Berlin. Mit der Invasion der Ukraine hat Russland die Welt schockiert. Wann macht Kremlchef Putin Halt? Welche Ziele verfolgt er mit dem Krieg?
- Im Februar 2022 begann Russlands Angriff auf die Ukraine
- Millionen Menschen sind geflohen, Hunderttausende gestorben
- Warum hat Präsident Wladimir Putin die Ukraine angegriffen?
Der 24. Februar 2022 markiert eine Zeitenwende: Überfall auf die Ukraine. Wie konnte es so weit kommen? Wir erklären den Ukraine-Krieg.
Was hat Putin in der Ukraine vor?
Zu Beginn wollte Russlands Präsident Wladimir Putin die Ukraine erobern. 2022 sprach er von einer „Entnazifizierung“. Heute stellt der Kremlchef einen größeren Zusammenhang her: als Auseinandersetzung mit dem Westen.
Im August 2024 startete die Ukraine eine Offensive und eroberte Teile der russischen Grenzregion Kursk. Jetzt erleben die Russen selbst, was die Ukrainer seit Februar ertragen müssen: Zerstörung und Flucht. Was zunächst wie eine begrenzte Aktion aussah, könnte den Kriegsverlauf ändern.
Szenario Nummer eins: Putin ist gezwungen, zur Verteidigung von Kursk Truppen aus der Ukraine abzuziehen. Folge: Erst eine neue Balance, später Friedensverhandlungen. Die Region Kursk wäre für die Ukraine dann eine politische Verhandlungsmasse.
Szenario Nummer zwei: Die Ukraine bezahlt einen Preis für die Kursk-Offensive. Sie kann den russischen Vormarsch in der Ost-Ukraine nicht stoppen, weil ihre Kräfte in Kursk gebunden sind. Putin entscheidet den Krieg für sich.
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Unverändert ist sein Bestreben, Grenzen zu verschieben, seinen Einflussbereich zu vergrößern. Er will erstens eine Pufferzone zwischen Nato und Russland schaffen, zweitens das westliche Bündnis vom Asowschen Meer fernhalten, drittens den Zugang zum Schwarzen Meer über die Krim absichern. Ein Kernziel ist, eine Mitgliedschaft der Ukraine in EU und Nato zu verhindern.
Während der Westen über Putin empört ist, verhält sich der größte Teil der Welt neutral. Für viele Staaten in Afrika, Asien und Lateinamerika ist der Ukraine-Krieg ein Regionalkonflikt.
Ukraine-Krieg: Was hat Putin erreicht?
Die ersten zwei Jahre waren ein Desaster. Viele Annahmen Putins erwiesen sich als falsch. Jäh scheiterte der Versuch, die Ukraine blitzartig zu erobern. Russlands Verluste waren und sind bis heute enorm.
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Ferner glaubte er wohl, dass die Amerikaner mit sich beschäftigt waren und die europäischen Wähler die hohen Energiepreise in Folge des Krieges und der Sanktionen nicht lange hinnehmen würden. Putin hat die Widerstandskraft der Ukraine und die Entschlossenheit ihrer Verbündeten unterschätzt.
Die meisten Experten gaben der Ukraine keine Chance. So sagte General Mark Milley, Stabschef der US-Streitkräfte, Anfang Februar 2022 im Kongress in Washington, dass das russische Militär Kiew in nur zweiundsiebzig Stunden einnehmen könnte. Es kam anders. Die Ukrainer haben Freund und Feind überrascht.
Wie schlägt sich die Ukraine?
Inzwischen läuft ein Abnutzungskrieg. Der entscheidet sich über die Ressourcen. Wenn es um die Durchhaltefähigkeit geht, ist Russland im Vorteil. Es melden sich immer noch genug Freiwillige, und die Reserven an Waffen sind enorm.
Die Kampfmoral der Ukrainer scheint ungebrochen. Eine Konstante ist ihre Abhängigkeit von westlichen Waffen. Im Sommer 2024 startete die Ukraine sogar eine Gegenoffensive über die Grenze hinweg im Raum Kursk.
Möglich wurde dies nicht zuletzt, weil die USA und andere Partner es der Ukraine erlaubt haben, ihre Waffen auch gegen militärische Ziele im russischen Kernland einzusetzen. Das Eskalationsrisiko steigt.
Ein Standardwerk in der Fachliteratur heißt „Demokratien im Krieg“. Die Amerikaner Dan Reiter und Allan C. Stam vertreten darin die Theorie, dass die Siegesaussichten von Autokraten tendenziell steigen, je länger ein Krieg andauert. Ganz einfach deswegen, weil umgekehrt Demokratien stets auch die Stimmung berücksichtigen und ihre Wähler mitnehmen müssen.
Der Diktator hingegen wird seinem Volk jedes Opfer abverlangen. „Das war mein Fehler“, erkannte der inzwischen abgelöste ukrainische Armeechef Walerij Saluschnyj. „Russland hat mindestens 150.000 Tote verloren. In jedem anderen Land hätten solche Verluste den Krieg beendet.“
Putins Planungshorizont reicht nach Einschätzung des britischen ThinkTanks „Rusi“ bis 2026. Spätestens dann soll die Ukraine besiegt werden. . Mit steten Geländegewinnen soll die Ukraine zur Kapitulation gezwungen werden.
Wie lange kann Putin durchhalten?
Die Russen haben nach westlichen Informationen über 500.000 Soldaten in der Ukraine. Sie können Personalstärke und Angriffstempo beibehalten. Sobald eine Einheit ein Drittel ihrer Soldaten verloren hat, wird sie ausgetauscht.
Zwar hat Russland seine Rüstungsproduktion hochgefahren und stillgelegte Werke wieder in Betrieb genommen. Jährlich werden etwa 1.500 Panzer und 3.000 gepanzerte Fahrzeuge geliefert. Aber: Zu etwa 80 Prozent sind etwa die Panzer keine Neuproduktion. Sie stammen aus alten Beständen, werden instandgesetzt und modernisiert. Irgendwann dürften die Lagerbestände erschöpft sein. Nur wann?
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Was treibt Putin an?
Der Zerfall der Sowjetunion ist das politische Trauma in Putins Leben. Er würde es gern rückgängig machen. Ein erster Schritt war schon der Tschetschenien-Krieg. In einer "Kriegsrede" thematisierte Putin selbst den Nato-Gipfel 2008. Damals hatte das Bündnis der Ukraine und Georgien einen Beitritt in Aussicht gestellt – wenn auch ohne konkretes Datum. Wenig später griff Putin militärisch in Georgien ein. Er wollte einen Vormarsch der Nato stoppen. Nach dem gleichen Muster verfuhr er später mit der Ukraine.
Der Ukraine sprach Putin in einem Geschichtsaufsatz und in mehreren Reden das Recht auf Unabhängigkeit ab. Die Russen haben ein Sonderverhältnis zur Ukraine, historisch, kulturell, religiös. Auch die Sprachen sind verwandt. Für Putin gehört die Ukraine zu Russland – er spricht dem Land seine Souveränität ab.
2014 hat er erst die Krim annektiert und die Separatisten in den Ostgebieten der Ukraine unterstützt. Das Kalkül war, die Ukraine zu destabilisieren. Nachdem sie nicht wunschgemäß mit Unterwerfung reagiert hatte, folgte der Einmarsch in die von den Separatisten besetzten Gebiete und der Angriff auf das ganze Land.
Wie endet dieser Krieg?
Generell enden Kriege auf zwei Arten: Wenn die eine Seite die andere besiegt und ihr einen Frieden diktieren kann. Oder? Wenn die Kriegsparteien lieber einen Kompromiss schließen, als eine Auseinandersetzung fortzuführen, die keiner gewinnen kann. Die Gefahr ist groß, dass der Ukraine-Krieg noch Jahre andauert und mitten in Europa eine Demarkationslinie wie zwischen Nord- und Südkorea entsteht.
Wie will Putin weiter vorgehen?
Ende 2024 stehen in den USA Präsidentschaftswahlen an. Putin hofft, dass Donald Trump das Rennen macht und als Präsident die Unterstützung für die Ukraine reduziert. Auch die Erfolge von Rechtspopulisten in Europa dürften ihm in die Karten spielen. Viele dieser Parteien sympathisieren mit Russland. Im Raum steht auch der Verdacht, dass einige Politiker auf Putins Lohnliste stehen.
Putins Minimalposition ist, wie es in politischen Kreisen heißt, dass die Ukraine die unter russischer Kontrolle stehenden Territorien abtritt. Sie soll sich außerdem verpflichten, nicht der NATO beizutreten. Inzwischen reden beide Seiten fast nur dann miteinander, wenn sie Gefangene austauschen wollen. Aber gleich zu Beginn des Krieges haben sie über insgesamt drei Monate verhandelt und damals die Grundlagen für einen Friedensvertrag erarbeitet. Die Dokumente von damals geben Aufschluss über Putins Denken.
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Über zwei Jahre und viele, viele Opfer später sind beide Seiten weit von einem Friedensschluss entfernt. Und noch immer stellt man sich eine Frage: Wann macht Putin Halt? Vier mögliche Antworten:
- Szenario Nummer eins: Die Teilung der Ukraine. Das Minimalziel.
- Szenario Nummer zwei: Die russischen Truppen nehmen Kiew ein und rücken bis zur Nahtstelle zur EU vor. Der Traum russischer Nationalisten. Weitere Teile der früheren Sowjetunion wären bedroht, etwa Moldawien und die baltischen Staaten.
- Szenario Nummer drei: Ein langer Stellungskrieg, bis der Konflikt eingefroren wird – und jederzeit wieder aufbrechen kann.
- Szenario Nummer vier: Russland verkalkuliert sich. Die Verluste werden zu groß. Am Ende: Rückzug.
Wie könnten die Alternativen zu einem Diktatfrieden aussehen?
Eine Möglichkeit wäre nach dem Beispiel Österreichs eine Neutralität der Ukraine. Eine weitere Möglichkeit wäre ein internationaler Vertrag, der den Sicherheitsbedenken Russlands Rechnung trägt. Eine aus westlicher Sicht falsche Lösung wäre die Installation eines Vasallenstaates mit einer Russland-hörigen Regierung wie in Weißrussland.
Ein Zeitfenster für Verhandlungen könnte sich 2025 öffnen. Es hängt stark vom Ausgang der US-Wahl ab; davon, ob die Amerikaner ihre Militärhilfe einstellen oder nicht. Es gibt Hinweise darauf, dass beide Seiten im Sommer 2024 Geheimgespräche führen wollten, um wenigstens in Teilbereichen eine Verständigung zu erzielen, beispielsweise wechselseitig die Energienetze nicht anzugreifen. Wegen der Kursk-Offensive kam es aber nicht dazu.
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Ukraine-Konflikt: Was droht Deutschland?
Der Ukraine-Krieg löste einen Flüchtlingsstrom Richtung Westen aus. Deutschland hat die Waffenhilfen für die Ukraine aufgestockt und die Bundeswehr aufgerüstet. Längst trat Verteidigungsminister Boris Pistorius eine Debatte über eine Neuauflage der Wehrpflicht los. Die Truppe soll „kriegstüchtig“ werden soll.
Wie reagiert die Nato?
Die Nato stärkte ihre Ostflanke. Finnland trat dem Bündnis bei, Schweden folgte. Da Putin mit dem Einsatz von Atomwaffen gedroht hat, gab es erste Rufe nach einer atomaren Abschreckung der EU. Es ist klar geworden, dass der Kremlchef nicht vor nuklearer Erpressung zurückschreckt.
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