Fröndenberg. „Lebensmittel wachsen nicht im Supermarkt“: Unter diesem Motto wollen Landwirte zum Erntedankfest auf die Bedeutung lokaler Produkte hinweisen.

Die sommerlichen Temperaturen neigen sich dem Ende entgegen und auch die Ernte ist für viele Landwirte inzwischen eingefahren. Im Zuge der jüngsten klimatischen Veränderungen werben heimische Landwirte nun für regionale und saisonale Produkte. Beim Erntedankfest auf Hof Sümmermann stehen aber auch soziale Themen im Mittelpunkt.

Tafel in besorgniserregender Lage

Die Lebensmittelversorgung ist ein zentrales Anliegen der Organisatoren rund um Dr. Karl-Heinrich Sümmermann. Für das Erntedankfest auf seinem Hof hat er sich tatkräftige Unterstützung mit ins Boot geholt. Mit Pfarrer Gisbert Biermann, Landwirt Henrik Plaas-Beisemann und Tafel-Vorsitzendem Kurt Potthoff will er vor allem auf die Versorgung vor Ort aufmerksam machen. Gerade in Zeiten des Ukraine-Krieges habe es sich gezeigt, so Sümmermann, dass „der Weizenmarkt sehr empfindlich ist“. Wochenlang sind Frachtschiffe mit Weizen in der Ukraine festgesetzt worden. Noch dazu ist der Dünger zuletzt deutlich teurer geworden – und auch der Klimawandel trägt seinen Teil zur Lage bei. „Es könnte bald so sein, dass wir im Frühjahr schon Trockenheit erleben“, sagt Sümmermann. Doch das ist längst nicht das einzige Problem. Die Wegwerfmentalität und fehlende Achtung vor Lebensmitteln sorgten zudem dafür, dass „Äpfel, die nicht perfekt aussehen, einfach liegengelassen werden“.

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Wie wichtig es aber ist, eine funktionierende Lebensmittelversorgung auch im Lokalen zu haben, zeigt die aktuelle Situation der Tafeln. „Wir versorgen das untere Ende der Skala“, so Kurt Potthoff, Vorsitzender des Tafel-Vereins. Bereits seit Wochen ist die Lage in der Ausgabe angespannt. „Wir sind dankbar, für alles, was wir rausgeben können.“ Denn: Das Tafel-Klientel kämpfe tagtäglich um die Existenz. Das gehe bereits so weit, dass einige Menschen und sogar Familien Mahlzeiten ausfallen lassen müssen, weil schlichtweg kein Geld da ist. „Das treibt mir Tränen in die Augen. Es ist eigentlich beschämend, dass es überhaupt eine Tafel geben muss“, gibt Kurt Potthoff zu. Oftmals bekomme man den Eindruck, dass alles im Überfluss vorhanden ist. Auch deshalb habe die Tafel einen eigenen Stand beim Erntedankfest auf Hof Sümmermann.

Ansehen der Landwirtschaft gesunken

Was Ostern oder Weihnachten für die Kirche ist, ist Erntedank für Landwirte. Schon deshalb, „weil wir seit längerem deutliche Ernteschwankungen erleben“, erklärt Henrik Plaas-Beisemann. Und seine Bilanz fällt in diesem Jahr besser aus als noch 2021. „Der Weizen ist gut, Kartoffeln, Möhren und Mais aber deutlich schlechter.“ Dabei benötige jeder Bürger rein rechnerisch gut 2500 Quadratmeter Fläche für Weizen, Obst, Gemüse und Fleisch, um satt zu werden. Im Kreis Unna kommen auf jeden Bewohner etwa 800 Quadratmeter. „Das bedeutet also, dass wir zukaufen müssen und eine negative Außenhandelsbilanz in der Agrarbranche haben“, sagt der Landwirt.

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Doch längst geht es in der Landwirtschaft um ganz rudimentäre Dinge. Hofnachfolgen könnten immer seltener geregelt werden, das Ansehen und die Attraktivität der Branche hätten deutlich gelitten. Dabei ist die Landwirtschaft nicht mehr mit der Arbeitsweise von vor 50 Jahren zu vergleichen. „Die Technik ist da, um mit deutlich weniger Chemie arbeiten zu müssen“, erklärt Plaas-Beisemann. Zu Demonstrationszwecken ist beim Erntedankfest daher auch ein vollautomatischer Feldroboter auf dem Hof ausgestellt. Allerdings gibt es auch Dinge, die außerhalb des Einflussbereichs technischer Hilfen und Modernisierungen liegen. „Wir können die Erträge beeinflussen. Aber bis zur Ernte dauert es immer ein Jahr“, so der Landwirt. Und die Ernte sei am Ende von vielen Kleinigkeiten abhängig, die man nicht beeinflussen könne.

Blattgold-Steaks und leere Kühlschränke

Ein letzter Baustein beim Erntedankfest darf aber auch in Frömern nicht fehlen: die evangelische Kirchengemeinde. „Erntedank ist eine Erinnerung daran, dass wir in größeren Zusammenhängen leben“, erklärt Pfarrer Gisbert Biermann. Und ein funktionierender Kreislauf bei der Lebensmittelversorgung ist wichtig für die Gesellschaft im Allgemeinen. Alle Rädchen müssten zusammengreifen. „Wir sind als Menschen davon abhängig“, so Biermann. Und in kaum einem anderen Lebensbereich wird der Unterschied zwischen Arm und Reich so deutlich wie beim Thema Lebensmittel. Während die einen mit Blattgold überzogene Steaks in sich hineinschaufeln, „wissen andere nicht, wie sie über den Tag kommen sollen. Das ist sozialer Sprengstoff“. Und genau deshalb haben sich die Organisatoren für das Fest am 1. und 2. Oktober das Motto „Lebensmittel wachsen nicht im Supermarkt“ ausgesucht.