Tage schließen müssen“ – wenn Anbau und Altbau miteinander verbunden werden. Ansonsten aber begegnen sich Bauarbeiter und Filmvorführer einfach nicht. Wenn im 17 Uhr die erste Vorstellung beginnt, ist auf dem Bau längst Feierabend.
Das Problem liegt tiefer, erklärt Jochen Manderbach – und das teilt er mit vielen anderen Kinos in der Republik: Das Arthouse-Programm jenseits der Blockbuster zielt auf ein älteres Publikum, das nach den Lockdowns einfach nicht zurückkommt. Die Besucherzahlen im Frauenkino erreichen nur ein Viertel, im Glücksfall die Hälfte der Vor-Corona-Zahlen. „Das Seniorenkino haben wir noch gar nicht wieder hochgefahren. Es gibt zu viele Vorbehalte.“
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Jochen Manderbach berichtet von Stammgästen, die deshalb unbesorgt kommen, weil im großen Theater Platz und Luft ist. „Die anderen bleiben zu Hause.“ Einen Monat länger, als er musste, hat Manderbach 3 G und Maske verlangt. Diese Einschränkungen sind weg, auch die bei der Reservierung freigehaltenen Nachbarplätze. „Die, die kommen wollen es nicht. Und de anderen kommen sowieso nicht.“ Es gibt Lichtblicke: „Top Gun 2“ zum Beispiel ist wie gemacht für das Viktoria-Stammpublikum: „Der Film funktioniert besser als alles, was ich davor hatte.“ Oder „Wunderschön“ mit Caroline Herfurth: „Da sind Anspruch und Kassenerfolg Hand in Hand gegangen.“
Das sind die Aussichten: Ein guter Kinosommer und ein fulminanter Start des Kulturellen Marktplatzes
Klar: Filme für junges Publikum „laufen eindeutig besser“, weiß Jochen Manderbach, der das Kino in Dahlbruch vor nunmehr 31 Jahren von seinem Gründer Felix Fischer übernommen hat. Aber Dahlbruch, als Programmkino in der Kleinstadt abseits der Multiplexe bundesweit gefeiert, ist nun einmal nun einmal nicht der Ort für Batman, Unchained, Spiderman, Mission Impossible, Dr. Strange & Co. „Dafür haben wir kein Publikum.“ Eher dann schon für Downton Abbey und das Lehrerzimmer-Kammerspiel „Eingeschlossene Gesellschaft“. Aber die machen keine Zahlen, im Moment.
Mit Corona-Hilfen hat sich Jochen Manderbach, wie so viele andere Kulturveranstalter, über Wasser gehalten – auch dem Gebrüder-Busch-Kreis, der während der Bauzeit ganz auf die Dahlbrucher Spielstätte verzichtet und ein sehr reduziertes Veranstaltungsprogramm aufgelegt hat, geht es nicht viel besser. Hilfreich fürs Überleben des Viktoria sind die mit Prämien hinterlegten Auszeichnungen der NRW-Filmstiftung und die Kinoprogrammpreise der Bundesbeauftragten für Kultur und Medien. Am Horizont ist die Hoffnung auf einem fulminanten Neustart mit dem Kulturellen Marktplatz. Und bis dahin auf einen einigermaßen guten Kinosommer. Ach so: Die Corona-Warn-App hat bei Jochen Manderbach in letzter Zeit drei Mal Alarm geschlagen: zwei Mal bei Kultur Pur, einmal beim Jahresempfang der Industrie- und Handelskammer. Und nie im Kino.
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