Kiew. Mit einer ballistischen Rakete will sich Kiew unabhängig machen von den westlichen Partnern. Moskau gerät damit in Reichweite.

Weitreichendere Waffen für die Ukraine? Die Diskussion darüber ist ein wenig abgeebbt, doch der Bedarf Kiews ist weiterhin groß. Schließlich greift Russland die Ukraine Tag für Tag an, häufig mit Drohnen, die irgendwo im russischen Hinterland starten. Für Kiew steht fest: Man ist vorerst unverändert auf die eigene Rüstungsproduktion angewiesen.

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Die ukrainischen Militärs haben mittlerweile eine Reihe von Langstreckendrohnen entwickelt, die gelegentlich tief in Russland einschlagen. Innovative Seedrohnen führten zur Vollblamage der russischen Schwarzmeerflotte – und die neue ukrainische Raketen-Drohne Paljanyzja soll bereits erfolgreich im Einsatz sein.

Doch der massive russische Beschuss geht weiter, die Ressourcen des Feindes gehen nicht so schnell zur Neige. Der Ukraine wird es nicht gelingen, westliche Waffenlieferungen zu ersetzen. Die Erlaubnis für den Einsatz von der britischen „Storm Shadow“-Marschflugkörper oder ATACMS ist aus Kiewer Sicht alternativlos. Zumal Russland die Ukraine seit diesem Jahr auch mit nordkoreanischen Raketen beschießt, während Iran neben den Shahed-Kampfdrohnen nun auch seine ballistischen Raketen an Moskau liefert.

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Ukraine: Neue Rakete könnte bedeutsame Reichweite haben

Vor diesem Hintergrund war es ein großer Erfolg für das angegriffene Land, als Ende August der erste erfolgreiche Testflug der neuen „Sapsan“-Rakete verkündet wurde. Staatschef Wolodymyr Selenskyj bestätigte den Test. Nicht mehr als ein Dutzend der Länder auf der Welt verfügen über eigens entwickelte ballistische Raketen. Über das „Sapsan“-Projekt wird weitgehend Stillschweigen bewahrt. Doch die Rakete soll, so viel sickerte durch, eine Reichweite von etwa 700 Kilometern haben, manche Experten sprechen von 1000 Kilometern. Sie soll einen Sprengkopf von einer halben Tonne transportieren können. Ihr Vorteil ist zudem, dass sie – anders als Drohnen – bewegliche Ziele ansteuern kann. Ihre Eigenschaften machen die Rakete zur Gefahr für zahlreiche Ziele im Landesinneren Russlands. Moskau etwa liegt 460 Kilometer von der ukrainischen Grenze entfernt.

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Vorbild für „Sapsan“ (zu Deutsch: Wanderfalke) soll die russische Iskander-Rakete sein. Diese fliegt 500 Kilometer weit (in einer modernisierten Version bis zu 600 Kilometer), und das in fünf bis sechs Minuten. Gegen solche ballistischen Raketen haben die meisten Flugabwehrsysteme keine Chance, mit Ausnahme der neuesten Versionen der „Patriot“-Systeme.

Ukraine: Ballistische Rakete schon zu Sowjetzeiten geplant

Dass die Ukraine nun ihre eigene ballistische Rakete so vorantreibt, ist lange vorbereitet worden. Schon zu Sowjetzeiten arbeiteten Ingenieure an einem Raketenprogramm für Interkontinentalraketen, aber damals fehlte das Geld. 2006 wurde die Entwicklung von „Sapsan“ begonnen, Jahre vor den militärischen Spannungen mit Russland.

2013 wurde das Projekt in der Amtszeit des prorussischen Präsidenten Wiktor Janukowytsch eingestellt, wohl nicht nur aus finanziellen Gründen. Denn der damalige ukrainische Verteidigungsminister, der die Einstellung von „Sapsan“-Entwicklungen verkündete, stellte sich als heimlicher russischer Staatsbürger heraus, der sich inzwischen auf der annektierten Krim aufhält.

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2016, zwei Jahre nach der Maidan-Revolution, der Krim-Besatzung und dem Beginn des Donbass-Krieges, wurde „Sapsan“ jedoch wieder ins Leben gerufen. Kurz vor dem russischen Großüberfall vom 24. Februar 2022 hieß es schließlich, dass „Sapsan“, je nach Quelle, zu 70 oder 80 Prozent fertig sei – und dass Saudi-Arabien an dem Kauf der Exportversion unter dem Namen „Hrim-2“ (Donner) interessiert sein könnte. Die Batterie, die „Sapsan“ starten soll, beinhaltet zwei Trägerraketen und Ladegeräte sowie zwei Kontrollmaschinen. Es ist jedoch davon auszugehen, dass der entscheidende Schritt in der Entwicklung nach dem Ausbruch der Vollinvasion erfolgte.

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Allerdings bleibt abzuwarten, wie es mit der Rakete weitergeht. Denn zwischen erfolgreichen Tests und dem praktischen Einsatz liegen oft Welten. Ob die Ukraine bereits eine industrielle Serienproduktion begonnen hat, ist nicht bekannt. Man kann davon ausgehen, dass bisher nur einzelne Modelle zu Testzwecken hergestellt wurden. Zudem braucht es ein spezielles Fahrzeug, das die Rakete transportiert. Auch das muss produziert werden. Sollte es aber gelingen, die notwendigen Bauteile, qualifizierte Fachkräfte und einen sicheren Ort für die Produktion zu finden, wäre das ein wichtiger Schritt, um Kiew von internationalen Waffenlieferungen unabhängiger zu machen.