Hagen/Düsseldorf. Das NRW-Gesundheitsministerium hat allen Kliniken gesagt, was sie künftig an Leistungen noch anbieten sollen. Es kommt zu Einschnitten.

Die Neuordnung der Krankenhauslandschaft in Nordrhein-Westfalen geht gut zwei Jahre nach Vorstellung des neuen Krankenhausplans im April 2022 in die entscheidende Phase und nimmt immer konkretere Formen an. Wo wird es künftig noch welche medizinische Versorgung geben? Was darf das Krankenhaus vor Ort noch leisten?

Das NRW-Gesundheitsministerium hat ein zweites Anhörungsverfahren gestartet und seine Vorstellungen dazu, wo in Zukunft noch welche Versorgung angeboten werden soll, an die mehr als 300 Kliniken in NRW versendet. Darin geht es nicht mehr nur um eine medizinische Grundversorgung, sondern auch um die für Kliniken lukrativeren Eingriffe.

René Thiemann, Geschäftsführer im Krankenhaus Maria-Hilf Brilon.

„Das Vorgehen in NRW ist allemal besser als das Vorgehen auf Bundesebene, wo es nahezu keine Beteiligung gibt.“

René Thiemann

Damit geht Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) einen großen Schritt weiter in Richtung Reform des Gesundheitswesens - und dies aus Sicht von betroffenen Klinikgeschäftsführern strukturierter und eleganter als Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD). „Das Vorgehen in NRW ist allemal besser als das Vorgehen auf Bundesebene, wo es nahezu keine Beteiligung gibt. Manches hört sich in den Plänen von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach aus Patientensicht gut an, beispielsweise mehr Fachärzte in den Kliniken. Nur gibt es so viele bei uns gar nicht“, urteilt René Thiemann, Geschäftsführer des Hüttenhospitals in Dortmund und des städtischen Krankenhauses Maria Hilf in Brilon. Für diese beiden Häuser, die Thiemann verantworte, sehe es nach den jüngsten Planungen aus Düsseldorf gar nicht so schlecht aus.

Widersprüche bis zum 11. August möglich

Die Krankenhausträger haben jetzt noch einmal bis zum 11. August Gelegenheit, den Planungen der Landesregierung zu widersprechen, wenn sie mit den Vorschlägen aus dem Hause Laumann nicht ein verstanden sind. Anschließend sollen eventuelle Widersprüche im Ministerium noch einmal geprüft werden. Bis Ende des Jahres soll dann der endgültige Plan stehen, wo konkret noch Hüftoperationen stattfinden sollen, welche Häuser noch Geburtsklinik sein dürfen und welche lediglich noch eine Grundversorgung anbieten dürfen.

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Ein Blick auf Südwestfalen, den Märkischen Kreis, Hagen und den Ennepe-Ruhr-Kreis am Beispiel Hüftoperationen verrät, dass die Planung aus Düsseldorf zwar keinen Kahlschlag für den ländlicheren Raum bedeutet, andererseits dürften bei weitem nicht alle Kliniken zufrieden sein. In einigen Regionen scheint eine Verständigung zwischen benachbarten Kliniken besser, in anderen schlechter geklappt zu haben. „Die Kliniken waren gefordert, bedarfsgerechte und hochwertige Versorgungsangebote in der Grund- und Spezialversorgung untereinander abzustimmen - das ist häufig besser gelungen, als zu erwarten war“, so Bettina am Orde, Chefin der Krankenkasse Knappschaft.

Ministerium sieht „ruinösen“ Wettbewerb in Siegen

In Siegen beispielsweise hat es bei Absprachen bislang offenbar eher gehakt. Dort stehen vier Kliniken im Wettbewerb. Sie konnten sich aus Sicht des NRW-Gesundheitsministeriums nicht ausreichend einigen, also macht Düsseldorf nun entsprechende Vorgaben. „Trotz intensiver Bemühungen im Rahmen vorausgegangener Verfahren zur Krankenhausplanung hat sich in den letzten Jahren eine für die Beteiligten ruinöse Wettbewerbssituation eingestellt. Wiederholte Vermittlungsversuche schlugen fehl. Auch die Antragsstellung in diesem Planungsverfahren spiegelt die Doppel- und Mehrfachvorhaltung wider und lässt eine Schwerpunktbildung und Absprache zwischen den Leistungserbringern vermissen“, heißt es vonseiten des Ministeriums. Weil die Häuser in Siegen sich nicht einigen konnten, schreibt jetzt die Landesregierung vor, welche Klinik in Siegen in Zukunft welche Schwerpunkte haben soll.

Kleiner Häuser haben es bei Spezialisierung schwer

Ziel sei immer, eine flächendeckende Versorgung zu gewährleisten. Für die Erstversorgung medizinischer Notfälle langt es wohl auch im Winterberger Hospital St. Franziskus noch - angesichts vieler Sportunfälle im Sommer wie Winter für die Region durchaus von Bedeutung. Von den 600 beantragten und potenziell lukrativen Hüft-Operationen pro Jahr, die die Klinik gerne durchführen würde, hält das Gesundheitsministerium genau null für sinnvoll. Auch bei anderen Fachrichtungen wie der Neurologie, die man im Hochsauerland ausbauen wollte, kommt das Haus aus Sicht von Laumann nicht infrage.

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Winterberg ist nicht die einzige Klinik, die bei bestimmten Leistungsbereichen in die Röhre schauen soll, gerade, wenn es um speziellere und höher dotierte Versorgungsleistungen geht. Das St.-Vincenz-Krankenhaus in Menden etwa traut sich 400 Wirbelsäuleneingriffe zu. Aus dem Gesundheitsministerium lautet die vorläufige Zuweisung: null.

In den öffentlichen Unterlagen des Ministeriums sieht es mitunter so aus, als ob manchen Häusern Leistungen auferlegt werden sollen, die sie gar nicht beantragt haben. Vonseiten des Ministeriums gebe es aber keine Zwangszuweisungen, erklärt eine Sprecherin auf Anfrage dieser Zeitung: „Im Rahmen der Planung wurde keine Leistungsgruppe zugewiesen, die ein Krankenhaus nicht selbst beantragt hat; dabei kann es sein, dass nicht alle Anträge in der Plattform hinterlegt sind, weil es hier im Laufe der Zeit auch zu Veränderungen gekommen ist.“ Es gebe darüber hinaus die Konstellation, dass die Krankenkassen eine Leistungsgruppe abgelehnt hätten, das Land die Leistung aber gerne weiter am Standort vorsehen würde.

Transformation weitgehend im Konsens

Ganz auf dem aktuellsten Stand scheint man im Hause Laumann nicht in jedem Fall zu sein. Das katholische Sankt Johannes Krankenhaus in Hagen wird im Bereich Kardiologie noch mit beantragten Eingriffen aufgeführt. Dabei ist das Haus längst geschlossen, die Kardiologie in das Hagener Agaplesion Krankenhaus verlagert. In Hagen und dem Verbund mit Iserlohner Häusern hatte man sich in den vergangenen zwei Jahren offenbar besser auf Schwerpunktbildung verständigen können als in Siegen.

Der Briloner Geschäftsführer Thiemann ist unter dem Strich zufrieden mit dem Transformationsprozess: „In NRW ist so weit transparent und abgestimmt gelaufen. Natürlich tauchen auch Leistungen auf, die wir ab 1. Januar 2025 nach Ansicht des Landes-Gesundheitsministers Laumann nicht mehr erbringen sollen, aber wir sind immerhin beteiligt worden.“ Zudem ist im Detail das letzte Wort noch nicht gesprochen.

Vertreter gesetzlicher Krankenkassen, die sich offenbar sehnlichst wünschen, dass die Operation Krankenhausreform endlich zu einem Abschluss gebracht wird, verteilen indes schon einmal Applaus: „Wir rufen alle Beteiligten auf, jetzt auch die letzten entscheidenden Schritte gemeinsam zu gehen und die Krankenhausreform konsequent und erfolgreich zum Ende zu bringen“, sagt Tom Ackermann, Vorstandsvorsitzender der Aok NordWest.

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