Hagen/Wuppertal. Von Breckerfeld aus soll Gruppe Drogen-Kuriernetzwerk für die `Ndrangheta betrieben haben. Verhandlung in Hochsicherheitstrakt verlegt.

In dem Mafia-Verfahren rund um das Angelparadies Steinbachtal in Breckerfeld, das der kalabrischen `Ndrangheta als Drehkreuz für den internationalen Drogenhandel gedient haben soll, findet der Prozess gegen acht Angeklagte offensichtlich unter verschärften Sicherheitsbedingungen statt. Die Verhandlung wird zwar von dem zuständigen Landgericht Wuppertal geführt, die gerichtliche Auseinandersetzung findet jedoch unter besonderen Vorkehrungen im Prozessgebäude des Oberlandesgerichts (OLG) Düsseldorf statt.

Im Hochsicherheitstrakt am Kapellweg, unweit des Landeskriminalamtes NRW und des Medienhafens, mussten sich in der Vergangenheit wiederholt Terrorverdächtige aus dem Umfeld der Miliz „Islamischer Staat“ verantworten. Weil in dem für 35 Millionen Euro errichteten Gebäude vor allem Staatsschutz-Prozesse und Verfahren aus der organisierten Kriminalität verhandelt werden, war in Medien von einem „Terrorbunker“ oder einer „Festung der Justiz“ die Rede.

In dem modernen Prozessgebäude im Stadtteil Düsseldorf-Hamm musste sich zwischen April 2009 und März 2010 auch die sogenannte Sauerland-Gruppe verantworten. Drei Mitglieder der deutschen Zelle der Terrorgruppe Islamische Dschihad-Union waren im September 2007 in einem Ferienhaus in Medebach-Oberschledorn verhaftet worden. In dem schalldichten Verhandlungssaal des OLG Düsseldorf saßen die Angeklagten hinter dicken Glasscheiben, Prozessbeobachter im Übrigen auch.

Für das Angelparadies-Verfahren erließ das Landgericht Wuppertal die Maßnahmen (etwa auch Einlasskontrollen für alle Zuhörer einschließlich Verteidigern, Zeugen oder Dolmetschern) „aus Sicherheitsgründen“, wie es in einer Verfügung heißt.

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Vorwurf: 880 Kilogramm Kokain geschmuggelt

Die acht deutschen Angeklagten, darunter der Besitzer des Areals in Breckerfeld (Ennepe-Ruhr-Kreis), der als Kopf der Gruppierung gilt, müssen sich ab dem 3. Februar vor Gericht verantworten. Der Vorwurf: Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung und bandenmäßiges Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge oder Beihilfe dazu. Den fünf Männern und drei Frauen aus Hattingen, Dortmund, Wuppertal und Castrop-Rauxel legt die Staatsanwaltschaft Düsseldorf zur Last, „ein professionell agierendes internationales Betäubungsmittel-Netzwerk betrieben und Kokain für hochrangige Mitglieder der ’Ndrangheta sowie albanische Tätergruppierungen geschmuggelt zu haben“. Das teilte das Landgericht Wuppertal am Freitagnachmittag mit.

Die Auftraggeber sollen ihre Aufträge zum Kokaintransport dem Hauptangeklagten erteilt haben. Der Besitzer des Angelparadieses, der wie seine Mitangeklagten in U-Haft sitzt, soll im Rahmen der weiteren Organisation die einzelnen Fahrten geplant und dafür fünf der Angeklagten als Kuriere eingesetzt haben. Diese sollen das Kokain mit entsprechend präparierten Fahrzeugen in den Niederlanden oder Belgien abgeholt, es in eingebauten Drogenverstecken verstaut und später zu verschiedenen Zielorten in Italien transportiert haben. Insgesamt sollen so – in wechselnder Besetzung bei mehr als 50 Fahrten zwischen Februar 2018 und November 2022 – rund 880 Kilogramm Kokain vor allem nach Italien geschmuggelt worden sein. Das würde bei einem Preis von 80 Euro pro Gramm, den Ermittler als üblich bezeichnen (abhängig von der Qualität), einem Wert von rund 70 Millionen Euro entsprechen.

Für eine Fahrt sollen die Kuriere vom Hauptangeklagten 150 Euro oder mehr pro Kilogramm des transportierten Kokains erhalten haben. Hiervon sollen sie 500 Euro an einen als Beifahrer eingesetzten Begleiter ausgezahlt haben.

Der „Terror-Bunker“des OLG Düsseldorf: Im Hochsicherheitstrakt am Kapellweg mussten sich in der Vergangenheit wiederholt Terrorverdächtige aus dem Umfeld der Miliz „Islamischer Staat“ verantworten.
Der „Terror-Bunker“des OLG Düsseldorf: Im Hochsicherheitstrakt am Kapellweg mussten sich in der Vergangenheit wiederholt Terrorverdächtige aus dem Umfeld der Miliz „Islamischer Staat“ verantworten. © dpa | David Young

Drogen in Einstiegsleisten versteckt

Eine der mutmaßlichen Kurierinnen hatte im Sommer in einem anderen Verfahren – in dem sich vor dem Landgericht Dortmund drei Italiener verantworten müssen, die eine Eisdiele in Siegen als `Ndrangheta-Stützpunkt betrieben haben sollen – als Zeugin über die Kurierfahrten ausgesagt. Die damals 45-Jährige hatte erklärt, dass über den Besitzer des Angelparadieses die Kommunikation gelaufen sei.

Von ihm habe sie beispielsweise für eine der Touren nach Italien ein Handy und Passwörter für eine Chatsoftware bekommen, außerdem hätten alle Kurier-Fahrten nach der Rückkehr nach Deutschland an der Adresse des 64-Jährigen (und dessen Ehefrau) geendet. In Kontakt mit der Gruppierung sei sie über eine ehemalige Geschäftsführerin des Angelparadieses gekommen. Mit dieser und zwei weiteren Beschuldigten habe sie seit 2019 die Kurier-Fahrten in wechselnder Besetzung durchgeführt. Die Bezahlung habe sie von der Hauptfahrerin nach der Rückkehr nach Deutschland erhalten.

Die Drogen seien in den Autos – einem Audi Q5 und einem Q7 – in den Einstiegsleisten versteckt worden. Eine Fahrt im November 2022, die sie an der Seite einer früheren Geschäftsführerin des Angelparadieses durchgeführt habe, habe mit ihrer Verhaftung in Italien geendet, nachdem ihnen die Carabinieri durch Abhörmaßnahmen auf die Schliche gekommen sein sollen. Wegen des Transports von 38 Kilogramm Kokain sei sie in Italien zu einer zehnjährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden. Diese Haftstrafe verbüßt die Frau in Deutschland.

Urteilsverkündung für August geplant

Dem Betreiber des Angelparadieses, dessen Anwalt bisher nicht auf eine Gesprächsanfrage reagiert hat, wird zudem Handel mit Amphetamin vorgeworfen. Auch soll er laut Anklage gemeinsam mit zwei anderen Angeklagten eine illegale Cannabisplantage betrieben und das daraus gewonnene Marihuana verkauft haben. Er soll mit den ihm von der Staatsanwaltschaft vorgeworfenen Drogengeschäften Einnahmen in Höhe von insgesamt circa 2,2 Millionen Euro erzielt haben.

Das Angelparadies, ein abgelegenes Areal an der Grenze zwischen Sauerland und Bergischem Land, war im Zusammenhang mit europaweiten Ermittlungen gegen die Mafia im Mai 2023 stillgelegt worden. Die Staatsanwaltschaft veranlasste damals die Eintragung eines Beschlagnahmevermerks im Grundbuch. „Der Beschuldigte ist weiterhin Eigentümer des Grundstücks, er kann es aber nicht veräußern“, hatte Staatsanwalt Julius Sterzel dazu erklärt.

Für den Prozess vor der 10. großen Strafkammer des Landgerichts Wuppertal sind 23 Verhandlungstermine vorgesehen, das Urteil soll am 25. August verkündet werden.

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