Dortmund/Siegen. Der Ermittlungsleiter schildert im Mafia-Prozess vor dem Landgericht Dortmund, was im „Al teatro“ noch so passiert sein soll.
War die Siegener Eisdiele „Al teatro“ mehr als nur ein Ort, an dem original italienisches Eis, Waffeln und Cappuccino angeboten wurden? Das muss seit Anfang Juni das Landgericht Dortmund in einem mutmaßlichen Mafia-Prozess klären.
Nach Auffassung der Staatsanwaltschaft Düsseldorf und des Landeskriminalamts (LKA) NRW waren die Betreiber des Gastro-Betriebs mitten in der Innenstadt Mitglieder einer ausländischen kriminellen Vereinigung. Genauer: der kalabrischen Mafiaorganisation `Ndrangheta. Und der Eistempel, so die Überzeugung der Ermittler, soll zur Geldwäsche von Einnahmen aus Kokaingeschäften sowie als Rückzugsort von mutmaßlichen Mafiosi genutzt worden sein.
Drei Angeklagte zwischen 25 und 39
Ein komplizierter Sachverhalt, wie sich auch am zweiten Prozesstag gegen die angeklagten drei italienischen Staatsbürger im Alter zwischen 25 und 39 Jahren zeigte. Mehr noch: Es ging am Mittwoch im Gerichtssaal rund um das Eiscafé im Siegerland sehr hitzig zu.
Schon vor der Aussage des damaligen Leiters der Ermittlungskommission „Eureka“ beim LKA, Oliver Huth, widerspricht Verteidigerin Denise Gerull der Bestellung des Kriminalhauptkommissars als Zeuge. Begründung: Der 46-Jährige, der es auch als NRW-Landesvorsitzender des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK) zu überregionaler Bekanntheit gebracht hat, trete „regelmäßig bei Vorträgen“ als vermeintlicher Mafia-Experte in Erscheinung – mit Schilderungen vom „Hörensagen“, wie die Kölner Juristin findet.
„Die beiden Brüder haben im Laufe der Zeit um die 30 Fahrzeuge zugelassen. Wie passt das mit dem Betrieb eines Eiscafés zusammen?“
Bei einem „Erzähl-Onkel“, diesen Begriff verwendet sie vor Gericht, bestehe die Gefahr, dass Ermittlungsergebnisse von dem Zeugen unzulässigerweise interpretiert werden könnten, sagt sie weiter. Der Widerspruchsantrag wird von der Strafkammer allerdings kurz und trocken abgeschmettert.
Bei Huths Zeugenvernehmung hat der Vorsitzende Richter Dirk Kienitz alle Hände voll zu tun, die Einwände der Verteidiger in den Griff zu bekommen. Mehrfach mokieren sie, dass der LKA-Mann nicht darlege, ob er nur eigene Wahrnehmungen beziehungsweise Interpretationen oder Feststellungen vorbringe.
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Das Beharren der Anwälte auf den Konjunktiv bei der Zeugenaussage unterstreicht die bereits beim Prozessauftakt zu erkennende Verteidigungsstrategie, alle Hinweise zu widerlegen, die auf eine `Ndrangheta-Mitgliedschaft der Betreiber-Brüder Antonio und Francesco M. (37 und 39) sowie des Eisdielen-Angestellten Antonio G. (25) hindeuten könnten.
Verteidigung kritisiert Ermittlungsergebnisse
Bereits beim Prozessauftakt am 5. Juni hatte die Verteidigung die Ermittlungsergebnisse scharf kritisiert. In ihrer Anklageschrift habe die Staatsanwaltschaft lediglich pauschale und unkonkrete Vorwürfe erhoben, sagte eine Rechtsanwältin: „Es wird nicht genau beschrieben, was genau die Angeklagten zu welchem Zeitpunkt getan haben sollen.“
Dabei hat die von Huth angeführte Ermittlungskommission „Eureka“ bei ihren dreijährigen Ermittlungen durchaus Indizien zusammengetragen, die einen gewissen Verdacht bestätigen könnten - unter Einsatz verdeckter Ermittler und mithilfe von Telefonüberwachungen, Lauschangriffen in Häusern und Fahrzeugen sowie technischer und personeller Observation, wie es der LKA-Mann ausführt.
Ganz normal im Eiscafé gearbeitet
So sagt der Kriminalhauptkommissar im Zeugenstand: „Unseren Erkenntnissen zufolge haben die Angeklagten ganz normal in dem Eiscafé gearbeitet. Sie haben es morgens geöffnet, den Tag über Kunden bedient und es abends geschlossen. Und von einem Zeugen wissen wir, dass sie sich auch Ratschläge für die Herstellung von Eis geben ließen. Trotzdem haben die beiden Brüder, wie unsere Ermittlungen ergaben, im Laufe der Zeit um die 30 Fahrzeuge zugelassen.“ Er fragt: „Wie passt das mit dem Betrieb eines Eiscafés zusammen?“
Zumal es rund um die Autos Auffälligkeiten gegeben habe: Die Fahrzeuge seien mit unterschiedlichen Halternamen angemeldet worden. Zeugen hätten in Vernehmungen angegeben, so Huth weiter, dass sie Geld dafür erhalten hätten, ihren Namen zur Verfügung zu stellen, ohne den Wagen jemals gefahren zu sein.
Gespräch in Belgien abgehört
Nach Darstellung des LKA-Beamten soll ein Hinweis auf eine Eisdiele in Siegen erstmals im Rahmen der europaweiten Eureka-Ermittlungen bei der Überwachung eines Fahrzeugs eines mutmaßlich ranghohen `Ndrangheta-Mitglieds gefallen sein. Im belgischen Genk soll der Mann, der in den internationalen Kokainhandel involviert gewesen sein soll, zwei mutmaßlichen Drogen-Kurierinnen begegnet sein.
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Die Frauen sollen in präparierten Fahrzeugen Drogen geschmuggelt haben. Jedenfalls soll der mutmaßliche Mafioso ihnen erzählt haben, dass er eine Eisdiele in Siegen besitze und dass dort die Familie arbeite, so Huth. Ermittlungen hätten daraufhin ergeben, dass der Mann verwandtschaftliche Beziehungen zu den Eismachern im „Al teatro“ habe.
Die hinter dem Eiscafé stehende GmbH soll im Dezember 2016 mit einem Stammkapital von 12.500 Euro gegründet worden sein, berichtet Huth weiter. Nach der Groß-Razzia im Rahmen der Anti-Mafia-Operation „Eureka“ im Mai 2023 wurde es stillgelegt.
Bis dahin sollen die beiden Brüder M. und der dritte Angeklagte zusammen eine Wohnung in der Nähe des „Al teatro“ gemietet haben. Dort soll Huth zufolge auch ein entfernter Verwandter gemeldet gewesen sein, der zu dem Zeitpunkt mit einem internationalen Haftbefehl gesucht worden sei. Vorwürfe: Rauschgifthandel und Mitgliedschaft in einer ausländischen kriminellen Vereinigung.
Wie beim Prozessauftakt vor zwei Wochen verfolgen die drei Angeklagten auch am zweiten Verhandlungstag das Geschehen im Gericht eher teilnahmslos. Dolmetscher übersetzen ihnen die Zeugenaussage des hohen LKA-Beamten.
Der einstige Eisdielen-Angestellte Antonio G. (25) trägt diesmal einen schwarzen Sportanzug und weiße Turnschuhe. Er soll in seiner Siegener Zeit nach Darstellung von LKA-Ermittler Huth sich eine 18.000 Euro teure Rolex-Uhr zugelegt haben. Bar bezahlt. Mit seinem Arbeitsentgelt aus dem Gastro-Betrieb sei das wohl kaum zu erklären, so Huth.
Befangenheitsantrag gegen den Vorsitzenden Richter
Die Zeugenaussage des Ermittlungsleiters soll an einem der nächsten Verhandlungstage fortgesetzt werden. Zum guten Schluss des Mittwoch-Termins stellt Verteidigerin Denise Gerull noch einen Ablehnungsantrag gegen den Vorsitzenden Richter. Wegen Befangenheit. Bis zum nächsten Verhandlungstag am 2. Juli soll darüber entschieden werden.