Hagen-Altenhagen. Die Reihe unserer Stadtteilspaziergänge führt uns diesmal durch Eckesey-Süd, besser bekannt als Altenhagen. Die hier lebende Gesellschaft ist international, was der Gegend ein besonderes Flair verleiht, aber auch Probleme mit sich bringt.

Mit diesem Stadtbezirk hat es seine besondere Bewandtnis. Was im Katasteramt als Eckesey-Süd eingezeichnet und ausgeflaggt ist, nämlich der dicht besiedelte Bereich zwischen Alexander- und Boeler Straße (die Dahmsheide gehört auch noch dazu), kennen die Menschen nur als Altenhagen. „Ich wohne in Altenhagen, nicht in Eckesey“, stellt Werner Reinhardt (62), der uns auf unserem Spaziergang durch das Viertel begleitet, gleich zu Beginn unserer zweistündigen Runde klar.

Reinhardt muss es besser wissen als der Katasterauszug, er ist in Altenhagen geboren, lebt in der Alleestraße und betreibt eine Anwaltskanzlei. „Ich fühle mich hier wohl“, sagt er, wohlwissend, dass das einst stolze Bürgerviertel inzwischen einen ziemlich miesen Ruf besitzt.

Stabile Bevölkerungszahl in Altenhagen

Die Schattenseiten von Altenhagen will Reinhardt auch gar nicht klein reden. Da ist der Müll, der überall herumliegt und vermuten lässt, es sei für viele Einwohner eine Selbstverständlichkeit, Papier und Verpackungen auf dem Trottoir zu entsorgen. Da ist so manches ungepflegte, grau erstarrte Haus.

Und da sind die vielen leer stehenden Ladenlokale, die den Eindruck vermitteln, als gebe es in Altenhagen nichts zu verdienen und als würden immer mehr Leute die Flucht ergreifen.

Mehrere Discounter am Marktplatz

Genau das Gegenteil ist der Fall. Altenhagen ist einer der wenigen Stadtteile mit stabiler Bevölkerungszahl, und die Nahversorgung ist so gut wie sonst nirgendwo. „Für den Alltag ist alles vorhanden, ich möchte die Situation sogar überoptimal nennen“, so Reinhardt.

Am Marktplatz, aber auch am anderen Ende des Viertels, an der Alexanderstraße, existieren mehrere Discounter. Es gibt Drogerien, Bäcker und die Sparkasse, Arztpraxen und Ateliers, ein Jugend- und ein Seniorenzentrum, einen türkischen und einen russisch-polnischen Supermarkt. Den betreibt Swetlana Raschkowsky, zum Angebot gehören Kwass und Putenhälse. „Ich biete eben Spezialitäten aus aller Welt“, sagt die Geschäftsfrau.

Exotischer Einschlag für Altenhagen 

Die multinationale Bevölkerung verleiht Altenhagen einen exotischen Einschlag. Das Zusammenleben der Menschen aus aller Herren Länder bringt Probleme mit sich, wenngleich sich diese nicht in sozialen Spannungen entladen. Eine wichtige Aufgabe leistet das Jugendzentrum Friedenshaus: „Wir machen viele Projekte, haben zum Beispiel den Konflikt zwischen türkischen und kurdischen Jugendlichen entschärft“, berichtet Mitarbeiterin Mariam Shamsaldini (24), die aus dem Iran stammt und gerade zwei Ferienfreizeiten, die an die Nordsee bzw. in die Türkei führen, vorbereitet: „Wir halten auch Kontakt zu den Eltern der Jugendlichen im Viertel. Mittlerweile kommen alle gut miteinander aus.“

Friedhof ist die grüne Lunge

Unser Weg führt uns durch die Röntgenstraße, in der viele Eigentümer in die Fassaden ihrer Häuser investiert haben und wo Büsche und Bäume der Umgebung ein grünes Flair verleihen. Dann stehen wir vor dem Friedhof, der grünen Lunge Altenhagens, und treffen auf Herbert Tomczyk (77), der gerade das Grab seiner Mutter gegossen hat und dessen Aussagen uns in die schnöde Wirklichkeit zurückholen: „Neulich bin ich von Kindern mit Wasserbomben beworfen worden“, schimpft er. „Ehe sie wegliefen, haben sie noch die Hosen runtergelassen.“

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Die Friedhofsruhe wird des öfteren gestört, Kinder spielen Fußball zwischen den Gräbern, im letzten Jahr ist eine alte Frau von einem Jugendlichen niedergeschlagen und ihrer Handtasche beraubt worden.

Solche Ereignisse sind zwar die Ausnahme, werfen aber leider ein Schlaglicht auf das bunte Altenhagen. Werner Reinhardt hat trotzdem nie daran gedacht wegzuziehen, seine vier Kinder haben allesamt die Erwin-Hegemann-Grundschule besucht, in der inzwischen fast 80 Prozent der Schüler einen Migrationshintergrund besitzen. „Ich fühle mich hier verwurzelt und ärgere mich immer über Freunde, die skeptisch über Altenhagen reden“, berichtet Sohn Christian Reinhardt (24).

Keiner kennt den offiziellen Namen

Aber dass sie hier im Stadtbezirk Eckesey-Süd leben („Wie bitte?“), davon hat keiner unserer Gesprächspartner je gehört. Ebenso ergeht es den Menschen auf der Philippshöhe, deren Wald und Straßenzüge – kaum nachvollziehbar – ebenfalls zu diesem Bereich gezählt werden.

Dazwischen liegen die Gleisanlagen der Deutschen Bahn sowie die Industriegebiete an Sedan- und Plessenstraße – Eckesey-Süd ist womöglich der vielgestaltigste aller Bezirke, die diese Stadt zu bieten hat.