Hagen. Hass-Kommentare und Infos über die minderjährigen Täterinnen im Fall Freudenberg. Warum eine Expertin rät, dies alles TikTok zu melden.
Zwei Mädchen aus Freudenberg in Siegen-Wittgenstein haben gestanden, eine Zwölfjährige getötet zu haben. Dieser Fall erschüttert Deutschland, er hat aber auch im Internet für massive Reaktionen gesorgt: Die Identität der aufgrund ihres Alter schutzwürdigen Tatverdächtigen wurde vielfach preisgegeben, Hass-Kommentare gab es massenhaft. Wie kann das verhindert werden? Die EU-Initiative klicksafe hat zum Ziel, die Online-Kompetenz der Menschen zu fördern. Birgit Kimmel ist die Leiterin. Wie sie den Fall Freudenberg einordnet.
In sozialen Netzwerken wie TikTok kursieren weiter Falschmeldungen, Informationen zu den tatverdächtigen Mädchen oder Hass-Kommentare. Müssen wir das hinnehmen?
Nein, es ist ja auch schon gehandelt worden. So hat zum Beispiel TikTok die Accounts der Tatverdächtigen gelöscht. Aber natürlich gibt es die Infos weiter im Netz. Ich hatte aber die Gelegenheit, mit Verantwortlichen des Unternehmens zu sprechen. Dort ist man bemüht, sowohl mit technischen Filtern als auch wirklich manuell all diese kritischen Inhalte zu finden und zu entfernen.
+++ Lesen Sie auch: Fall Freudenberg: Wie die Polizei Hass-Kommentare sucht +++
Sie sind Pädagogin, Leiterin der EU-Initiative klicksafe. Glauben Sie TikTok, dass sie es ernst meinen mit dem Löschen solcher Inhalte?
Man hat mir glaubhaft machen können, dass man dort tatsächlich alle kritischen Inhalte, die etwa die Identität der tatverdächtigen Mädchen preisgeben könnten oder zu Hass aufrufen, entfernen möchte. Man hat auch gemerkt, dass die Mitarbeitenden dort der Fall Freudenberg umtreibt und beschäftigt. Es gibt auch die klare Botschaft an alle Nutzer: Meldet diese Inhalte, denn trotz Künstlicher Intelligenz ist das Unternehmen auf die Hilfe der User angewiesen, alle Inhalte dazu zu finden.
Also lieber Verdächtiges oder Anstößiges melden als ignorieren?
Ja, auf jeden Fall.
TikTok scheint für etablierte Mediennutzer, etwa Zeitungsleser, wie eine fremde Welt. Ist das die Medien-Wirklichkeit junger Menschen?
Umfragen zeigen immer wieder, dass auch junge Menschen eigentlich die etablierten Medien als die verlässlichen und seriösen einschätzen. Sie informieren sich aber vorwiegend in den sozialen Medien. Die am häufigsten genutzten Apps sind WhatsApp, dann folgt TikTok und Instagram. Natürlich findet sich in diesen sozialen Medien auch ihre Nachrichtenwelt.
- Lesen Sie auch zu dem Thema:
- Fall Freudenberg: Woher der Hass auf die Täterinnen im Internet kommt
- Getötete Zwölfjährige: Wie Freudenberg fassungslos trauert
- Zwölfjährige getötet: Profile der Tatverdächtigen gelöscht
- Fall Freudenberg und das Motiv: Was wir wissen und was nicht
- Der Fall Freudenberg: Wenn das eigene Kind zum Täter wird
- Die Schule der getöteten Zwölfjährigen bleibt geöffnet
- Kinder töten Kind: Auch die Ermittler sind „erschüttert“
- Freudenberg trauert um tote 12-Jährige: „Einfach unfassbar“
- Getötete 12-Jährige aus Freudenberg: Zwei Kinder verdächtigt
- Zwölfjährige aus Freudenberg erstochen: Die Infos von der Pressekonferenz
- Mädchen getötet: Wie man mit Kindern über das Entsetzliche redet
Müsste man angesichts der Erfahrungen nach Freudenberg darüber reden, ob man die sozialen Netzwerke nicht ganz verbannt?
Ein Abschalten ist gar nicht möglich. Und wenn Sie es als Eltern Ihren Kindern verbieten, ist das auch keine Lösung. Ihre Kinder werden Wege finden, um trotzdem bei TikTok und Co. zu sein. Indem sie es beispielsweise bei Freunden anschauen. Nein, wir müssen vielmehr eine Debatte führen, wie wir ein gutes Leben mit diesen neuen Technologien führen wollen.
Wie soll das geschehen?
Eltern sollten ihre Kinder in die Welt der digitalen Medien begleiten, ihnen zeigen wo die Risiken liegen und in Apps gemeinsam die Privatsphäre- und Sicherheitseinstellungen vornehmen. Dazu gehört auch gemeinsam Nutzungsregeln aufzustellen. TikTok ist übrigens nicht nur ein Thema für Kinder und Jugendliche. Es sind dort auch ältere Zielgruppen unterwegs.