Washington. Der Ex-Präsident kündigt präventiv Gefängnisstrafen an und bereitet einen zweiten Sturm aufs Kapitol vor. So will er trotz Niederlage regieren.
Noch vier Wochen bis zur Wahl des Jahres. Kamala Harris oder Donald Trump? Alles ist offen in den USA. Nur eins steht fest: Sollte der Republikaner wie schon 2020 den Kampf ums Weiße Haus knapp verlieren, ist das die Ouvertüre für ein erneutes Drama, das nach Ansicht von Sicherheitsexperten wie vor vier Jahren mit einer Gewalt-Orgie wie beim Sturm aufs Kapitol enden kann.
Der Ex-Präsident und die ihm in großen Teilen treu ergebene „Grand Old Party“ hat die Weichen längst gestellt, um einen Wahlsieg von Kamala Harris im Vorfeld zu diskreditieren und später mit allen juristischen Mitteln anzufechten.
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Dazu passt: Weder Donald Trump noch sein Vize-Präsidentschaftskandidat J. D. Vance haben sich bisher klar dazu bekannt, dass sie das Wahlergebnis vom 5. November akzeptieren werden.
Donald Trump hetzt gegen die Post
Ein Harris-Sieg wäre allein auf Betrug zurückzuführen, hämmert Trump den Wählern ein. „Das ist die einzige Möglichkeit, wie wir verlieren können, weil sie betrügen“, sagte er bei einer Kundgebung in Michigan. Präventiv droht er Wahlhelfern und Stimmenauszählern, die er unter Betrugsverdacht setzt, mit Gefängnisstrafen.
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Wahrheitswidrig behauptet Trump, dass der Personalwechsel bei der Spitzen-Kandidatur von Joe Biden zu Kamala Harris gegen die Verfassung verstoße. Er unterstellt der US-Post eine „Katastrophe“ zu sein. Dort würde man „möglicherweise mit Absicht Hunderttausende Briefwahlunterlagen verlieren“ oder zu spät ausliefern. Der Chef der Behörde, Louis DeJoy, dementiert das vehement. Sein Haus habe 2020 99 Prozent aller Briefwahlunterlagen binnen einer Woche zugestellt, und man sei auch diesmal so vorbereitet, dass eine reibungslose Lieferung gewährleistet sei.
Donald Trump erweckt auch den Eindruck, dass die Demokraten mithilfe von Stimmzetteln an Militär-Angehörige und Amerikaner in Übersee betrügen würden. Weil die Unterlagen ohne Kontrolle der Staatsbürgerschaft und der Wahlberechtigung verschickt würden. Nichts davon stimmt nach amtlichen Angaben.
Trump beschuldigt stellvertretend den bevölkerungsreichsten Bundesstaat Kalifornien des Betruges bei der Stimmenauszählung. „Wenn ich mit einem ehrlichen Stimmenzähler in Kalifornien kandidieren würde, würde ich Kalifornien gewinnen, aber die Stimmen werden nicht ehrlich gezählt“, erklärte er im September. Auch das ist falsch: Es gibt keinen erwiesenen Wahlbetrug im Westküsten-Staat. Trump hat dort 2020 mit fünf Millionen Stimmen Abstand zu Joe Biden (gleich 29 Prozentpunkte) verloren. Weil es sich um einen überwiegend demokratischen Staat handelt, in dem seit über 30 Jahren kein republikanischer Präsidentschaftskandidat mehr gewonnen hat.
Was Trump treibt, entbehrt aus Fachsicht jeder Grundlage
Eine Strategie bei Trump überragt alle anderen: Begleitet von einflussreichen Stimmen wie der von Multi-Milliardär Elon Musk und dem früheren Ex-Fox-News-Moderator Tucker Carlson behauptet Trump, dass Hunderttausende illegal in den Wähler-Registern stehende Personen abstimmen werden. Dazu würden die Demokraten gezielt weitere Einwanderer importieren, um einen Ein-Parteienstaat zu errichten. „Sie können nicht einmal Englisch sprechen. Sie wissen praktisch nicht einmal, in welchem Land sie sich befinden“, sagt Trump, „und diese Leute versuchen, sie zur Wahl zu bewegen, und deshalb lassen sie sie in unser Land.“
Schon seit dem Sommer reichten Vertreter der Republikaner und Trump-naher Vorfeld-Organisation fast 100 Klagen ein. Dort wird im Kern behauptet, dass massenhaft Nichtstaatsangehörige das Ergebnis zu Ungunsten Trumps verfälschen werden. Und dass man darum in dem jeweiligen Landesbezirk das Wahlergebnis vom 5. November nicht ordnungsgemäß bestätigen kann.
Tatsache ist dagegen: 90 Tage vor der Präsidentschaftswahl (sprich: 7. August) darf nach einem Bundesgesetz kein Gericht mehr die Bereinigung der Wählerregister anordnen. „Die Republikaner setzen eine große Lüge ein, um ihre Bemühungen zu rechtfertigen, Wahlen zu stören oder zu kippen“, erklärt Wendy Weiser, Anwältin beim parteiunabhängigen „Brennan Center for Justice“.
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Was Trump und seine Helfershelfer treiben, zu denen die Nr. 3 im Staat, Mike Johnson, der Sprecher des Repräsentantenhauses in Washington, gehört, entbehrt aus Fachsicht jeder Grundlage. Nicht-Staatsbürger dürfen nicht an Wahlen auf Bundes- und Bundesstaats-Ebene teilnehmen. Das ist strafbar. Und kommt verschwindend selten vor.
Der Südstaat Georgia verabschiedet umstrittene Reform
Nach Analysen der Trump-nahen Heritage-Stiftung gab es in den USA seit den 1980er Jahren weniger als 100 Rechtsverfahren wegen illegaler Teilnahme an Bundeswahlen. 2020 fand selbst eine von Trump, der sich bis heute um den Wahlsieg betrogen fühlt, eingesetzte Untersuchungsgruppe keine Anhaltspunkte für substanziellen Wahlschwindel durch Ausländer.
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Eine zweite Säule der präventiven Bekämpfung der Wahl durch Trump-Anhänger ist die Wahlauszählung selbst. Hier hat der bereits 2020 von Trump in ein schiefes Licht gerückte Südstaat Georgia gerade eine umstrittene Reform verabschiedet. Sie läuft darauf hinaus, dass sämtliche Stimmen von Hand ausgezählt werden müssen. Was zu massiven Verzögerungen sowohl bei der ersten Stimmenauszählung als auch bei der späteren Bestätigung der Ergebnisse durch Beamte vor Ort führen könnte. Ziel ist es, im Falle eines für Trump unvorteilhaften Wahlausgangs zu verhindern, dass Georgia bis zum vorgeschriebenen Datum – 11. Dezember – ein Endergebnis vorlegen kann.
Trump und seine Wasserträger, von denen viele verurteilt wurden oder noch werden, hatten 2020 alternative Listen von Wahlleuten aus wichtigen Swing-Bundesstaaten vorlegt und damit den damaligen Vizepräsidenten unter Druck gesetzt. Mike Pence sollte diese Listen bei der Zertifizierung des „electoral college” berücksichtigen und nicht die echten, die ordnungsgemäß Stimmen für Joe Biden bedeuteten. Pence weigerte sich. Trump hetzte daraufhin einen gewalttätigen Mob gen Kongress (Sturm aufs Kapitol), um die Auszählung dieser Stimmen am 6. Januar 2021 zu verhindern. Nach diesem historisch einmaligen Sabotageversuch verabschiedete der Kongress ein Gesetz, das es den Bundesstaaten verunmöglicht, alternative Wahlleute in das 538-köpfige Gremium zu entsenden. Zur Abschreckung wurde 35 betrügerische Pro-Trump-Wahlleute strafrechtlich belangt.