Hagen. Sozialpsychologin Marina Orifici gibt Tipps, was wichtig und was zu beachten ist, wenn man Zeuge rechtsradikaler Parolen wird.
Der Fall Sylt ist noch immer in aller Munde: Junge, offenbar angetrunkene Menschen singen gutgelaunt schlimmste rechtsradikale Parolen. Was tut man eigentlich in einer solchen Situation, wenn man Zeuge dessen wird? Sozialpsychologin Marin Orifici von der Fernuniversität in Hagen weiß Antwort.
Wie verhalte ich mich richtig, wenn so etwas neben mir gesungen wird?
Die erste Überlegung ist sicherlich der Kontext. Handelt es sich um ein privates Treffen oder eine private Feier, bei der ich alle Leute kenne? Oder ist es eine öffentliche Veranstaltung, ein Schützenfest oder ähnliches? Außerdem ist relevant, ob die Situation eskalieren kann und die eigene Sicherheit bei Einschreiten in Gefahr ist. Ist das der Fall, kann es ratsam sein, die direkte Konfrontation zu vermeiden.
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Was ist noch wichtig?
In jedem Fall ist es wichtig, zu signalisieren, dass man das betreffende Verhalten nicht gutheißt, indem man schonmal nicht mitsingt und mitklatscht oder anderweitig Zustimmung zeigt. Wenn man einschreitet, dann ist es gut, das nicht allein zu tun. Suchen Sie das Gespräch mit anderen um Sie herum, treten Sie gemeinsam auf, um klarzumachen, dass Sie nicht allein der Meinung sind. Wichtig ist auch: Intervenieren Sie ruhig und sachlich, nicht emotional. Wenn die Situation potenziell eine Gefahr darstellt oder verfassungswidrig ist, kann man sich an den Veranstalter oder die Polizei wenden.
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In dem Video auf Sylt schien niemand irritiert zu sein oder einzuschreiten. Woran kann das liegen?
Sozialpsychologisch ist es gut erforscht, welche Faktoren ganz allgemein dazu beitragen können, nicht zu handeln. Man kann gehemmt sein, weil man negative Konsequenzen erwartet, wie zum Beispiel die Ablehnung in der Gruppe. Zum anderen ist es möglich, dass man nicht weiß, wie man einschreiten soll oder denkt, dass das sowieso nichts bringt. Zudem gibt es etwas, das man den Zuschauereffekt nennt. Dabei geht es um Hilfeleistung in Notsituationen, aber er lässt sich auf diesen Kontext übertragen: Je mehr Menschen in einer Situation anwesend sind, desto weniger wird eingeschritten.
Welche Ursachen hat das?
Das kann mit Verantwortungsdiffusion zu tun haben: Je größer die Anzahl der anwesenden Personen, desto geringer ist das empfundene Verantwortungsgefühl jedes Einzelnen. Es kann sich aber auch um pluralistische Ignoranz handeln: Wenn andere keine Reaktion zeigen, kann es sein, dass man fälschlicherweise davon ausgeht, dass das Ereignis nicht so schwerwiegend ist. Es kann also nicht schaden, einmal darüber nachzudenken, wie man reagieren könnte, allein schon, um nicht so perplex zu sein. Denn: Es ist wichtig, ein Zeichen zu setzen.