Hagen. Diskothek, Schützenfest im Sauerland, Kirmes in Halver: Wie Veranstalter nach dem Sylt-Eklat mit dem Lied „L‘amour toujours“ umgehen.

Die Liebe zur Sache ist deutlich zu spüren. „Die Kirmes ist ein traditionsreiches Fest. Das ist ein schönes Feiern“, sagt Lutz Eicker vom Organisationsteam der Halveraner Kirmes, die an diesem Wochenende ansteht: Die ganze Innenstadt ist wie immer gesperrt. „Das bietet ein besonderes Flair.“ 50.000 bis 60.000 Besucher kommen Jahr für Jahr. Ein Organisationsmonstrum. An Terrorabwehr ist gedacht. 34 Seiten hat das Sicherheitskonzept. „Das Thema Musik brauche ich jetzt nicht auch noch“, sagt Eicker.

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Doch die klangliche Untermalung kann derzeit schnell zum Problem werden. Auf Sylt sangen vor wenigen Tagen junge Erwachsene zur Melodie des Lieds „L‘amour toujours“ rechtsradikale Parolen. Das gleiche soll sich am vergangenen Wochenende in Winterberg beim Bike-Festival abgespielt haben. Der Staatsschutz ermittelt. Und auch bei einer Karnevalsfeier in Menden im Frühjahr sollen die Parolen „Ausländer raus“ und „Deutschland den Deutschen“ zur genannten Melodie gegrölt worden sein. Jemand hatte sich offenbar das Lied beim DJ gewünscht. Damit war der Weg für den Nazi-Eklat bereitet.

Wie geht man als Veranstalter damit um? Auf der Kirmes, beim Schützenfest, in der Disko?

Kirmes, Disko, Schützenfest: Wie umgehen mit „L‘amour toujours“?

Auf der Halveraner Kirmes im Sauerland tritt am Samstagabend ein DJ auf. Ab 22 Uhr soll er der Menge einheizen. „Bis gerade eben habe ich mir eigentlich keine Gedanken über das Thema gemacht“, sagt Lutz Eicker drei Tage vor dem Beginn der Veranstaltung. Aber für sinnvoll, das zu tun, hält er es dann offenbar doch: „Den DJ werde ich für das Thema vorab noch sensibilisieren, damit das entsprechende Lied gar nicht erst gespielt wird.“ Schaden kann es ja vermutlich nicht. „Sollte es doch – wie auch immer – zu einem derartigen Zwischenfall kommen, werden wir das sofort unterbinden“, sagt Eicker. Es nervt ihn, dass Musik jetzt auch zum heiklen Thema wird.

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Aber das ist es längst. Das zeigt das Beispiel der Großraumdiskothek Capitol in Hagen, in der jedes Wochenende bis zu 2000 Menschen feiern. Betreiber Stephan Ley hat verfügt, dass das Lied des Interpreten Gigi D‘Agostino nicht mehr gespielt werden darf – schon vor etwa einem halben Jahr, wie er sagt. „Damals waren die ersten Vorfälle bekannt geworden. Und da ich Antennen für solche Gefahren habe, haben wir das damals schon entschieden.“ Ley kommt aus der Musikbranche, er hat mit Gigi D‘Agostino in den 90er Jahren zusammengearbeitet. Die goldene Schallplatte für Hunderttausende verkaufte Exemplare des Remixes „Bla-Bla-Bla“ hängt bei ihm zu Hause im Flur. So wird er jeden Tag neu an die aktuellen Geschehnisse erinnert.

„Wenn ich eine Kneipe hätte, die ich überblicken könnte, dann würde ich das Lied auch weiterhin spielen lassen. Ich könnte ja jederzeit eingreifen und mich entgegenstellen.“
Stephan Ley - Betreiber der Großraumdisko „Capitol“ in Hagen

In seiner Brust schlagen zwei Herzen, wenn es um den Song „L‘amour toujours“ geht. „Das Lied ist ein Klassiker, der Interpret kann nichts dafür, was so ein paar Schwachmaten aus seinem Song machen. Ich persönlich halte nichts von Zensur und Bevormundung“, erläutert Ley. „Wenn ich eine Kneipe hätte, die ich überblicken könnte, dann würde ich das Lied auch weiterhin spielen lassen. Ich könnte ja jederzeit eingreifen und mich entgegenstellen. Aber als Betreiber einer Großraumdiskothek mit drei Partyzonen und drei DJs habe ich Angst, dass was passiert, was ich nicht mitbekomme und was mit dem Laden in Verbindung gebracht wird.“

Irgendwann werden sie das Lied aber vermutlich wieder spielen. „Es handelt sich meiner Meinung nach nicht um ein Nazilied. Das ist was für, wie soll ich sagen, kleine Hobby-Rassisten, für Halbstarke, die aus einer Bierseligkeit heraus etwas furchtbar Dummes tun. Das soll die Sache nicht verharmlosen. Es ist richtig, das zu unterbinden, damit so etwas nicht salonfähig wird“, sagt Ley.

Sauerländer Schützenbund sensibilisiert die Vereine

Bierseligkeit herrscht nicht selten auch auf Schützenfesten. Die Saison nimmt in diesen Wochen so richtig Fahrt auf. Auch dort ist das Lied ein Thema, wie Stefan Tremmel bestätigt. Tremmel ist Bundesoberst des Sauerländer Schützenbundes, sozusagen der erste Schützenbruder im Land. Selbstverständlich habe sich der Vorstand längst „mit diesem Thema beschäftigt“, wie er auf Nachfrage mitteilt.

„Aufgrund der Berichterstattung sind die Vorstände unserer Schützenbruderschaften und Schützenvereine bereits intensiv sensibilisiert und werden es nicht zulassen, dass unsere Traditionsfeste für das Kundtun von rechtsradikalen Gesinnungen genutzt werden“, sagt Tremmel. Ein Verbot des Liedes „sehen wir eher skeptisch. Jedes Lied kann von einem Menschen oder einer Gruppierung umgetextet werden, sodass die eigentliche Intention des Songs verloren geht beziehungsweise bewusst verändert wird.“

Auf Verstand und Intellekt der Gäste setzen

An diesem Wochenende feiert die Schützenbruderschaft St. Johannes Langenholthausen 1831 ihr Schützenfest. Die Musikfrage ist dort schnell geklärt. „Grundsätzlich haben wir keinen DJ. Bei uns deckt das alles die Festmusik ab. Ich wüsste gar nicht, dass dieses Lied überhaupt mal bei uns gespielt worden wäre“, sagt der Vorsitzende Karsten Bartsch. „Von daher denke ich, dass es bei uns nicht kommen wird wie auf Sylt. Für den Fall, dass das Lied doch gespielt wird, baue ich aber auch stark auf den Verstand und den Intellekt unserer Gäste.“ Sollte das Lied trotzdem zu hören sein und der veränderte Text, „würden wir das natürlich sofort unterbinden und die betreffenden Gäste des Festgeländes verweisen.“

Ähnlich ist es bei der St. Antonius Schützenbruderschaft Eisborn in Balve. Einen DJ gibt es traditionell nicht, dafür spielen eine Band sowie ein Orchester. „Wir haben noch nicht mit den Musikern gesprochen, werden es aber noch tun. Ich gehe auch nicht davon aus, dass sie geplant haben, L’amour toujours zu spielen“, sagt der 1. Vorsitzende Gisbert Sprenger. Man wolle sich auf ein besonderes Fest freuen, bei dem niemand ausgeschlossen werde.