Hagen. Der Wildpark Bilsteintal in Warstein kann sich den Schutz vor der Schweinepest nicht leisten. Sind Tiere anderer Parks auch in Gefahr?

Bernd Belecke klingt betroffen. Seit 60 Jahren habe es Wildschweine bei ihnen im Wildpark Bilsteintal in Warstein gegeben. „Es ist uns ein Anliegen, die Tiere des heimischen Waldes zu präsentieren. Wildschweine gehören einfach dazu“, sagt der Vorsitzende des Bilsteintalvereins und holt nochmal Luft: „Das ist ein heftiger Einschnitt, dass das nicht mehr geht.“ Die zwölf ausgewachsenen Wildschweine und ihre Frischlinge, die zuletzt noch im Park in einem Gehege im Sauerland lebten, wurden getötet. Grund ist: die Sorge vor der Afrikanischen Schweinepest (ASP), die für den Menschen ungefährlich, aber für Schweine meist tödlich ist.

Die ASP befindet sich auf dem Vormarsch und hat in diesem Sommer schon Hessen erreicht. Dass das aber nun etwas mit dem Wildpark Bilstein zu tun haben könnte, hatte Bernd Belecke nicht vermutet - bis sich das Kreisveterinäramt meldete und auf EU-Verordnungen verwies.

Gehege bei Sturm beschädigt

Die Tiere standen in Warstein stets in einem eigenen Gehege in einem öffentlich zugänglichen Waldstück. Das heißt: keine Öffnungszeiten, kein Eintrittsgeld, keine Restriktionen. In dem Gehege befand sich seit einigen Jahren schon ein zweiter Strom führender Zaun. Der musste einst wegen der Klassischen Schweinepest (KSP) installiert werden, damit die eingesperrten Wildschweine aus Infektionsschutzgründen keinen Kontakt zu wild lebenden Wildschweinen haben können. Problem: Während eines Sturms im Sommer stürzte ein Baum auf die Anlage und beschädigte die Zäune. Zumindest die innere der beiden Absperrungen erfüllte ihre Funktion nicht mehr ausreichend. Nach Vorsichtsmaßnahmen verlangte der Kreis Soest.

Das Gehege hätte mit einem etwa 500 Meter langen, doppelten Maschendrahtzaun gesichert werden müssen: mindestens 1,50 Meter hoch statt bisher nur 1,20 Meter. Zwischen beiden Zäumen müssten 2 Meter liegen, nicht wie bisher 1,50 Meter. Und ein Unterwühlschutz wäre Pflicht. Darüber hinaus hätten „eine Aufsicht sowie klar geregelte Öffnungszeiten“ etabliert werden müssen, um einen „kontrollierten Zugang zum Gehege“ sicherzustellen und eine indirekte Übertragung des Virus über den Menschen an die Wildschweine „effektiv zu verhindern“, wie Dr. Martina Poppe, Leiterin des Veterinäramtes im Kreis Soest, schildert. Das Virus kann zum Beispiel in einem weggeworfenen Essensrest ein halbes Jahr lang überleben und Tiere infizieren.

Ausbruch der Schweinepest: strenge Restriktionen, hoher Schaden

Bernd Belecke und seine Mitstreiter im Bilsteintalverein waren vom Vortrag des Kreises eingeschüchtert. Einen Schaden von 15 Millionen Euro könne ein Ausbruch bedeuten, weil rund um den Ausbruchsort Sperrzonen eingerichtet würden, die Schweinehalter zu sehr strengen Handelsrestriktionen zwängen. Folge: finanzielle Einbußen bis hin zum wirtschaftlichen Exitus. „Als Vorstand des Vereins haften wir bei Regressforderungen“, sagt Belecke.

Anneli Noack Wildwald Voßwinkel

„Der direkte Kontakt zwischen Wild und Mensch soll unbedingt vermieden werden.“

Anneli Noack

Er und seine Mitstreiter hatten drei Möglichkeiten: die Vorgaben umzusetzen, die Tiere abzugeben – oder die Tiere töten zu lassen. Frist zur Entscheidung: zwei Wochen. „Wir hatten de facto keine Wahl“, sagt Belecke. Für den Bau des Zauns habe der gemeinnützige Verein nicht ausreichend Rücklagen. Zudem widerspreche der eingeschränkte Zugang für die Menschen der Idee des Parks. „Wir haben auch andere Parks gefragt, aber wer nimmt die Tiere in der jetzigen Situation schon auf? Die haben doch das gleiche Problem“, sagt er. Haben sie?

Gehege in Hagen intakt

In Hagen-Wehringhausen gibt es ein ebenfalls für jedermann immer zugängliches Gehege im Wald, etwa fünf Hektar groß, in dem Wildschweine leben. Unterschied zu Warstein: Die beiden Zaunanlagen sind intakt. Die Tiere dürfen nicht gefüttert werden. Öffnungszeiten und Zugangskontrollen gibt es jedoch nicht. „Das Veterinäramt hat keine Hinweise gegeben, dass hier etwas zu tun wäre“, sagt Gerald Fleischmann, Fachbereichsleiter Grün beim Wirtschaftsbetrieb Hagen, der für das Gehege zuständig ist.

Der Veterinär des Märkischen Kreises sei gerade erst da gewesen, sagt Karl-Friedrich Trimpop, Betreiber des Familienbetriebs Wildpark Mesekendahl in Schalksmühle. Vier Wildschweine leben dort - und die seien nicht in Gefahr. „Nach der Begehung heute gab es keine Vorgaben“, sagt Trimpop. Einen zweiten Zaun gebe es bereits sowie geregelte Öffnungszeiten. Das reicht offenbar, um die Behörden zufrieden zu stellen.

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Auch im Wildwald Vosswinkel in Arnsberg (Hochsauerlandkreis) leben Wildschweine - in einem riesigen, eingezäunten Bereich wie in freier Wildbahn. Theoretisch könnten sie sogar mit Besuchern direkt in Kontakt geraten. „Auch unabhängig von ASP gilt im Wildwald ein absolutes Fütterungsverbot für alle Wildarten. Es besteht ebenso ein striktes Wegegebot für Besucher“, teilt Betriebsleiterin Anneli Noack auf Nachfrage mit. „Der direkte Kontakt zwischen Wild und Mensch soll unbedingt vermieden werden. Die Einhaltung der Regeln werde „durch Mitarbeiter und sogar durch einen externen Security-Mitarbeiter kontrolliert“. Zudem sei der Wildwald „nicht durchgehend offen und immer zugänglich, sondern hat seine Öffnungs- und Zugangszeiten“.

Die gibt es auch im Panorama Park in Kirchhundem (Kreis Olpe), trotzdem waren unlängst weitere Maßnahmen im Wildschweingehege notwendig, die das Veterinäramt einforderte: Die Treppen zur Besucherbrücke wurden entfernt, sodass das Podest nicht mehr genutzt und eine größere Distanz zu den Tieren geschaffen wird. Zu diesem Zwecke brauchte es einen zweiten Zaun: Für den Übergang sei ein Bauzaun installiert worden, sagt Geschäftsführer Eric Christopher Straube. Der Park hat gerade seine Pforten für dieses Jahr geschlossen. Wie es im kommenden Jahr weitergeht, werde nun geprüft. „Wir versuchen die Tiere so lange wie möglich zu halten. Wenn es aber eine Verschlimmerung der Lage gibt, dann haben wir einen Plan B für die Nachnutzung des Geheges“, sagt Straube.

Neue EU-Gesetzgebung

Aber so drastisch wie in Warstein sind die Folgen nirgendwo. Warum? War der Kreis Soest überstreng? „Mit dem neuen EU-Recht wird der Unternehmer wesentlich mehr in die Verantwortung genommen als das im deutschen Fachrecht der Fall war“, rechtfertigt sich Dr. Martina Poppe, Leiterin des Veterinäramtes im Kreis Soest. Das Wildschweingehege im Bilsteintal sei auch „nicht als erste Maßnahme nach Inkrafttreten der neuen EU-Gesetzgebung angepackt“ worden, sagt sie. Eher habe das Zusammentreffen mehrerer Umstände „keinen Aufschub mehr“ möglich gemacht: marode, teils defekte Zaunanlage, vermehrter Besuch des Geheges durch Fernreisende, die Ausbreitung der Seuche in Hessen als Nachbarbundesland.

Das Wildgehege Bilsteintal in Warstein werde derzeit von vielen Familien gar nicht erst besucht, sagt Bernd Belecke. „Viele wollen sich den Anblick des leeren Geheges ersparen“, sagt der Vorsitzende des Bilsteintalvereins. „Zweimal im Jahr hatten wir hier eine Bache mit Frischlingen ... das sind Bilder, die sich bei vielen eingeprägt haben.“ Vorbei. „Es geht jetzt um die Frage, wie die Fläche in Zukunft genutzt wird, damit die Lücke gefüllt ist. Wir wollen möglichst bald eine heimische Tierart dort ansiedeln.“ Ohne weitere Zäune, ohne Öffnungszeiten.