Washington. Trump sieht kurz vor der Wahl den „Feind im Inneren“ als größte Bedrohung und fordert radikale Methoden. Es hagelt massive Vorwürfe.
Nicht China, Russland oder andere auswärtige Akteure sind für Donald Trump drei Wochen vor der Wahl die größte Bedrohung für Amerika. Es ist der „Feind im Inneren“.
Der Republikaner meint damit, wie er in einem TV-Interview unkommentiert sagen durfte, „einige sehr schlechte Menschen, ein paar kranke Leute, linksradikale Irre“; etwa demokratische Kongress-Abgeordnete. Ihnen traut der 78-jährige Präsidentschaftskandidat zu, rund um den Wahltag am 5. November Chaos zu säen.
Um das zu verhindern, wirbt Trump für beispiellos radikale Methoden – „wenn nötig durch die Nationalgarde, oder wenn wirklich nötig, durch das Militär“.
Kagan: Faschismus kommt mit einem „Fernsehdeppen“ nach Amerika
Das unverhohlene Plädoyer für den Einsatz der Armee gegen die eigene Bevölkerung (der laut Verfassung im Grunde verboten ist und nur unter ganz spezifischen Extrembedingungen denkbar wäre) hat dem Ex-Präsidenten, der im Wettstreit mit der Demokratin Kamala Harris seit Wochen nach einem Gewinnerthema sucht, massive Faschismusvorwürfe eingetragen.
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„Es reicht“, sagte der republikanische Trump-Kritiker Bill Kristol. „John Kelly (Ex-Stabschef Trumps – d. Red.) und Jim Mattis (Ex-Verteidigungsminister Trumps – d. Red.) sollten jeweils einen Werbespot für Kamala Harris machen, direkt in die Kamera, in dem sie erklären, wie eine zweite Amtszeit von Trump eine Bedrohung für die Verfassung wäre, auf deren Einhaltung sie geschworen haben, und für die Nation, der sie gedient haben.“
Die Empörung trifft Trump nicht zum ersten Mal.
Bereits vor der Wahl des New Yorker Immobilien-Unternehmers 2016 ließ der neo-konservative Publizist Robert Kagan eine weltweit registrierte Warnung vom Stapel. Trumps Koketterie mit Wut, Hass und Furcht sei eindeutig: „So kommt der Faschismus nach Amerika, nicht mit Springerstiefeln und militärischem Gruß, sondern mit einem Fernsehdeppen, einem Pseudomilliardär, einem Egomanen aus dem Lehrbuch, der die Ressentiments und Unsicherheiten der Bevölkerung bedient und dem eine Partei, sei es aus Ambition, Loyalität oder Angst, bedingungslos folgt.”
Trump verglich Einwanderer mit „Ungeziefer“ und „Ratten“
Kagan zerstörte schon damals die Annahme, der Gang in die Diktatur würde sich quasi über Nacht vollziehen. Stattdessen sei eine schleichende Entfernung des Systems zu erwarten.
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Trump werde zunächst das Justizministerium als Geschütz auffahren, um sich an seinen politischen Widersachern zu rächen. Zudem werde er die Einwanderungspolitik militarisieren und Zigtausende Illegale zusammentreiben und ausweisen lassen. So würde Schritt für Schritt an das Machtinteressen ausgleichende System der „Checks and Balances“ der Meißel angesetzt.
Neun Jahre später ist der Hysterievorwurf, den Kagan damals kassierte, in Washington der realen Angst davor gewichen, dass Trump es im Falle seiner Wahl im Verein mit loyalen Helfershelfern tatsächlich darauf anlegen könnte, die amerikanische Demokratie mithilfe einer ihm hörigen Partei aus den Angeln zu heben.
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So hat das „Public Religion Research Institute“ analysiert, dass die 20 jüngsten Wahlkampfkundgebungen Trumps in puncto Rassismus und Sündenbocksuchen eine beängstigende Qualität gezeigt hätten. Er verglich Einwanderer mit „Ungeziefer“ und „Ratten“, die andererseits Haustiere äßen, kündigte Massendeportationen an, unterstellte Immigranten, sie würden mit ihren „schlechten Genen“ Amerika „vergiften“ und drohte mehrfach damit, Oppositionelle juristisch zu verfolgen und ins Gefängnis stecken zu lassen. Kamala Harris, seine Mitbewerberin um das Weiße Haus, bezeichnet er als „Kriminelle“, die eine „Armee von Kriminellen aus den Kerkern und Irrenhäusern der Dritten Welt“ importiere.
Expertin: Trump will Massenabschiebungen als vertretbar erscheinen lassen
Historiker wie die New Yorker Expertin Ruth Ben-Ghiat sehen bei Trump eine Eskalation der Sprache, die gezielt entmenschlicht und stigmatisiert; mit dem Ziel, Massenausweisungen als vertretbar erscheinen zu lassen, auch dann, wenn dabei Gewalt angewendet würde. Dass Trump „so explizit wird, wie es rhetorisch nur möglich ist”, findet der Faschismus-Experte Jason Stanley von der Yale-Universität bezeichnend und warnt vor der Annahme, Trump plustere sich nur auf, wenn er sagt: „Wir werden die Kommunisten, Marxisten, Faschisten und radikalen linken Schläger ausrotten, die wie Ungeziefer innerhalb der Grenzen unseres Landes leben.“
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Der ehemals ranghöchste US-Militär, General Mark Milley, bestätigt die Sorge. In dem an diesem Dienstag erscheinenden Buch von Star-Reporter Bob Woodward („War“) wird der ehemalige Stabschef aller US-Streitkräfte mit der Befürchtung zitiert, dass Trump ihn im Falle eines Wahlsieges vor ein Kriegsgericht stellen werde.
Milley geriet während seiner einjährigen Tätigkeit als Vorsitzender der Joint Chiefs of Staff unter Trump mehrfach bei der Bewertung geopolitischer Konflikte mit dem damaligen Präsidenten aneinander.
„Wir leisten keinen Eid auf einen König oder eine Königin, auf einen Tyrannen, Diktator oder Möchtegern-Diktator“
Als er im Herbst 2023 nach über 40 Jahren im Militär zurücktrat, ließ er in seiner Abschiedsrede mehrere versteckte Breitseiten auf den Republikaner ab: „Wir leisten keinen Eid auf einen König oder eine Königin, auf einen Tyrannen, Diktator oder Möchtegern-Diktator“, sagte er. Und erhielt dafür eine Flut von Morddrohungen. Nach seiner Pensionierung ließ General Milley in seinem Haus kugelsicheres Glas und explosionssichere Vorhänge anbringen.
Über Donald Trump spricht er gegenüber Woodward Klartext: „Niemand war jemals so gefährlich für dieses Land wie Donald Trump. Jetzt ist mir klar, dass er ein totaler Faschist ist.”