Dortmund. Eine 45-Jährige aus NRW wurde beim Kokain-Schmuggel erwischt. Was sie als Zeugin im Mafia-Prozess um die Siegener Eisdiele aussagte.

Der Transport von 38 Kilogramm Kokain – und zwar „Nettogewicht“, wie die Dame aus Nordrhein-Westfalen bemerkt –, der habe ihr 500 Euro Bezahlung eingebracht. Und zehn Jahre Haft. Kein guter Deal für sie.

Nun sitzt die 45-Jährige an diesem Montag in Saal 130 des Landgerichts Dortmund, grauer Kapuzenpullover, schwarze Leggins, die blonden Haaren zum Zopf gebunden. Zu ihrer Zeugenaussage ist die verurteilte Kokain-Kurierin in Handschellen gebracht worden. 500 Euro pro Drogen-Transport für die Mafia im Auto von Deutschland nach Italien, das also soll die „Standardentlohnung“ gewesen sei. So formuliert es der Vorsitzende Richter Dirk Kienitz, so bestätigt es die Frau.

Eigentlich geht es in diesem Verfahren vor der Staatsschutzkammer um jene Eisdiele in Siegen, welche der kalabrischen Mafia-Organisation ´Ndrangheta als Stützpunkt gedient haben soll. Doch die drei angeklagten Italiener, welche in Siegen Einnahmen aus dem Drogenhandel für die Mafia gewaschen haben sollen, kennt die Dame offenbar nicht. Dafür belastet sie den Inhaber des Angelparadieses Steinbachtal in Breckerfeld, den die Staatsanwaltschaft Düsseldorf für den Kopf eines deutschen Drogenkurier-Netzwerks hält und gegen den in einem separaten Verfahren ermittelt wird.

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Nur „das letzte Glied der Kette“

Die 45-Jährige bezeichnet sich als „das letzte Glied der Kette“. Gesteuert worden sein soll die Kette, also der Kurier-Ring, von dem Inhaber des Angelparadieses. Über den Mann aus Hattingen sei die Kommunikation gelaufen, von ihm habe sie beispielsweise für eine der Touren nach Italien ein Handy und Passwörter für eine Chatsoftware bekommen, außerdem hätten alle Kurier-Fahrten nach der Rückkehr nach Deutschland an der Adresse des 63-Jährigen (und dessen Ehefrau) geendet. In Kontakt mit der Gruppierung sei sie über eine ehemalige Geschäftsführerin des Angelparadieses gekommen, welche wie der Hauptbeschuldigte in Untersuchungshaft sitzt. Mit dieser und zwei weiteren Beschuldigten (sitzen ebenfalls in U-Haft) habe sie seit 2019 die Kurier-Fahrten in wechselnder Besetzung durchgeführt. Die Bezahlung habe sie von der Hauptfahrerin nach der Rückkehr nach Deutschland erhalten.

Sie sei mal nach Belgien geschickt worden, um „Päckchen“ abzuholen. „Substanzen jedweder Art“ seien das gewesen, aber „der Inhalt wurde nie kommuniziert“. Überhaupt sei nur sehr wenig gesprochen worden, berichtete die 45-Jährige. Einmal sei sie auch nach Schweden gefahren, meistens aber zu wechselnden Zielen in Italien. Immer zu zweit, sie immer als Beifahrerin – und anfangs angeblich ohne Kenntnis, was sie da in den präparierten Fahrzeugen transportierten. „Das Angebot war, dass ich mir Geld hinzuverdienen könnte. Es hieß, es würde sich nur ums Autofahren handeln“, sagte die Frau.

„Das Angebot war, dass ich mir Geld hinzuverdienen könnte. Es hieß, es würde sich nur ums Autofahren handeln.“

Die verurteilte Drogenkurierin

Das genaue Ziel der Touren habe sie nicht gekannt, da die Beifahrer ein, zwei Kilometer davor hätten aussteigen müssen und erst später wieder aufgesammelt worden seien. Auf Nachfrage des Vorsitzenden Richters Dirk Kienitz erklärte sie aber, dass ihr „im Laufe der Zeit“ schon bewusst geworden sei, dass es sich bei der Ware „um etwas nicht unbedingt Erlaubtes“ gehandelt habe, also um Drogen. „Das“, sagte sie, „lag auf der Hand.“

Autopanne und Verhaftung

Die Drogen seien in den Autos – einem Audi Q5 und einem Q7 – in den Einstiegsleisten versteckt worden. Wie viele Drogentransporttouren sie durchgeführt habe, wisse sie nicht mehr. „Wir durften die Fahrten nicht festhalten“, es seien aber mehrere gewesen.

Bei einer Tour, im Dezember 2019, sei ihr Audi Q7 etwa 100 Kilometer vor dem Ziel in Kalabrien nach einem Tankstopp liegengeblieben. Die Fahrerin, mit der sie unterwegs gewesen sei, hätte daraufhin den Inhaber des Angelparadieses angerufen. „Nach geraumer Zeit“ seien sie dann von ihr unbekannten Personen abgeholt worden. Sie seien in einem Apartment untergebracht worden, abends zum Essen in eine Pizzeria gegangen, die ihr unbekannten Personen hätten bezahlt und auch die Organisation der Unterkunft und des Rückflugs übernommen. Wer diese Personen waren, das wisse sie nicht: „Es hat keine Vorstellung stattgefunden.“ Auch wisse sie nicht, wer genau wann und wo was organisiert hätte und ob mal über eine Verbindung nach Deutschland gesprochen worden sei. Sie spreche ja auch kein Italienisch.

Zum anderen berichtete sie ausführlicher von der Fahrt im November 2022, die sie an der Seite einer früheren Geschäftsführerin des Angelparadieses durchgeführt und die mit ihrer Verhaftung in Italien geendet habe, nachdem ihnen die Carabinieri durch Abhörmaßnahmen auf die Schliche gekommen sein sollen. Wegen des Transports von 38 Kilogramm Kokain sei sie in Italien zu einer zehnjährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden. Hinzu kommen – wie ihr Anwalt erklärte, der bei ihrer Aussage als Zeugenbeistand dabei war – „zehn weitere Einfuhrverfahren“. Der 45-Jährigen, die in dem Angelparadies-Fall eine der Beschuldigten ist und die ihre Haftstrafe in Deutschland verbüßt, drohen daher weitere Jahre hinter Gittern.

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