Winterberg. Die Fast-Food-Legende feiert 75. Geburtstag. Zu Gast im Imbisswagen an der Bundesstraße 480 nach Winterberg. Bratort Straßenrand.
In Sekundenschnelle hat das elektrische Schneidegerät die Rostbratwurst in mundgerechte Stücke zerteilt. Kaum ist die weiße Pappschale gefüllt, läuft auch schon tomatenrote Currysauce von einer Kelle über die wohlduftende Speise. „Die Wurst muss komplett bedeckt sein“, erklärt Hans Kelm, „dann sieht man die angebrannten Stellen nicht.“ Sagt’s und prustet los vor Lachen.
Hans Kelm ist der Inhaber des Imbisswagens „Hans Wurst“ an der Bundesstraße 480 in Richtung Winterberg. Wenn man so will, ein Original. Nicht nur wegen seiner munteren Gespräche mit Kunden, sondern auch aus Gründen des Zeitgeistes. „Die Dinger sterben aus. Dönerbuden haben Imbisswagen längst den Rang abgelaufen.“
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Traumjob
Es wäre schade um die Currywurst - die in diesen Tagen ein umjubeltes Jubiläum feiert: Vor 75 Jahren, genau: am 4. September 1949, soll Herta Heuwer die „weltweit bekannte Currywurst“ erfunden haben. So steht es jedenfalls an einer Gedenk-Tafel an der Stelle, an der einst der Imbiss-Stand der vor 25 Jahren verstorbenen Berlinerin beheimatet war.
Verkaufsschlager Currywurst
Ein Stück der langen Erfolgsgeschichte der Currywurst hat auch Hans Kelm mitgeschrieben, den man beim Ortstermin an seinem Verkaufswagen im Winterberger Stadtteil Niedersfeld erst einmal fragen muss, ob er tatsächlich „Hans Wurst“ heißt. So jedenfalls meldet er sich am Telefon.
Die Currywurst ist der absolute Verkaufsschlager an Kelms Imbiss an der Ruhrstraße, den der heute 62-jährige Sauerländer vor knapp sieben Jahren eröffnete. Genauer: am 11.11. um 11 Uhr 11, zunächst in Sichtweite auf der anderen Straßenseite, bis der Standplatz recht bald für eine Obst- und Gemüsescheune weichen musste.
Imbisswagen neben Metzgerei
Jetzt steht der Grillwagen praktischerweise neben der Metzgerei Buschmann, die den Imbiss seit dem ersten Tag mit hausgemachten Rostbratwürsten beliefert. „Das Geheimnis einer guten Currywurst ist definitiv die Wurst aus einer Handwerksmetzgerei“, sagt der Mann mit der Holzgrillzange in der Hand an seinem 2 mal 4 Meter großen Arbeitsplatz.
Seine Abneigung gegen „Industrieware“ zeigt sich auch bei seiner Currysauce. „Bei mir gibt es keine Eimersaucen“, sagt er, „meine ist selbstgemacht. Es hat eine Weile gedauert, bis ich die richtige Mischung zusammen hatte.“ Und die Rezeptur? „Hiervon, davon, umrühren und fertig.“ Aha, Betriebsgeheimnis. „Es ist Tomate drin“, sagt Kelm und schmunzelt über seinen sachdienlichen Hinweis. Das Currypulver obendrauf darf natürlich nicht fehlen.
Auftritt bei Facebook
Eine Imbissbude ist ein Evergreen, der trotzdem mit der Zeit gehen muss. Also ist Hans Kelms „Hans Wurst“ mit freundlicher Unterstützung seiner Kinder bei Facebook vertreten („ich selbst habe mit dem Internet nichts am Hut“), und auch ein vegetarisches Angebot findet sich neben Brat- und Currywurst, „Hans Wurst Spezial“ (pikante Sauce und Röstzwiebeln), Hamburger, Cheeseburger und Pommes Frites unter den Speisen. Bei eben jenem „Pommes-Burger“ treten ein paar Pommes an die Stelle des Hackfleisches. Sonst wie gehabt. Vegane Wurst übrigens kommt bei Hans Kelm nicht in die Pappschale: „Dies ist eine Wurstbude“, betont der Chef des Ein-Mann-Betriebs.
Der Niedersfelder ist ein typischer Quereinsteiger. 30 Jahre seines Berufslebens hat er im Wald gearbeitet, in den Wintermonaten half er unter anderem in der Küche einer Hütte im Winterberger Skigebiet aus. „Ich wollte schon immer einen Imbiss haben“, sagt er, „hatte aber nie den Mut.“ Genau diesen fasste er, als eine Lebensversicherung ausbezahlt wurde: „Da habe ich mir gesagt, dass ich es ja mal versuchen kann.“
Also mietete er zunächst den Verkaufswagen an und erwarb diesen kurz darauf, als das Geschäft gut angelaufen war. Der markante Imbiss-Name wurde übrigens bei einem geselligen Abend in seiner Patchwork-Familie gefunden: „Wir überlegten und überlegten und nach einigen Bierchen hatte ich plötzlich einen Geistesblitz: Hans Wurst, das muss es sein.“
Auffahrunfall vor dem Imbiss
Hans Kelm hatte damit voll ins Schwarze getroffen. Insbesondere viele Winterberg-Urlauber und -Tagesausflügler auf der Bundesstraße machen nach wie vor große Augen. „Der Name Hans Wurst ist auch in den Niederlanden sehr bekannt“, erzählt der 62-Jährige von einem Zwischenfall vor Jahren: „Die Insassen eines Wagens mit gelbem Kennzeichen schauten offenbar so verdutzt nach rechts, dass der Pkw einen Auffahrunfall verursachte
Kelm selbst schwört Stein und Bein, dass er in den sieben Jahren seines segensvollen Wirkens an der Ruhrstraße insgesamt höchstens zehn Currywürste gegessen hat: „Wenn man die ständig vor der Nase hat und brät, hat man keinen Appetit mehr darauf.“ Auch wenn es sich bei der Wurst um ein prämiertes Qualitätsprodukt der Metzgerei von nebenan handele.
Die Wurst gehört auf einen Rost
16 Bratwürste passen gleichzeitig auf den gasbetriebenen Rost in Hans Wursts Imbisswagen. Das Braten ist eine Kunst für sich. „Schauen Sie sich die Wurst an“, sagt Heinrich Köllerwirth und hält dem Reporter die Pappschale unter die Nase. „Rundum gut angebraten“, sagt der Fröndenberger, der jede Woche auf dem Weg zum Jagdrevier am Imbiss haltmacht. Das Gute an der Wurst? „Sie schmeckt“, so seine trockene Antwort und lobt den Imbiss-Mann: „Ein netter Typ.“
Der so Gelobte antwortet auf seine Art auf die Frage, was das Geheimnis beim Wurstbraten ist: „Eine Rostbratwurst gehört, wie der Name schon sagt, auf einen Rost und nicht in eine Fettpfanne. Und Sie müssen die Wurst auf dem Rost von links nach rechts umdrehen, nicht von rechts nach links.“ Die Stille beim Reporter wird durch Kelms herzhaftes Lachen durchbrochen. Eben auch ein lustiger Typ.
Die Mantaplatte kostet 6,90 Euro
Das Gesicht des Hochsauerländers friert allerdings ein, wenn er über die Preispolitik in der Gastro-Branche spricht. Bei ihm kostet die Mantaplatte (Currywurst, Pommes, Mayo) 6,90 Euro. „Wenn an manchen Orten mehr als 15 Euro verlangt werden, ist das schon unverschämt“, sagt er. Drei Preiserhöhungen musste Kelm in den sieben Jahren verkünden. Seine Currywurst mit einer Scheibe Toastbrot kostete beim Start 2017 noch 2,70 Euro, jetzt sind es 3,70 Euro. „Ich habe humane Preise“, sagt er, „man darf nicht überziehen.“
Seine Gäste liegen dem Sauerländer am Herzen, davon zeugen auch die Pommes-Gabeln aus Edelstahl, die am linken Innenrand des Imbisswagens hängen. Sie sind in Lederetuis verstaut, mit Vornamen versehen und erinnern an Sparclub-Kästen in Kneipen. „Stammkunden wollen ihre Pommes lieber mit ihrem eigenen Besteck genießen“, sagt Kelm, der gerne auf seine Kunden „eingeht“, wie er sagt. Das Gespräch am Rost gehört für ihn dazu. Wiewohl: „Ich merke sofort, wenn einer nicht reden will.“ Und: „Ich merke schon, dass die Zeiten hektischer geworden sind. Es muss schnell gehen, die Leute wollen nicht lange auf ihre Currywurst warten.“
Hans Kelm alias Hans Wurst ist 62. Wer einen Imbisswagen am 11.11. um 11 Uhr 11 eröffnet hat, dem darf man die Abschlussfrage mithilfe eines Karnevalshits stellen: „Alles hat ein Ende, nur die Wurst hat zwei.“ Wie lange will er seine Currywurst-Bude noch betreiben? „Ich habe noch keinen Plan, wann ich in Rente gehe“, sagt der Mann mit dem Schnauzbart, „dafür macht es mir noch zu viel Spaß. Man wird nicht reich davon, aber kann davon leben. Und man ist sein eigener Herr.“
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Und da ist die Zufriedenheit der Kunden. Zum Beispiel Autofahrer aus der anerkannten Currywurst-Hochburg Ruhrgebiet, wo die Leib- und Magenspeise auch „Ruhrpott-Carpaccio“ genannt wird: „Das tut schon gut, wenn die mir sagen: Solch eine Wurst muss ich lange bei uns suchen.“
Am heißesten Tag des Jahres vor Kurzem hat Hans Kelm 41 Grad in seinem Imbisswagen gemessen. „Man gewöhnt sich daran“, sagt er und lächelt. „Meine Bude steht zum Glück auf der Schattenseite.“ Was rein räumlich zu verstehen ist.