Hachenburg. Die „Fassfabrik“ in Hachenburg soll Treffpunkt Rechtsextremer sein. Die Verbandsgemeinde im Westerwald will kein „Nazi-Ort sein“.

Der Tourismusverband in der beschaulichen Residenzstadt Hachenburg hat seinen 6000-Einwohner-Ort „zur Perle des Westerwalds“ erklärt. Auf der Internetseite werden die Nutzer aufgefordert, in einem Imagefilm „den nettesten Ort der Welt“ zu finden. Natürlich Hachenburg, unweit der Grenze von Rheinland-Pfalz zu NRW.

„Die Menschen hier sind in ihrem Selbstverständnis weltoffen und tolerant“, schwärmt Lissi Pfeiffer, eine von ihnen: „Unser Ort ist in dieser Hinsicht ein Traumstädtchen.“ Spätestens seit dem Wochenende erlebt die Verbandsgemeinde jedoch einen Albtraum: Sie hat bundesweit Aufmerksamkeit erregt, nachdem in der Nacht zu Sonntag bei einer fünfstündigen Razzia in der sogenannten „Fassfabrik“ eine nach Polizeiangaben „Kampfsportveranstaltung von Angehörigen des rechten Spektrums“ mit 130 – auch minderjährigen - Teilnehmern aus dem gesamten Bundesgebiet und den Niederlanden aufgelöst wurde. Die mehr als 200 Einsatzkräfte hätten dabei zahlreiche Gegenstände sichergestellt, „die zweifelsfrei auf eine rechtsextreme Gesinnung hindeuten“, hieß es.

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Es soll nicht das erste Treffen von Rechtsextremen in der „Fassfabrik“ gewesen sein, wie Lissi Pfeiffer sagt. Sie hat zusammen mit anderen engagierten Bürgern den Westerwälder Verein „Demos – Verein für Demokratie, Menschlichkeit, Offenheit & Solidarität“ gegründet und recherchiert unermüdlich zu den nicht-öffentlichen Veranstaltungen in der Fassfabrik – in Hachenburg auch als „Hassfabrik“ bekannt: „Die Menschen hier sind überaus verärgert über die rechtsextremen Aktivitäten in ihrer Stadt“, sagt sie. Mehr noch: Sie wollen mit aller Macht verhindern, dass Hachenburg in der öffentlichen Wahrnehmung zu einem „Nazi-Ort“ wird.

Bürger gehen auf die Straße

Bereits im vergangenen Februar hatten 4000 Menschen an einer Demonstration für Demokratie und gegen Rechtsextremismus teilgenommen. „Auch bei schlechtestem Wetter geht der überwiegende Teil der Bevölkerung bei Demos gegen Hass und Extremismus auf die Straße“, sagt Lissi Pfeiffer. Ein weiteres Zeichen des Engagements der Zivilgesellschaft: Der vom Verein Demos initiierte „Runde Tisch Hachenburg“ lädt kurzfristig für den kommenden Freitag zu einer Infoveranstaltung in das Gebäude der Verbandsgemeinde ein. Thema: der weitere Umgang mit der „Fassfabrik“

Großrazzia bei Kampfsportevent
In der Nacht zu Sonntag wurde eine Kampfsportveranstaltung in Hachenburg von der Polizei aufgelöst. © DPA Images | ---

Seit ihrer Eröffnung am 3. Oktober 2019, so Lissi Pfeiffer weiter, sei die „Fassfabrik“ ein „Zentrum der extremen Rechten“: „Ihre Entstehung ist eng mit der AfD Westerwald verbunden.“ Gisbert Kalb vom AfD-Kreisverband Westerwaldkreis bestätigt gegenüber der WESTFALENPOST, dass man anfangs „Untermieter“ gewesen sei: Ein damaliges AfD-Mitglied, das die „Fassfabrik“ angemietet habe, habe seinerzeit der Partei einen Raum „für Treffen“ zur Verfügung gestellt. Man sei längst „raus“, und der damalige Unterstützer nicht mehr in der AfD. Kalb stellt klar: Mit Aktivitäten wie die Kampfsportveranstaltung am Wochenende wolle der AfD-Kreisverband nichts zu tun haben.

Nur eine Zufahrt zum Veranstaltungsort

Nach Angaben von Lissi Pfeiffer vom Verein „Demos“ nimmt der Name „Fassfabrik“ Bezug auf die historische Nutzung des Gebäudes. Einst wurden in der Fabrik Fässer hergestellt: „In der Endphase des Dritten Reiches waren hier Frauen und Männer aus Osteuropa zur Zwangsarbeit eingeteilt.“ Heute befinde sich der Gebäudekomplex „am äußersten Rand der Bebauung Hachenburgs, umgeben von Industrie- und Gewerbeobjekten und Wiesen“.

Es gebe nur eine Zufahrt: „Wenn man so will, ist die Lage im ländlich geprägten Westerwald für die extreme Rechte strategisch günstig: Man kann sich in einem vermeintlich ruhigen und unauffälligen Rückzugsraum im Drei-Länder-Eck Rheinland-Pfalz, Hessen und NRW heimlich treffen, ungestört Netzwerke knüpfen und sich gemeinsam radikalisieren“, sagt Lissi Pfeiffer.

Trotz intensiver Recherchen haben die engagierten Bürger um Lissi Pfeiffer bis heute nicht herausgefunden, wer eigentlich der Eigentümer des Grundstücks ist. Bei der Frage eines möglichen Mieters fällt bei Gesprächen immer mal wieder der Name eines Geschäftsmannes. Dieser war am Dienstagnachmittag für die WESTFALENPOST telefonisch nicht zu erreichen.

Polizei: Kleinstpartei „Der III. Weg“ als Veranstalter

„Erkenntnissen“ des Polizeipräsidiums Koblenz zufolge war ein regionaler Ableger der vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuften Kleinstpartei „Der III. Weg“ Veranstalter des Kampfsportevents am vergangenen Wochenende. Dieser war am Dienstagnachmittag für die WESTFALENPOST telefonisch nicht zu erreichen.

Laut dem rheinland-pfälzischen Verfassungsschutz 2023 ist der Veranstaltungsort „Fassfabrik“ ein „rechter Knotenpunkt im Westerwald“. Der Stützpunkt Westerwald/Taunus des „III. Weges“ lade dort regelmäßig zu „Selbstverteidigungstrainings“ für Jugendliche und junge Erwachsene ein. Darüber hinaus auch zu „Kneipen- oder Liederabenden“ oder Vorträgen „für die Vernetzung mit anderen rechtsextremistischen Akteuren“.

Für die Professionalisierung des Selbstverteidigungstrainings, so heißt es in dem Bericht weiter, sei in der „Fassfabrik“ ein „großer Raum mit Matten ausgelegt und mit einem Boxring ausgestattet“ worden. Solche „Erlebniswelten“ dienten der Nachwuchs-Rekrutierung.

Auch im vom Bundesinnenministerium herausgegebenen Verfassungsschutzbericht 2023 wird explizit „Kampfsporttraining“ als Mittel zur Nachwuchsgewinnung für die Partei „Der III. Weg“ erwähnt: Jugendliche sollten durch „zielgruppenorientierte Aktionen und Veranstaltungen an die Partei und deren Ideologie“ herangeführt werden. Zudem: „Die Kleinstpartei weist eine ideologische Nähe zum Nationalsozialismus auf.“

Stefan Leukel, Stadtbürgermeister der Verbandsgemeinde Hachenburg im Westerwald

„Dieser Schandfleck muss ein für alle Mal aus Hachenburg verschwinden.“

Stefan Leukel

Recherchen des Westerwälder Vereins „Demos“ zufolge führt der Stützpunkt Westerwald/Taunus des „III. Weges“ enge Beziehungen zum Stützpunkt „Sauerland/Siegerland“ der rechtsextremen Splitterpartei in Hilchenbach. Zwischen dem sogenannten „Bürgerbüro Hilchenbach“ der Partei und der „Fassfabrik“, so Lissi Pfeiffer, „gibt es vermutlich einen organisatorischen und strukturellen Zusammenhang“.

Bürgermeister entsetzt

„Fassfabrik“ - dieser Begriff ist auch für Hachenburgs Stadtbürgermeister Stefan Leukel längst zu einem roten Tuch geworden. „Sie dient als Treffpunkt und Rückzugsort für rechtsextremistische Gruppen. Dieser Schandfleck muss ein für alle Mal aus Hachenburg verschwinden“, sagte er nach dem Großeinsatz der Polizei am Wochenende. Am Telefon beschreibt er stellvertretend für viele Hachenburger die große Wut in der Bevölkerung: „Es entsetzt mich, dass bei der Veranstaltung sogar Minderjährige anwesend waren. Wir dürfen nicht zulassen, dass sie in diese menschenverachtende Ideologie hineingezogen werden.“

Und Leukel macht sich Sorgen um das Image seiner „wunderschönen“ Stadt mit dem historischen Kern: „Ich weiß, dass wir keine direkten Durchgriffsmöglichkeiten auf das Grundstück und das Gebäude in Privatbesitz haben“, sagt er. Und fügt entschlossen mit Blick auf die Fassfabrik hinzu: „Wir werden alles daran setzen, dass solche rechtsextremen Strukturen in unserer Stadt keinen Raum mehr finden.“

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