Kiew. Russland hat massive Angriffe auf die ukrainische Energieversorgung gestartet. Klar ist: Den Menschen steht ein harter Winter bevor.
Es ist schon seit fast zwei Monaten eine traurige Gewohnheit im Kriegsalltag: Fast jede Nacht werden rund um Kiew die Menschen aus dem Schlaf gerissen, weil Russland die Hauptstadt angreift. Am frühen Sonntagmorgen aber bewahrheitete sich, was seit langem vermutet wird: Russland startete mit einem der größten Luftangriffe seit Beginn des russischen Angriffskrieges die dritte Welle seiner Attacke auf die ukrainische Infrastruktur. Laut ukrainischer Luftwaffe setzte Russland 120 Raketen unterschiedlichster Typen ein, dazu 90 Drohnen. Betroffen waren nahezu alle ukrainischen Regionen. 102 Raketen und 42 Drohnen konnten den ukrainischen Informationen zufolge von der Flugabwehr abgefangen werden.
In den Wochen zuvor hatte sich Russland mit Raketenangriffen zurückgehalten – offenbar, um die Geschosse für den Winter zu sammeln. Dass die Energieversorgung im Fokus der Angriffe steht, daraus macht auch das Verteidigungsministerium in Moskau keinen Hehl.
Ukraine-Krieg: Russland greift gezielt die Energieversorgung des Landes an
Die erste Welle auf die Energieversorgung begann schon vor gut zwei Jahren, im Oktober 2022. Bis Mitte März 2023 attackierte Russland die Ukraine mit einem größeren Angriff pro Woche. Im Einsatz waren dabei jeweils meist 50 bis 60 Raketen und Marschflugkörper. Die Folge: Einige Regierungsbezirke mussten ein paar Tage ohne Strom, Heizung und Leitungswasser verbringen. Oder die Energieversorgung wurde stundenweise ausgesetzt; die Menschen lebten damit, dass auf drei Stunden mit Strom drei Stunden Stromausfall folgten. Zu einer Vollkatastrophe mit einem totalen Blackout kam es dabei allerdings nicht.
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Im Winter 2023/2024 blieben die russischen Angriffe gegen ukrainische Energieobjekte überraschend aus. Doch Ende März 2024 fing Russland wieder dort an, wo es im Jahr zuvor aufgehört hatte. Allerdings veränderte Moskau die Taktik im Vergleich zur vorigen Beschusswelle. Während Russland im Winter 2022/2023 vor allem auf Transformatoren und Umspannwerke zielte, um weniger die Stromerzeugung an sich zu zerstören und mehr dafür zu sorgen, dass der Strom beim Endkunden schlicht nicht ankommen kann, setzt der Kreml seit Frühjahr dieses Jahres seine teuersten Raketen und Marschflugkörper wie zum Beispiel aeroballistische Kinschal-Raketen ein, um gezielt Gas-, Kohle- und Wasserkraftwerke zu zerstören.
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Selenskyi warnt: Russland könnte Infrasturktur der Atomkraftwerke angreifen
Wie groß der Schaden bisher ist, lässt sich objektiv nicht einschätzen. An den heißen Julitagen, als viele Klimaanlagen liefen, kam es in diesem Sommer allerdings zu massiven Einschränkungen: Auf sieben Stunden ohne Strom folgten nur zwei Stunden mit Strom.
Mit Blick auf den gerade beginnenden Winter 2024/2025 warnen dagegen der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj und sein Außenminister Andrij Sybiha schon seit September, dass Russland diesmal die Infrastruktur der Atomkraftwerke, nämlich vor allem deren Umspannwerke, angreifen könnte: Es würde sich nicht direkt um den Beschuss der AKWs handeln, allerdings könnte es dazu kommen, dass sie vorerst stillgelegt werden müssten.
Russland hat Gas- und Kohlekraftwerke angegriffen
Zwar befindet sich das AKW Saporischschja unter russischer Besatzung und liefert längst keinen Strom mehr ins ukrainische Netz. Doch die drei anderen ukrainischen AKWs sichern nach wie vor den Strom im Land. Sollte eines davon stillgelegt werden müssen, drohen der Ukraine wochenlange Blackouts und Stromabschaltungen, die deutlich über die bisherigen Einschränkungen hinausgehen.
Bei den Angriffen am Sonntag hat Russland zwar auf das Worst-Case-Szenario verzichtet und wieder vor allem Gas- und Kohlekraftwerke angegriffen. Doch das hat bereits dazu geführt, dass beispielsweise in der südukrainischen Großstadt Odessa die Stromversorgung wackelt.
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Auf die Ukrainerinnen und Ukrainer wartet ein harter Winter
Was jetzt schon klar ist: Auf die Ukrainerinnen und Ukrainer wartet ein schwerer Winter, der nahezu unausweichlich von Stromabschaltungen begleitet sein wird. Das passt zum derzeitigen Abnutzungszustand, in dem sich der Krieg findet – und zur Zermürbungsstrategie Russlands.
Immerhin: Die bisher gelieferten Kampfjets F-16 konnten wie erhofft die ukrainische Flugabwehr klar verstärken. So wurden rund zehn Ziele am Sonntag abfangen. Das zeigt, wie sehr die Ukraine auf eine weitere Verstärkung der Flugabwehr angewiesen ist.
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