Berlin. Seit 75 Jahren wirkt die Nato wie ein Schutzbrief. Die Ukraine hätte gern eine „Fast Lane“ zum Club, für den Putin unfreiwillig wirbt.
Wenn er Nato hört, ist Russlands Präsident Wladimir Putin schnell gereizt. Der Ukraine-Krieg ist seine Botschaft an das westliche Bündnis: bis hierhin, nicht weiter. Fühlt er sich bedrängt? Umgekehrt: Was ist so reizvoll am Bündnis? Die Nato – einfach erklärt.
In der Nato gilt die Losung: Alle für einen. Einer für alle. Dieser Eine, das sind die USA. Wer dem Club beitritt, will Sicherheit. Das Versprechen gilt bis heute, wenn das Bündnis vom 9. bis zum 11. Juli in Washington Jubiläum feiert. Hier wurde es vor 75 Jahren gegründet: am 4. April 1949.
Nato: Wartesaal für Selenskyj, Fast Lane für Finnen und Schweden
Bisher suchte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj vergeblich nach einer „Fast Lane“ zum Club. Für Schweden und Finnland gab es sie. Die skandinavischen Staaten gaben sich neutral, beide sind erst im Zuge des Ukraine-Krieges beigetreten, die Finnen im April 2023, die Schweden im März 2024. Die Aufnahme der Ukraine sähe indes wie eine kaum verhohlene Kriegserklärung aus. Deswegen wird Selenskyj vertröstet. Die Tragik der Ukraine liegt darin, dass sie nicht rechtzeitig Nato-Mitglied werden konnte.
Putin paradox: Er wollte mit dem Einmarsch in die Ukraine dem Militärbündnis Grenzen aufzeigen. Er erreichte das Gegenteil: Sie wurde größer, nicht kleiner. Sein Krieg um die Ukraine ist ein Krieg um eine Pufferzone zwischen Russland und dem Westen.
Bündnisfall: Der Mythos vom Beistand
Die westlichen Staaten fühlten sich nach dem Zweiten Weltkrieg von der kommunistischen Sowjetunion bedroht. Die Nato ist eine Folge des Kalten Kriegs, ein Abbild einer bipolaren Weltordnung: Hier die westlichen Staaten um die USA, dort die militärische Allianz des Warschauer Pakts mit der Sowjetunion als Führungsmacht. Das ist die Welt, in der Putin groß wurde – und vermisst.
An der militärischen Spitze steht stets ein US-Soldat. Die USA üben die absolute Dominanz aus, gerade militärisch. Sie sind die führende Atommacht. Der Mythos vom Beistand beruht auf dem Glauben, dass die USA für ihre Partner Risiken eingehen. Heute sorgen sich viele um die Ankermacht: Würde ein Präsident Donald Trump zum System der kollektiven Sicherheit stehen?
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Nato steht für „North Atlantic Treaty Organization“, auf Deutsch: „Nordatlantikpakt“. Generalsekretär ist Jens Stoltenberg. Der frühere norwegische Regierungschef ist seit 2014 im Amt. Der Niederländer Mark Rutte soll ab Oktober das Amt übernehmen.
Die Nato machte sich breit – und Putin Angst
Ein Blick auf die Verteidigungsausgaben genügt: 2024 geben die USA rund 886 Milliarden Dollar aus. Das sind mehr als drei Prozent ihrer Wirtschaftsleistung und mehr als alle anderen Nato-Partner zusammen.
Mit der Zeit machte sich Nato breiter und breiter. Die Türkei kam 1952, die Bundesrepublik 1955, Spanien erst 1982. Mit der Osterweiterung trat dann ein Rutschbahneffekt ein.
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Zu den zwölf Gründungsmitgliedern gehörten die Kriegsgewinner Großbritannien und Frankreich, dazu dieUSA und Kanada sowie einige europäische Staaten mit einer geografisch offensichtlich atlantischen Ausrichtung, so etwa Portugal und Norwegen.
Ein Kind des Kalten Krieges
Nach dem Zerfall der Sowjetunion 1991 löste sich der "Warschauer Pakt" auf, nicht jedoch die Nato. Für Putin war das eine Tragödie. Umso mehr, als viele der alten Verbündeten in der Folgezeit der Nato beitraten.
Die Osterweiterung begann mit dem Nato-Gipfel 1997 in Madrid, als Staaten wie Polen, Tschechien und Ungarn dazukamen. Weitere sollten bald folgen, Bulgarien etwa oder die baltischen Staaten, zuletzt Finnland und Schweden.
Das sind die Nato-Mitglieder
Heute hat die Nato 32 Mitglieder:
- Albanien
- Belgien
- Bulgarien
- Dänemark
- Deutschland
- Estland
- Finnland
- Frankreich
- Griechenland
- Island
- Italien
- Kanada
- Kroatien
- Lettland
- Litauen
- Luxemburg
- Montenegro
- Niederlande
- Nordmazedonien
- Norwegen
- Polen
- Portugal
- Rumänien
- Schweden
- Slowakei
- Slowenien
- Spanien
- Tschechische Republik
- Türkei
- Ungarn
- USA
- Vereinigtes Königreich
Es ist nie gelungen, echtes Vertrauen zwischen der Nato und Russland zu schaffen, obwohl es sogar einen gemeinsamen Rat gibt. Von Moskau aus betrachtet, ist die Nato ein Militärbündnis, das bedrohlich der russischen Grenze näherkommt.
Eine Zumutung für Putin
Das Ende der Rutschbahn markiert ein Nato-Gipfel. 2008 in Bukarest sagte das Bündnis Georgien und der Ukraine eine Mitgliedschaft zu - allerdings ohne einen Zeitrahmen zu nennen.
Vor allem Deutschland und Frankreich hatten darauf gedrängt, auf ein Datum zu verzichten. Sie wussten allzu gut, was sie Putin zumuteten. Noch im selben Jahr kam es zum Georgien-Krieg. Sechs Jahre später wurde die Krim überfallen und besetzt.
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"Eine weitere Nato-Osterweiterung ist nicht zu akzeptieren. Was ist daran nicht zu verstehen?“, fragte Putin auf einer Pressekonferenz noch Ende 2021, "wir wollen unsere Sicherheit festigen.“
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Zu dem Zeitpunkt drängte die Ukraine auf die Einlösung des Nato-Versprechens von 2008. Derweil bereitete Putin den Krieg vor und ließ Truppen an die Grenze verlegen.
Nato: Erst „hirntot“, nun hellwach
Zuletzt schwächelte die Nato. Die Amerikaner orientierten sich mehr Richtung Pazifik. Noch vor wenigen Jahren bezeichnete der damalige US-Präsident Trump das Bündnis als "obsolet". Frankreichs Premier Emmanuel Macron sprach 2019 im Interview mit dem britischen „Economist“ vom „Hirntod der Nato“. Jetzt ist sie wieder hellwach: einig und mehr denn je bereit, Geld für Waffen auszugeben. Auch Deutschland ist eisern entschlossen, zwei Prozent der Wirtschaftsleistung für die Bundeswehr auszugeben.
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