Arnsberg. Anneli Noack, Betriebsleiterin des Wildwald Voßwinkel, stellt bei der TikTok-Generation eine gestiegene Erwartungshaltung fest.

Der Wildwald Voßwinkel in Arnsberg ist ein fester Bestandteil in der Freizeitgestaltung der Menschen in Südwestfalen. Seit Jahrzehnten bietet er die Möglichkeit, heimische Tierarten aus der Nähe zu sehen – wie in freier Wildbahn. Ein Naturerlebnis, dessen Existenz jedoch keine Selbstverständlichkeit ist. Eine Möglichkeit zur Entschleunigung, die vielen Menschen aber nicht mehr leicht fällt, wie Anneli Noack (54) in den vergangenen Jahren beobachtet. Sie ist Forst-Ingenieurin und seit bald 20 Jahren Betriebsleiterin im Wildpark im Hochsauerland.

Der Wildwald ist eine fest Größe in Südwestfalen. Wie schwierig ist es, am Markt zu bestehen?

Es ist schon manchmal schwierig für uns und auch über die Jahre schwieriger geworden. Man darf bloß nicht stehenbleiben. Es ist tatsächlich ein Balanceakt, uns treu zu bleiben und gleichzeitig den gestiegenen Ansprüchen der Menschen, die immer schneller leben, gerecht zu werden.

Was meinen Sie genau?

Erwartungshaltung ist manchmal ein Problem. Es gibt Kinder und Jugendliche, die von TikTok und Instagram gewohnt sind, dass ein Highlight auf das nächste folgt. Und wenn nicht, schauen sie eben nicht hin. Aber die Natur funktioniert so nicht, sie nimmt sich ihre Zeit. Die Aufmerksamkeitsspanne ist doch bei vielen deutlich geringer geworden.

„Manchmal werde ich aber gefragt, wann denn der Gepäckservice kommt, ob es in den Häusern einen Whirlpool gebe oder ob in den Kühlschränken kalte Getränke vorgehalten werden. Ich staune dann.“

Anneli Noack
Betriebsleiterin Wildwald Voßwinkel

Ein Beispiel?

Früher haben Kinder ganz begeistert und fasziniert eine halbe Stunde lang hingeschaut, wenn eine Bache mit Frischlingen direkt in ihrer Nähe war. Heute fragen manche bereits nach fünf Minuten: ,Wann gehen wir weiter?‘ Übertrieben gesagt: Am liebsten hätten diese Kinder, wenn schon am Parkplatz ein tanzender Elefant stünde. Und gleich danach das sprechende Krokodil!

Tiere sehen wie in freier Wildbahn: Dafür steht der Wildwald Voßwinkel.
Tiere sehen wie in freier Wildbahn: Dafür steht der Wildwald Voßwinkel. © FUNKE Foto Services | Ralf Rottmann

Das Handy als der natürliche Feind der Natur?

Ich empfinde das manchmal so. Nicht nur bei den Kindern. Auch die Erwachsenen gehen oftmals durch den Wald, haben ein Auge bei ihrem Kind und eines auf dem Smartphone. Das ist so schade, denn es gibt doch so viel zu sehen und zu entdecken in der Natur. Man muss sich nur die Zeit dafür nehmen. Natürlich müssen wir innovativ sein, das versuchen wir auch. Aber zum Beispiel eine Erlebnis-App, mit der Kinder durch die Natur gelotst werden, wird es mit mir nicht geben. Dann wird nur noch auf das Handy geschaut – und man verpasst links oder rechts den Wildschweinkeiler oder den imposanten Hirschkäfer. Das wäre doch falsch.

Wie entwickeln Sie den Park stattdessen weiter?

Zum Beispiel über die Übernachtungsmöglichkeiten im Wald, die wir sukzessive ausgebaut haben. Alles fing vor einigen Jahren mit einer spartanischen Schlafkanzel an. Mittlerweile haben wir zwölf ganz besondere Übernachtungsstätten: rustikale Holzhütten, umgebaute Bauwagen und für die ganz mutigen Naturfreunde Schwebezelte. Es kann durchaus sein, dass dort abends ein Fuchs oder ein Waschbär vorbeikommt. Familien und Pärchen lieben solche Erlebnisse, und die Zahl unserer Stammkunden zeigt, dass wir das doch recht gut und irgendwie richtig machen. Aber auch bei manchen Erwachsenen ist die Erwartungshaltung in den vergangenen Jahren gestiegen.

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Inwiefern?

Nun ja, wir versuchen hier immer den Mittelweg zwischen Nutzen und Schutz der Natur zu gehen. Unsere Übernachtungsmöglichkeiten sind keine Luxusappartements, sondern Schlafplätze mehr oder weniger inmitten der Natur mit entsprechenden Begleitumständen: ohne fließendes Wasser, ohne Strom, erreichbar nur mit einer kleinen Wanderung. Manchmal werde ich aber gefragt, wann denn der Gepäckservice kommt, ob es in den Häusern einen Whirlpool gebe oder ob in den Kühlschränken kalte Getränke vorgehalten werden. Ich staune dann (lacht).

Sie lachen jetzt, aber verzweifeln Sie nicht auch?

Nein, das will ich nicht sagen. Zumindest nicht bei diesen Themen. Wir beschreiben unsere Häuser ja nicht ohne Grund sehr detailliert. Etwas anderes bewegt mich mehr, nämlich dass viele Menschen auch von der Natur mehr fordern als sie zu leisten imstande ist. Während der Hirschbrunft im Herbst zum Beispiel müssen wir mittlerweile Security Personal einstellen, das bestimmt einschreitet und sogar Gäste nach Hause schickt, wenn sie den Tieren trotz Verbots zu nahe rücken.

Macht Ihnen die Arbeit unter den veränderten Bedingungen Spaß?

Und wie! Wir sind ein kleines Team, bei uns kann und muss sich jeder um fast alles kümmern können. Umso schöner ist es zu sehen, wenn Kinder und Erwachsene den Aufenthalt bei uns genießen und begeistert sind von den Tieren, die sie hier wie in freier Wildbahn sehen können. Das ist, wofür wir all das machen.