Washington. In den USA wächst die Sorge vor einem nationalen Abtreibungsverbot unter Trump. Ein Arzt berichtet, welche Folgen er beobachtet.
- Elon Musk selbst hat elf Kinder und wünscht sich, dass mehr Amerikaner es ihm nachtun
- Doch der Zugang zu Reproduktionsmedizin und zu Abtreibungen besorgt seit der Wahl viele Bürger
- Die Frauen fürchten um ihre Selbstbestimmung und ihre körperliche Unversehrtheit
- Auch Männer gehen jetzt zunehmend einen drastischen Schritt
Die Rückkehr Donald Trumps ins Weiße Haus scheint die Familienplanung vieler Amerikaner stark zu beeinflussen. Allerdings nicht in die Richtung, die sich dessen Multifunktions-Chefberater Elon Musk (11 Kinder) vorstellt, der regelmäßig den Geburtenrückgang in den USA anprangert.
In den Tagen kurz nach der Wahl des Republikaners ist nach Angaben der hier führenden Organisation – Planned Parenthood – die Zahl der vereinbarten Arzttermine für eine Sterilisierung bei Männern wie Frauen drastisch angestiegen; zwischen 700 und 1200 Prozent im Vergleich zu Zeiten vor dem Urnengang am 5. November. Auch zunehmend jüngere Männer unter 30 stellen sich der Prozedur. Belastbare Zahlen gibt nicht, weil kein landesweites Register existiert. Schätzungen gingen bisher von rund 500.000 Sterilisierungen im Jahr in den USA aus.
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„Es könnten noch deutlich mehr werden”, sagt Dr. Esgar Guarín im Gespräch mit unserer Redaktion. Der Grund: „Wachsende Bereitschaft von Männern, bei der Verhütung Verantwortung zu übernehmen. Und eine drohende Verschärfung der rechtlichen Lage von Frauen, die keinen Zugang mehr zu Schwangerschaftsabbrüchen haben.”
Mobile Vasektomie-Klinik erlebt Boom nach Trump-Sieg bei Wahlen
Der Urologe betreibt seit vielen Jahren im Bundesstaat Iowa eine mobile Klinik für Vasektomien und fährt regelmäßig Hunderte Meilen übers platte Land, um seinen Service anzubieten. Bei dem 30-minütigen Eingriff, der rund 700 Dollar kostet, werden die Samenleiter durchtrennt. Für das Zehnfache kann die Prozedur in einem aufwändigeren Verfahren korrigiert werden; ohne dass es dabei eine Garantie für zurückerlangte Zeugungsfähigkeit gibt.
Guarín bestätigt den Trend: „Noch in der Nacht nach der Wahl haben acht Männer bei mir einen Termin angefordert. Insgesamt liegt der Anstieg bei uns bei 50 Prozent.” Dabei seien es nicht nur ältere Männern, die in ihrer Ehe keine weiteren Kinder mehr wollen und Vorsorge treffen. „In zwei Fällen, es handelte sich um ledige Männer im Alter von 25 Jahren, wurde der Schritt explizit mit Bestrebungen des Project 2025 begründet.”
Gemeint ist eine von der Heritage-Stiftung entwickelte fundamental-christliche Blaupause für Trumps zweite Präsidentschaft. Darin wird unter anderem ein nationales Abtreibungsverbot gefordert, obwohl eine Mehrheit der Amerikaner das ablehnt.
Selbstbestimmung als Reaktion auf Abtreibungsgesetze
Guarín zitiert dazu einen Patienten aus der vergangenen Woche: „Ich hatte das starke Bedürfnis, meine körperliche Selbstbestimmung zu nutzen, um meine Frau und mich vor staatlichen Eingriffen zu schützen.”
Das Phänomen, das Guarín und andere Urologen gerade erleben, ist nicht neu. Bereits im Sommer 2022, als der Oberste Gerichtshof in Washington die Frage der Abtreibung zum Entsetzen von Millionen Amerikanern in die Hände der 50 Bundesstaaten legte und damit einen Flickenteppich erzeugte, schnellte nicht nur die Zahl der Nachfragen in Arztpraxen und bei der Google-Suche zum Thema Sterilisierung nach oben – sondern auch die der tatsächlichen Eingriffe. Nach Zahlen des Gesundheitsdienstleister Komodo Health ließen sich im zweiten Halbjahr 2022 rund 20.000 Männer mehr als sonst sterilisieren.
Vor allem in Bundesstaaten wie Arizona, Florida, Georgia, Texas und Utah, die restriktive Gesetze verabschiedet haben, die eine Abtreibung bis auf ganz wenige Ausnahmen ab der sechsten Woche de facto unter Strafe stellen, nahmen Frauen, Männer und Familien die existenzielle Entscheidung selbst in die Hand.
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Angst vor Einschränkungen bei Verhütungsmitteln treibt Männer zur Sterilisation
Aus Kreisen des US-Urologen-Verbandes verlautete damals, dass männliche Patienten Angst hätten, dass andere Verhütungsmethoden nicht wirken oder auf den Index gelangen könnten, während parallel ihre Partnerinnen im Falle einer ungewollten Schwangerschaft vor kaum lösbaren juristischen Problemen stünden.
Dabei spielen ausweislich von Studien nicht nur die massiven Einschränkungen bei der „abortion”, dem Schwangerschaftsabbruch, eine Rolle. Sondern auch die von Höchstrichter Clarence Thomas 2022 offen angedeuteten Zweifel, ob Verhütungsmittel mit der Verfassung vereinbaren seien.
Für Dr. Guarín geht es vorwiegend darum, das Ungleichgewicht bei langfristigen Verhütungsmethoden zwischen Männern und Frauen zu beseitigen. „Auf eine Vasektomie kommen bei uns im Schnitt drei Tubenligaturen bei Frauen.” Dabei werden die Eileiter abgeklemmt oder verschweißt. Bei einer Salpingektomie werden hingegen beide Eileiter entfernt. Eine Methode, die entschieden teurer ist (bis zu 10.000 Dollar) und mehr Nebenwirkungen hat.
Steigende Nachfrage auch bei Frauen in den USA
Die Expertin Dr. Linda Shiber, Gynäkologin in Cleveland, sagt trotzdem: „Da der Zugang zu sicheren Abtreibungen in diesem Land zunehmend eingeschränkt wird, werden wir einen Trend zur chirurgischen Sterilisation als primäre Verhütungsmethode bei jüngeren Frauen sehen, die keine Kinder wollen.“
Aber die Männer holen auf. Vor 20 Jahren schätzten nationale Gesundheitsumfragen, dass rund 7 Prozent der männlichen Bevölkerung im Alter von 18 bis 45 Jahren sterilisiert waren. Bis 2020 sank die Zahl auf etwa 5,5 Prozent. Mittlerweile sei sie wieder im Anstieg begriffen, heißt es in der Praxis von Dr. Doug Stein.
Der Urologe aus Tampa, Florida, praktiziert seit vier Jahrzehnten. Pro Jahr führen seine Kliniken „zwischen 2500 und 3500 Vasektomien durch”, wie sein Büroleiter unserer Redaktion sagte. Stein weilt gerade im Ausland. Wenn er Ende des Monats zurückkehrt, wird die Warteliste lang sein. „Wir hatten in den ersten Tagen nach der Wahl 100 Prozent mehr Termin- und Beratungswünsche als in normalen Zeiten.”