Berlin. Der Krieg in der Ukraine ist ein Nährboden für gegen Antibiotika resistente Bakterien. Forschern bereitet die Entwicklung große Sorgen.
Gegen Antibiotika resistente Bakterien sind bereits in Friedenszeiten für Krankenhäuser eine Herausforderung. Doch in der von Krieg zerrütteten Ukraine breiten sie sich schneller aus als jemals zuvor. In den Feldkrankenhäusern kämpfen Sanitäter und Ärzte um die Leben der Soldaten, deren Wunden sich oftmals infizieren – und dann nicht richtig behandelt werden können, weil die Antibiotika nicht mehr wirken.
Denn wo Antibiotika massenhaft eingesetzt werden, wie im Ukraine-Krieg, entwickeln sich die Antibiotika-resistenten Bakterien besonders schnell. Das ist auch außerhalb von Konfliktgebieten ein Problem. Allein in Deutschland sterben laut dem Robert Koch-Institut (RKI) jährlich bis zu 9700 Menschen, weltweit sind es sogar 1,3 Millionen Tote. Eine „schleichende Pandemie“ nannte der ehemalige Präsident des RKI, Lothar Wieler, das Problem.
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Multiresistente Bakterien in der Ukraine: Soldaten infizieren sich in Krankenhäusern mit Keimen
Aus dem Feofaniya Krankenhaus in Kiew berichtet die „BBC“, dass mehr als 80 Prozent der eingelieferten Patienten mit Antibiotika-resistenten Bakterien infiziert seien. Die schiere Masse an Patienten erlaube es dem medizinischen Personal nicht die Standards einzuhalten, die notwendig seien, um eine Ausbreitung der Keime zu verhindern, erklärt der stellvertretende Chefarzt Dr. Andriy Strokan in dem Bericht.
Wie der Krieg geführt wird, bedeutet auch, dass Patienten weitaus mehr Bakterienstämmen ausgesetzt sind als in Friedenszeiten. Anders als die westlichen Soldaten in Afghanistan können die ukrainischen nicht mit dem Helikopter in ein Krankenhaus gebracht werden, sondern müssen verschiedene Stationen durchlaufen. So erhöht sich die Chance dramatisch, sich ausgerechnet dort mit den resistenten Bakterien zu infizieren.
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Forscher finden multiresistente Bakterienstränge in Ukraine
Antibiotika-resistente Bakterien haben die Fähigkeit entwickelt, den Wirkmechanismen von Antibiotika zu widerstehen. Die Resistenz entsteht durch natürliche Mutationen im Erbgut der Bakterien oder durch den Austausch von genetischem Material zwischen verschiedenen Bakterienstämmen.
Eine neue Entwicklung, die Forschern Sorgen bereitet, ist wie hochansteckend die multiresistenten Bakterien sind. Ein Forscherteam der Universität Lund in Schweden hatte bereits 2023 in Zusammenarbeit mit dem ukrainischen Mikrobiologen Oleksandr Nazarchuk die Proben von 141 Kriegsverwundeten untersucht. Dabei fanden sie mehrere Antibiotika-resistente Bakterienstränge. Rund sechs Prozent waren sogar resistent gegenüber allen Antibiotaka, die Forscher an ihnen testeten.
Ein Strang, der den Forschern besonders auffiel ist „Klebsiella pneumoniae“. Klebsiella kann Harnwegsinfektionen, Lungenentzündung, Hautinfektionen in Wunden und Sepsis verursachen. Die Wissenschaftler untersuchten deshalb in einer neuen Studie die Proben von 37 Patienten, bei denen zuvor nachgewiesen worden konnte, dass sie mit resistenten Bakterien infiziert sind. Das gesamte Genom der Bakterien wurde sequenziert, um herauszufinden, welche Gene die Resistenzen verursachen.
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Infektionen lassen sich kaum behandeln
Die Studie zeigte, dass die Bakterien die Gene besitzen, von denen angenommen wird, dass sie Resistenzen verursachen. „Wir stellten fest, dass ein Viertel von ihnen gegen alle verfügbaren antimikrobiellen Medikamente auf dem Markt resistent war; diese Bakterien scheine eine vollständige Resistenz (Multiresistenz) aufzuweisen“, sagt Professor Kristian Riesbeck, der Hauptautor der Studie in einem Statement. .
Durch diese Bakterien verursachte Infektionen ließen sich mit den Medikamenten, die heute zur Verfügung stehen, nur sehr schwer oder in manchen Fällen gar nicht mehr behandeln, warnt Professor Riesbeck.
Um herausfinden, ob die besonders resistenten Bakterien aus der Ukraine sich auch leicht ausbreiten, infizierte das Forschungsteam Mäuse und Insektenlarven mit den Strängen. Die Ergebnisse der Experimente sind besorgniserregend.
Multiresistente Bakterien sind auch besonders ansteckend
„Es zeigte sich, dass die Bakterienarten, die am stärksten gegen Antibiotika resistent waren, auch diejenigen waren, die bei Mäusen im Zusammenhang mit einer Lungenentzündung am besten überlebten“, erklärt Professor Riesbeck. „Zudem waren diese Bakterienarten so aggressiv, dass sie die Insektenlarven deutlich schneller abtöteten als die Bakterien, die weniger antibiotikaresistent waren.“
Die genetische Analyse der Klebsiella-Bakterien zeigte ebenfalls, dass die multiresistenten Keime auch besonders ansteckend sind. „In vielen Fällen verlieren Bakterien ihre Fähigkeit, zu infizieren und Krankheiten zu verursachen, weil ihre ganze Energie darauf verwendet wird, Antibiotika-Resistenzen zu entwickeln“, so Professor Riesbeck. Vielleicht hätten die Forscher die Bakterien unterschätzt.
Die Bakterien werden sich wahrscheinlich unter den Verwundeten in der Ukraine weiter ausbreiten, schlussfolgert die Studie. Solange Patienten nicht isoliert behandelt werden können, werde das Problem weiterbestehen, sagt Professor Riesbeck. „Das ist für uns alle überraschend und leider ein besorgniserregendes Zeichen für die Zukunft.“