Freudenberg. Zwei Minderjährige töten eine Zwölfjährige: Bei TikTok und Co. gibt es weiter Hass-Kommentare. Die Polizei beobachtet das intensiv.
Auch gut eine Woche, nachdem die Ermittlungsbehörden öffentlich gemacht haben, dass zwei 12 und 13 Jahre alte Mädchen eine Zwölfjährige in Freudenberg getötet haben sollen, beobachtet die Polizei weiter intensiv die Aktivitäten im Internet rund um den Fall. „Die Prüfung durch unterschiedliche Polizeidienststellen läuft bereits und wird auch weiterhin fortgeführt“, so Niklas Zankowski, Sprecher der Kreispolizeibehörde Siegen-Wittgenstein, auf Anfrage unserer Redaktion. Ob in der Folge schon Ermittlungsverfahren eingeleitet wurden, weil strafrechtliche Inhalte gefunden wurden, ließ der Polizeisprecher offen. Aus ermittlungstaktischen Gründen könnten dazu noch keine Angaben gemacht werden.
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In sozialen Netzwerken gab und gibt es reichlich Spekulationen, teils auch Falschmeldungen zu dem Fall. Vor allem aber waren schnell die Profile der beide tatverdächtigen Mädchen bei den Internet-Plattformen TikTok und Instagram bekannt geworden – und somit auch die Identität der beiden. Die ist aber aufgrund des kindlichen Alters der Tatverdächtigen besonders schützenswert. Die Ermittlungsbehörden, aber auch zum allergrößten Teil die professionellen Medien haben dies beachtet. Im Netz dagegen kursierten Bilder, Namen – oft verbunden mit Beschimpfungen, Hass oder gar Gewalt- und Selbstjustizdrohungen. Und insbesondere bei TikTok, einer Video-Plattform im Internet, sorgte der Algorithmus, also die Formel, mit der dort Inhalte an Nutzer ausgespielt werden, dafür, dass Videos und Bilder immer weiter verbreitet wurden.
Ermittler lassen TikTok-Accounts löschen
Bei den Social-Media-Kanälen der beiden Tatverdächtigen konnte die Polizei eingreifen: In Absprache mit der Staatsanwaltschaft Siegen wurde die Löschung der Social-Media-Kanäle bei TikTok und Instagram angeordnet. „Zuvor hat jedoch eine Sicherung der Daten stattgefunden, um im Nachgang strafrechtlich relevante Inhalte identifizieren zu können“, so Polizeisprecher Niklas Zankowski.
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Aber auch darüber hinaus bleibt die Polizei wachsam: „Wir unterziehen die Inhalte in den sozialen Medien, auch bei Twitter oder Facebook, einem kontinuierlichen Monitoring“, so der Polizeisprecher. Sollten hier strafrechtlich relevante Inhalte registriert werden, würden diese gesichert und es folge die Einleitung eines Strafverfahrens. Dabei setzt man auch auf die Hilfe der Bevölkerung: „Es kommt immer wieder vor, dass Bürgerinnen und Bürger Hinweise an uns übermitteln. Sollten uns weitere Hinweise erreichen, werden wir diesen auch nachgehen.“
Was ist noch freie Meinungsäußerung?
Wann ein Beitrag im Internet rund um den Fall Freudenberg einfach geschmacklos und moralisch verwerflich oder aber strafbar ist, lässt sich nicht pauschal sagen. „Die Prüfung, ob ein in den sozialen Medien verbreiteter Inhalt zu dem Verfahren strafrechtliche Relevanz aufweist oder aber als freie Meinungsäußerung zu bewerten ist, muss in jedem Einzelfall geprüft und entschieden werden“, sagt Niklas Zankowski. Dass es aber abseits von klaren Fällen – wie etwa dem Aufruf zu Straftaten – durchaus Eingriffsmöglichkeit gibt, macht der Polizeibeamte auch deutlich: „Beispielhaft lässt sich kurz skizzieren, dass die Verbreitung von Lichtbildern der beteiligten Kinder, auf denen diese erkennbar sind, eine Straftat nach dem Kunsturhebergesetz darstellen könnte.“
Insgesamt lässt sich beim Blick ins Internet feststellen, dass in den sozialen Netzwerken weiter ein großes Interesse an dem Thema besteht – wenn es auch im Vergleich zur vergangenen Woche etwas zurückgegangen ist. Die Frage nach der Schuldfähigkeit beziehungsweise der Strafmündigkeit ist ein großes Thema sowie weitere mögliche Konsequenzen. Auf Instagram, aber insbesondere auch auf TikTok, gibt es weiterhin viele Spekulationen – zum Tathergang, zum Motiv und dem Ablauf der Tat.
Ungewöhnlich bis verstörende Beiträge
Die Beiträge wirken für alle die, die in Netzwerken wie TikTok nicht unterwegs sind, ungewöhnlich bis verstörend. In Amateur-Videos wird der Fall Freudenberg thematisiert, mit Infos aus etablierten Medien, aber auch mit eigenen Schlussfolgerungen oder Falsch-Informationen, die so weiter verbreitet werden. Und in den Kommentarspalten zu diesen Beiträgen finden sich dann viele weitere Reaktionen – eher unkritische Bekundungen der Trauer und des Unverständnisses, aber eben auch Hass-Kommentare.
Dass diese Verbreitung von Spekulationen weitere Auswirkungen haben kann, sieht auch die Polizei. Die Ermittlungsarbeit werde durch die Spekulationen zwar nicht beeinflusst, da die Beweise im Umfeld des Tatgeschehens bereits gesichert worden seien, so Niklas Zankowski. „Es kann aber nicht ausgeschlossen werden, dass diese Spekulationen Einfluss auf Aussagen von Zeugen haben können, die bislang nicht bekannt waren und dementsprechend noch nicht vernommen wurden. Die Verbreitung von Spekulationen ist aber auch selbstverständlich aus Opferschutzgründen nicht hilfreich.“