Westerbauer. . Sie kommen wie bestellt, dabei ist es reiner Zufall, dass wir gleich zu Beginn unseres Spaziergangs durch Westerbauer-Süd auf die Damen von der Frauenturngruppe des TV Jahn Westerbauer treffen.
An jedem ersten Mittwoch im Montag wandern sie. Heute geht’s auf zwei Wegen zur Glörtalsperre. Eine Gruppe unter Leitung von Margret Meyer nimmt die längere Runde, die andere mit Doris Scholz an der Spitze eine kürzere. Nachher treffen sie sich alle zum gemeinsamen Mittagessen.
Ein schönes Ritual und ein gutes Zeichen, dass das es in weiten Teilen noch ein gesundes Vereinsleben in Westerbauer gibt. Die kollektiv an alle gestellte Frage, wie es sich denn so lebt in Westerbauer, wird daher auch im Chor von den Frauen im Alter von 44 bis 83 Jahren beantwortet: „Gut!“ Und der Ruf der Gemeinschaft ist so gut, dass auch Frauen aus anderen Stadtteilen kommen. Oder die Treue halten: Wie Lieselotte Hartmann, die heute in Hagen wohnt, aber noch immer zu ihrem TV Jahn kommt.
Westerbauer-Südein Kunstbegriff
Westerbauer-Süd, dieses Wort ist natürlich ein Kunstbegriff der Fachleute im Hagener Rathaus, die das Stadtgebiet in statistische Bezirke aufgeteilt haben. Rein praktisch sind das Kipper, die Bundesstraße 7 und die Areale bis zur S-Bahnstrecke. Und vor allem ist es das „Revier“ von Werner Beermann.
Er begleitet uns auf dem Stadtteilspaziergang und führt uns zunächst zu einem seiner „Lieblingskinder“ – dem Bolzplatz zwischen der Kipperschule und dem Kindergarten. Beermann ist der ehrenamtliche Pate der Bolzplätze, jeden Tag schaut er vorbei und meldet bei der Stadt, wenn irgendetwas kaputt gegangen ist.
Die Brüder Dennis (15) und Daniel Koch (12) sowie Manuel Nikolla (10) und Kevin Okringly (14) wissen das zu schätzen. Sie kicken hier fast jeden Tag in den Ferien. Sie sind eine ganz andere Generation als die Damen vom TV Jahn. Doch auch an sie geht die Frage: Wie lebt es sich hier? Die Antwort fällt nicht anders aus. „Ich finde es hier schön“, sagt Dennis, und die anderen stimmen zu. In die Innenstadt zieht es sie nicht oft zu Freizeitaktivitäten.
Erstaunliche präzise Gedanken
Stattdessen machen sie sich erstaunliche präzise Gedanken über ihren Stadtteil. Ungefragt sagt Dennis: „Ich würde eine Indoor-Fußballhalle auf der Brandt-Brache bauen. Da würden genug Leute kommen. Was wollen wir da mit noch einem Einkaufszentrum?“
Westerbauer-Süd - Es gibt auch „Aufreger“
Es geht weiter mit Werner Beermann, der gerne in seinem Bezirk wohnt, aber sich auch ärgert, dass Kleinigkeiten den Wohnwert schmälern: „Auf der gesamten Kipper gibt es keinen Glascontainer her, die letzten haben sie jetzt entfernt. Bis runter an die B 7 in Haspe müssen wir fahren. Und was ist die Folge? Es landet jetzt viel mehr Glas in den Büschen.“ Schon vor sieben Jahre, bei der ersten Auflage unserer Serie, waren wir mit ihm unterwegs. Ist die damals kritisierte schlechte abendliche S-Bahn-Anbindung nach Hagen besser geworden? „Nein, eher noch schlechter“, sagt Beermann. Und es gibt noch immer keine Zustiegsmöglichkeit für Rollstuhlfahrer und Kinderwagen.
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Umso positiver stimmen Beermann die kleinen Zeichen. Etwa, dass es eine neue Betreiberin des Friseurladens gibt. Anja de Jesus Dias, die schon einen Friseurladen im alten Hasper Stadtbad hat, hat hier am 1. Juni eine Damen- und Herren-Filiale eröffnet. Ihr Namen klingt exotisch, aber das kommt nur durch die Heirat. „Sie ist es echtes Kipper Mädchen“, lacht Werner Beermann. Ihre Angestellte Martina Vormschlag freut sich: „Der Laden wird gut angenommen.“
Familienfeste auf „Schützenburg“
Jetzt wird es steil, es geht die Kipperstraße hoch zur „Schützenburg“, nach dem Aus für das Haus Quambusch die einzige verbliebene Gaststätte. Da sollte man eine Pause einlegen für einen Plausch mit Manfred Brandt (79). Der Bier-Brauer, der unter anderem in der Hasper Andreas Brauerei gearbeitet hat, ist gebürtiger Berliner, lebt aber schon seit 1953 in Hagen. Er schwärmt immer noch von Berlin, vom pulsierende Leben dort. Noch oft ist er dort, sagt auch nachdenklich: „Ich weiß gar nicht, ob ich da heute noch wohnen könnte.“ Die Kipper ist seine Heimat geworden.
Wir sind oben angekommen und treffen auf Karl-Friedrich Nieland (72). Sein ganzes Leben lang wohnt er schon hier oben, sein Bruder betreibt die „Schützenburg“. Die seit 1902 existierende Gaststätte lockt Gäste von weit her an – es sind weniger „Zufallsgäste“ wie Wanderer, vielmehr Besucher bei Familienfesten. Denn einen großen Saal und solch einen vielfältigen Blick – das gibt es sonst nicht oft in der Region. Man guckt bis nach Gevelsberg, auf den Baukloh, den Quambusch, auf viel Natur und viele Hochhäuser. Karl-Friedrich Nieland kennt den Blick von Kindesbeinen an. Doch seitdem hat sich sehr viel verändert.
Letzte Station ist der Bolzplatz unterhalb der Schützenburg. Noch so ein Herzensanliegen von Werner Beermann. Er wird nicht gut angenommen, weil es nur einen Schotterbelag gibt. „Dabei ist der Bedarf da“, sagt Beermann. Hier müsse ein Tartan-Belag hin. Da will er weiter Druck machen bei der Stadt – für seine Kipper.