Hagen. Jetzt schon die Nase voll von Weihnachtsstimmung? Das kann Ken Mattice nicht passieren. Was ihn an unseren Traditionen so fasziniert.

Als Ken Mattice am hell-leuchtenden Süßwarenstand steht, fliegt sein Blick von einem Lebkuchenherz auf das nächste. Mit seinem amerikanischen Akzent murmelt er die Sprüche vor sich hin, die auf ihnen geschrieben sind. „Das da hätte ich gerne. Das hat die Farben von meinem Lieblingsteam, den Green Bay Packers“, sagt er, als er auf das grün-weiße Herz zeigt. Kein Wunder, er kommt aus Wisconsin, dort kommt die Football-Mannschaft her. Auf dem Gebäck steht in Zuckerschrift: „In meinem Herzen bist Du“. Es passt zu seinem Besuch auf dem Hagener Weihnachtsmarkt. Der US-Amerikaner liebt die deutsche Weihnachtskultur. Er hat uns erzählt, was ihn an unseren Bräuchen und Traditionen so fasziniert.

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Sein nächster Halt ist ein Glühweinstand. Hinter der Theke wartet Martina Wippermann. Als sie den Mann mit den nach hinten gegelten Haaren sieht, zaubert ihr das Strahlen ins Gesicht. „Ken!“, so nennen ihn alle hier als Kurzform für Kenneth, „Ich dachte, du bist noch in den Staaten!“ Die beiden kennen sich aus dem Hagener Theater. Sie sitzt oft im Publikum, er steht auf der Bühne. Der Bariton ist seit 2014 mit seiner Frau Emily in Deutschland, auch sie ist Opernsängerin in Nürnberg. Seit einem Jahrzehnt erlebt der Amerikaner also, wie in Deutschland Weihnachten gefeiert wird – nämlich ganz anders als in den USA.

Wenn die Weihnachtskerzen flackern, vergisst Ken Mattice den Alltagsstress

Beim Thema Vorweihnachtszeit muss Ken Mattice direkt an Adventskalender denken. Dabei darf es hierzulande auch mal kreativ werden. „Der ist aus meiner Erfahrung etwas wichtiger als in den Staaten – und ich mag das. Viele Familien basteln ihre eigenen kleinen Paketchen mit Geschenken und in den USA kaufen wir nur diese Schoko-Kalender für Kinder. Da erlebt man als Erwachsener gar nichts mehr“, erzählt Ken Mattice. Auch der Nikolaustag am 6. Dezember sei hier wichtiger. Eigentlich nur noch ein weiterer Punkt auf unserer endlos langen To-Do-Liste, die letzten Schoko-Nikoläuse im Supermarkt abzugreifen, oder? Für den 45-Jährigen ist es das Gegenteil. Ein toller Brauch, sich gegenseitig Geschenke in die Stiefel zu packen, wie er findet.

Ein Amerikaner auf dem Weihnachtsmarkt.
Ken Mattice (l.) und Martina Wippermann kennen sich aus dem Hagener Theater. Auf dem Weihnachtsmarkt schenkt sie ihrem guten Freund ein heißes Getränk ein. © FUNKE Foto Services | Ralf Rottmann

Hierzulande kommen wir meist schon einige Tage früher in Weihnachtsstimmung – oder versuchen es zumindest. Oft wird schon Ende November damit begonnen, die Wohnungen und Straßen mit Deko so richtig weihnachtlich zu gestalten. Für manche womöglich nur ein Wachmacher, dass bald der Weihnachtsstress schon wieder losgeht. Und ein bisschen kitschig auch, oder? Nicht für Ken Mattice. „Was ich hier besonders finde, sind Kerzen auf dem Weihnachtsbaum. Das machen wir jetzt auch immer und haben zur Sicherheit immer einen Eimer Wasser dabei“, sagt er. Für ihn sei es ein heiliger Moment, wenn das Licht ausgemacht wird und die Kerzen auf der Tanne flackern. „Man wird nachdenklich, es ist fast wie am Lagerfeuer. Man vergisst ein bisschen den Stress, denkt daran, was wichtig im Leben ist und hat für einen Moment Ruhe.“

US-Amerikaner ist großer Fan von deutschen Weihnachtsmärkten: „Ich mag die kleinen“

Ken Mattice hat sein nächstes Ziel auf dem Hagener Weihnachtsmarkt bereits fest im Blick. Denn einen Stand lässt er jedes Jahr auf keinen Fall aus. „Da vorne, da sind die Maronen“, sagt er mit einem Lächeln, das die Vorfreude kaum verbergen kann. „Die habe ich das erste Mal hier in Deutschland gegessen“, erzählt er, während er sich anstellt. „Am besten schmecken sie, wenn es draußen richtig kalt ist. Von innen sind sie schön warm und cremig.“ Als der Verkäufer die dampfenden Kastanien in eine kleine Papiertüte füllt, fragt Mattice neugierig: „Wo kommen die her?“ „Aus Italien“, antwortet der Mann hinter der Theke. „San Rocco di Bernezzo!“, liest Mattice laut von einem der Säcke. Er schnuppert mit geschlossenen Augen daran. So viel Enthusiasmus seinem Produkt gegenüber hat der Händler bestimmt in den letzten Wochen nur selten gesehen. Dann probiert der Amerikaner die Maronen genießerisch. Daumen nach oben.

Der US-Amerikaner Kenneth Mattice am Mittwoch, den 18. Dezember 2024 auf dem Hagener Weihnachtsmarkt.

„Hier hat jede kleine Stadt etwas Eigenes. Bei uns wirkt das eher nachgemacht.“

Ken Mattice
US-amerikanischer Bariton

Weihnachtsmärkte haben es dem Amerikaner angetan. „Sowas haben wir in den USA nur in großen Städten, aber es ist einfach nicht das Gleiche“, sagt er, während er den Platz überblickt. „Hier hat jede kleine Stadt etwas Eigenes. Bei uns wirkt das eher nachgemacht.“ Vor allem die großen, überfüllten Märkte sind nicht sein Ding. „Ich mag die kleinen Märkte an Burgen, die wirken näher am Herzen – vielleicht, weil ich selbst vom Land komme.“ Der Bariton wuchs in Wautoma, Wisconsin, einer 3000-Seelen-Gemeinde, auf. „Dort wäre es zu kalt, um draußen so etwas zu machen. Und diese Treffpunkte, diese Tradition fehlt uns. Obwohl es bei uns so viele Deutsche gibt, wie auch mich – mein Urgroßvater war aus Deutschland –, ist Weihnachten hier einfach schöner.“

Besinnliches Miteinander: Theater-Team und Basketballmannschaft sind wie Familie

Neben den Maronen gehöre der Reibekuchenstand zu seinen festen Anlaufpunkten. Kann er noch mehr typische Speisen aufzählen, die manch einer vor lauter Weihnachtsmarkt-Hopping nicht mehr sehen kann? Ja, kann er. Denn für ihn sind das Highlights im Jahr, die dem Amerikaner keiner nehmen kann. Käsekrakauer und gebrannte Mandeln dürfen nämlich nicht fehlen. „Bratwurst ist in Wisconsin auch sehr beliebt, aber sie ist eher wie Mettwurst. Hier schmeckt sie anders, besser“, erklärt er. Auf Facebook teilte er für seine Follower und die des Hagener Theaters sogar Videos, in denen er sein Publikum über den Hagener Weihnachtsmarkt führte. Mit glänzenden Augen blickt er auf das Riesenrad. „Der Anblick ist für mich ein Zeichen, dass es Weihnachtszeit ist. In den USA kenne ich das nur aus der Sommerzeit.“

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Ken Mattice spürt die deutsche Weihnachtskultur nicht nur auf den Märkten, sondern auch im zwischenmenschlichen Miteinander. „Ich bin erst seit ein, zwei Jahren in meiner Basketballmannschaft, aber sie behandeln mich, als wäre ich Teil der Familie“, erzählt er. Ein besonders bewegender Moment war für ihn ein 80. Geburtstag. „Ich war unter 30 Familienmitgliedern der einzige Fremde, und trotzdem fühlte ich mich wie einer von ihnen.“ Nicht nur bei den 6. Herren der BG Hagen, sondern auch bei seinem kulturell vielfältigen Team im Theater fühlt er sich geborgen.

Ein Amerikaner auf dem Weihnachtsmarkt.
Ken Mattice aus Wisconsin ist begeistert von den vielen Weihnachtsmärkten, die Deutschland zu bieten hat. © FUNKE Foto Services | Ralf Rottmann

Aufregende Reise durch die Welt: Die schönste Weihnachtsanekdote von Ken Mattice

Dennoch kenne Mattice auch den klassischen Weihnachtsstress. Ansonsten müsste man sich auch langsam die Frage stellen, ob er wirklich ein Mensch ist. „Vor einigen Jahren war ich noch damit beschäftigt, für alle das perfekte Geschenk zu finden.“ Ein Gefühl, das uns jedes Jahr ins Schwitzen bringt. Natürlich hat er eine Lösung für das Problem: „Jetzt ist mir die Zeit mit meinen Lieben wichtiger“, sagt er. Als Opernsänger ist die Vorweihnachtszeit für ihn und seine Frau Emily oft arbeitsintensiv. Sie tritt seit einigen Jahren im Süden Deutschlands auf, er in NRW. Weihnachten haben sie aber noch nie getrennt verbracht. Dieses Jahr werde noch ein bisschen schöner: Zum ersten Mal kommen seine Eltern und Schwiegereltern gleichzeitig nach Deutschland. „Wie in ‚Schöne Bescherung‘ mit Chevy Chase“, sagt er mit einer gewissen Ironie. Die klassischen Filme gehören zu seinem festen Weihnachtsprogramm – und wenn wir ehrlich sind, gucken wir sie doch auch jedes Jahr.

Das Feiertagsprogramm im Theater Hagen

Samstag, 21. Dezember (11 Uhr): Die Bremer Stadtmusikanten – von Maria Franz und Lisa Könnecke

Samstag, 21. Dezember (19.30 Uhr): Adventskonzert – Bach: Weihnachtsoratorium

Sonntag, 22. Dezember (15 Uhr): Carmen – Oper in vier Bildern von Georges Bizet

Mittwoch, 25. Dezember (15 Uhr): Die Bremer Stadtmusikanten – von Maria Franz und Lisa Könnecke

Donnerstag, 26. Dezember (15 Uhr): Carmen – Oper in vier Bildern von Georges Bizet

Samstag, 28. Dezember (15 Uhr): Pardauz – Ein TanzObjektTheaterSpaß ab 3 Jahren

Samstag, 28. Dezember (19.30 Uhr): Interactions – Dreiteiliger Tanzabend

Montag, 30. Dezember (15 Uhr): Die Eiskönigin – Eine TanzTheaterReise für alle ab 5 Jahren

Dienstag, 31. Dezember (15 Uhr): Ritter Blaubart (Barbe-Bleue) – Operette in drei Akten von Jacques Offenbach

Dienstag, 31. Dezember (19.30 Uhr): Ritter Blaubart (Barbe-Bleue) – Operette in drei Akten von Jacques Offenbach

Seine schönste eigene Weihnachtsgeschichte habe sich jedoch in Paris abgespielt. Kurz vor den Feiertagen, erinnert er sich, sind er und seine Frau per Anhalter in die französische Hauptstadt gereist. „Wir hatten maximal 50 Euro pro Tag“, sagt er. Am Heiligabend sind sie dann mit dem billigsten Flug nach Houston zu Emilys Familie geflogen. Zwischen Weihnachten und Silvester hat sich das Paar im Atelier ihrer Mutter das Ja-Wort gegeben. „Es war das letzte Mal, dass wir alle zusammen waren.“ Eine Erinnerung, die an diesem Weihnachten besonders hochkommen werde.

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Zurück in Deutschland genießt er die ruhigeren Momente der Weihnachtszeit – wenn die Kerzen an seinem Weihnachtsbaum flackern. Sein Lieblingslied im besinnlichen Miteinander ist dabei ganz klassisch ‚Stille Nacht‘. Ist das nicht manchmal zu viel Pathos? Nein, der Mann ist schließlich Opernsänger. „Es ist einfach und harmonisch. Wenn alle mitsingen, bekomme ich Gänsehaut.“ Er nimmt einen letzten Schluck vom Apfelpunsch und denkt dabei an die nächste Woche. Etwas stressig wird es auf der Arbeit schon. Viele Auftritte hat er im Hagener Theater rund um die Feiertage, zum ersten Mal singt er Bachs „Weihnachtsoratorium“. Im Hinterkopf hat er als Belohnung aber schon das Weihnachtsessen. Dieses Jahr gibt es Truthahn mit Cottage Pie und Cranberries. Denn bei all seiner Liebe zur deutschen Weihnachtskultur – ein bisschen amerikanisch darf es dann doch sein.