Warstein/Bückeburg. . Der Sauerländer Ludwig Dinslage soll 1946 die Currywurst erfunden haben. Englische Offiziere waren begeistert. Sein Sohn verrät die Geheimzutat.
Gehört Orangenmarmelade in die Currywurst-Sauce? Das Rezept des 1987 verstorbenen Küchenchefs Ludwig Dinslage legt das nahe. Der Sauerländer soll drei Jahre vor der Berlinerin Herta Heuwer das bekannte Imbissgericht erfunden haben. Nun hat sich Axel Dinslage, der Sohn des Küchenchefs und Hoteliers, zu Wort gemeldet.
Es ist kurz nach dem Krieg, wir schreiben das Jahr 1946. Die Offiziere der britischen Besatzungsmacht warten im Schloss Bückeburg (Niedersachsen) ungeduldig auf ihr Abendessen. Als endlich aufgetischt wird, finden sie eine Wurst vor sich, die in einer undefinierbaren braunroten Sauce ertrinkt. Erst sind sie skeptisch, bald macht sich aber das erste „It’s delicious“, also köstlich, in den Hallen des Schlosses breit. Die Currywurst ist geboren und kommt offensichtlich gut an.
Currywurst-Erfinder: Sauerländer kämpfte nie um Anerkennung
So erzählt Ludwig Dinslage, der ehemalige Küchenchef des Schlosses, die Begebenheit in der WESTFALENPOST vom 12. September 1984. Er ist damals 72, drei Jahre später stirbt er.
Warum hat er aber 38 Jahre darauf gewartet, endlich das Geheimnis zu lüften? Sein Sohn Axel Dinslage (71), Psychotherapeut in Frankfurt, kann das erklären. „Mein Vater hat das nie an die große Glocke gehängt, und auch nie darum gekämpft, dass er als Erfinder der Currywurst anerkannt wird.“ Nur im persönlichen Umfeld habe er hervorgehoben:„Ich war der Erste.“ Dinslage konnte zudem auf andere Errungenschaften stolz sein. Er kochte für angesehene französische Restaurants wie „Palais Royal“ und „Drouant“. 1937 bewirtete er sogar als Rôtisseur (Bratenkoch) und Saucier die Gäste der Pariser Weltausstellung im deutschen Pavillon.
Englisches Chutney ist die Geheimzutat
Aber auch die Versorgungslage nach dem Zweiten Weltkrieg hat mit der Erfindung des Deutschen liebsten Imbissgerichtes zu tun. Ungewöhnlich viele Kanister von Currypulver befinden sich damals in den Vorräten des Schlosses, und der Küchenchef experimentiert mit den Mitteln, die er zur Verfügung hat.
So ist neben Tomatenketchup, Curry und einer Prise Salz auch noch die bittere Orangenmarmelade der Engländer eine Zutat in seinem Rezept. „Er hat sich gefragt: Was kann ich mit dem Curry anfangen“, beschreibt Axel Dinslage. Jahrelang geheimgehalten hat der Küchenchef außerdem eine weitere Zutat des Rezeptes. Axel Dinslage verrät: „Es ist englisches Chutney.“
Currywurst war für die Hotelgäste nicht anspruchsvoll genug
Das Rezept kommt nicht nur bei den britischen Offizieren an. In seinem ersten Restaurant 1951 nimmt er erfolgreich die Currywurst in die Speisekarte auf, drei Jahre später im Hotel „Kahle“ in Olsberg verkauft sich seine Currywurst auch wunderbar. „Bis zu 200 Stück am Tag verzehrten die Gäste bei mir, manche zwei oder gar drei hintereinander“, sagt Ludwig Dinslage.
Als er aber 1966 das Waldhotel Tropfsteinhöhle in Warstein übernimmt, kommt der Siegeszug der Sauerländer Currywurst zu ihrem Ende. Der Sohn des Küchenchefs erinnert sich: „Im Waldhotel hatten die Gäste andere Erwartungen. Die Currywurst, die es dann ja in Imbissbuden gab, kam da nicht an.“
Rezept an Alexander Fürst zu Schaumburg-Lippe, weitergegeben
Nun aber hat es die Sauerländer Currywurst in ein weiteres Restaurant geschafft. Axel Dinslage hatte vor einigen Wochen erfahren, dass das Schloss Bückeburg eine Gastronomie besitzt und das Rezept seines Vaters an den Hausherrn, Alexander Fürst zu Schaumburg-Lippe, weitergegeben. Dieser vermarktete die neue Currywurst medienwirksam. Jens Driftmeier, Küchenchef im Schloss, sagt: „Wir werden häufiger auf die Currywurst angesprochen.“ Die Verkaufszahlen des Gerichtes sind nach der Berichterstattung deutlich gestiegen.
Das exakte Originalrezept von Ludwig Dinslage verwendet Driftmeier allerdings nicht. „Es ist daran angelehnt, ich habe das Rezept aber auf moderne Geschmäcker angepasst.“ Wie genau, will er nicht sagen.
Stolzer Enkel findet Großvater jetzt im Netz
Axel Dinslage ist jedenfalls stolz darauf, dass das Porträt seines Vaters nun in der „Alten Schlossküche“ der Bückeburg hängt. Auch die nun höhere Bekanntheit seines Vaters nimmt er positiv auf: „Mein Sohn Nils jedenfalls findet es ,cool’, seinen nicht gekannten Großvater nun bei Internet-Suchmaschinen mehrfach abrufen zu können und sich so auch seiner Wurzeln bewusst zu werden.“