Kallstadt/Bad Dürkheim. Donald Trumps Großvater ist einst nach Amerika ausgewandert. Was trägt Trump aus seiner früheren Heimat noch in sich? Eine Spurensuche.
- Donald Trump hat deutsche Wurzeln
- Sie liegen in einem kleinen Ort in der Pfalz
- Doch die Vorfahren des früheren US-Präsidenten hatten ein gespaltenes Verhältnis zum Dorf
- Auch Trump selbst erwähnt seine Herkunft nicht so gern
Weder Schild noch Tafel, geschweige denn so etwas wie ein Denkmal – nichts: Auf den aktuell berühmtesten Abkömmling Kallstadts gibt es in dem idyllischen Weindorf in der Pfalz keinerlei Hinweise. Nicht am Geburtshaus seines Großvaters, nicht im schmucken Ortskern, nicht im Rathaus. Und das beschreibt im Wesentlichen schon das heutige (Un-)Verhältnis der Einwohner zum amerikanischen Präsidentschaftskandidaten Donald Trump, dessen Großvater einst 1885 aus dem kleinen Ort in die weite Welt aufgebrochen war.
Nachdem bei der ersten Wahl Trumps noch ein internationaler Medienrummel über Kallstadt hinweggezogen war, ist es in diesem Jahr herrlich still, so wird es jedenfalls vor Ort empfunden. Die Frage, ob Trump gewinnt oder nicht, wird allenfalls mit einem Schulterzucken quittiert. Das war 2017 noch anders: Damals schwang in Interviews mit Kallstadtern durchaus noch so etwas wie Respekt für die augenscheinliche Erfolgsgeschichte des manischen Maulhelden mit. Vielleicht auch deshalb, weil die Kallstadter als „Brulljesmacher“ aufgezogen werden – mundartlich also als „Angeber“.
Steckt noch ein Pfälzer in Donald Trump – und wenn ja: wie viel?
Tatsächlich ist ein trumpähnlicher Typus in der Pfalz durchaus gängig. Man kennt ihn auch als „Baddscher“ – einen unangenehmen Typen, der laut und aufdringlich ist, alles besser weiß und wenn er genug vom heimischen Riesling intus hat, auch zu Handgreiflichkeiten neigt. Ich kenne solche Gestalten: Ich bin in der Gegend aufgewachsen und seit über 30 Jahren im Exil. Dennoch steckt die Heimat tief in mir. Fragt man nach meiner Herkunft, dann bin ich Pfälzer, wiewohl ich seit fast 25 Jahren im Ruhrgebiet lebe. Die Frage ist: Steckt auch noch ein Pfälzer in Trump – und tragen wir Pfälzer ergo eine Art kollektive und kulturelle Mitschuld an seinem seltsamen Wesen?
Ein Ortsbesuch soll Aufklärung bringen: Das Haus der Trumps in Kallstadt ist leicht zu finden, von wo aus der Großvater Friedrich Trump im Alter von 16 Jahren gen Amerika zog und die Geschichte also ihren Anfang nahm. Sie ist vielfach erzählt: Friedrich landete zuerst bei Verwandten in New York, nannte sich nun Frederick, wurde Amerikaner. Er zog von Manhattan weiter in den boomenden, immer noch Wilden Westen, investierte mutig als Gastronom sowie Hotel- und Bordellbetreiber, profitierte enorm vom Goldrausch am Yukon.
Im Jahr 1901, nun wohlhabend, kehrte er zurück nach Kallstadt, um sich eine Frau zu suchen, und heiratete 1902 die elf Jahre jüngere, frühere Nachbarstochter Elisabeth Christ. Sie gingen wieder nach Amerika – aber die junge Ehefrau kam mit der neuen Heimat nicht zurecht. Frederick Trump versuchte, die gemeinsame Rückkehr in die Wege zu leiten. Seine Anträge wurden allerdings abgeschmettert, weil er sich durch die Auswanderung der Wehrpflicht entzogen hatte. 1905 wog das schwer im mittlerweile militaristisch gewebten wilhelminischen Reich.
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Das Paar musste also fortan in den USA bleiben. Frederick Trump verstarb früh mit 50 Jahren. Es war letztlich seine Witwe, die mit ihrem Sohn Fred jr. ein millionenschweres Immobilienimperium aufgebaut hat, mit der ihr Enkel Donald später die Mär vom Selfmademilliardär verbreitete.
Ein roter Teppich für den Heimkehrer? Eher nicht
Würde die Heimat ihm heute einen roten Teppich ausrollen? Kallstadts Ortsbürgermeister Thomas Jaworek ist kein Mann vorschneller Antworten – er wägt ab. Tatsächlich sei ein möglicher Ortsbesuch mehrfach im Raum gestanden in der ersten Amtszeit von Donald Trump, berichtet er. Etwa als der einen Zwischenstopp mit der Präsidentenmaschine Air Force One auf dem nahe gelegenen Militärflughafen Ramstein eingelegt hatte. Mit dem Auto hätte er 45 Minuten gebraucht, um die Heimat seiner Ahnen zu besuchen. Man habe schon darüber nachgedacht, wie man den absehbaren Riesentross in der überschaubaren 1200-Seelen-Gemeinde würdig empfangen könne. Allein: Trump kam nicht.
Die Wahrheit dürfte sein: Donald pfeift auf die Pfalz und seine Wurzeln. Mindestens: Er hat sogar versucht, die Spuren zu verwischen. In jungen Jahren hat er die Mär verbreitet, seine Familie habe schwedische Wurzeln. Das hatte bereits der Vater aus geschäftlichen Gründen getan. Journalisten korrigierten diese Lüge. Als Trump 2014 in New York von einer Abordnung aus Kallstadt (dokumentiert in dem Film : „Kings of Kallstadt“) besucht wird, reagiert er gewohnt schnöselig und mit Plattheiten. Jedenfalls reichlich empathiefrei.
Inzwischen könnte man bilanzieren: Die Trumps durften 1905 nicht zurück. Heute würde kaum jemand jubeln: „Wenn er zu Besuch kommt, dann kommt er – wenn nicht, dann eben nicht.“ Mehr Enthusiasmus kann Trump von Kallstadt nicht mehr erwarten. „Irgendwie würde Donald Trump nicht so recht hierher passen“, sagt Bürgermeister Jaworek. Dabei ist er selbst ein Zugewanderter, der vor vielen Jahren aus Bayern kommend über Ausbildungsstationen in Japan und England schließlich seine berufliche Heimat beim nahe gelegenen Chemie-Riesen BASF und sein privates Glück in Kallstadt gefunden hat. Er hält die Pfälzer für ein herzliches, kommunikatives und integratives Völkchen.
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Er sagt rundheraus, was er denkt – immerhin das ist urpfälzisch
Die Beschreibung ist nach Ansicht von Christian „Chako“ Habekost mindestens leicht untertrieben. Der Comedian, Musiker und Autor ist der Pfalz-Flüsterer per se. Kaum jemand erklärt die Region, ihre Menschen, deren schwer verständlichen Dialekt sowie irritierende Gepflogenheiten so kenntnisreich wie liebevoll. Um zu prüfen, ob noch ein Pfälzer in Donald steckt, braucht es natürlich erst einmal eine Definition, was den eigentlich ausmacht.
Für Habekost ist es neben der herrlichen Landschaft zwischen Rheintal, Rebenmeer und dem unendlichen Pfälzer Wald vor allem die Sproooch, ein herrlicher Singsang, der ohne harte Konsonanten, ohne Genitiv auskommt, eine Sprache, die gerne laut sein kann, grob, aber gewitzt, dabei cool und situativ maulfaul – aber fast immer brutal direkt. „Der Pfälzer trägt das Herz auf der Zunge, er sagt geraderaus, was er denkt“, so Habekost.
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Den Dialekt beherrscht Trump natürlich nicht – ein Muster aber ist erkennbar. Auch Trump macht aus seinem Herzen keine Mördergrube und spricht aus, was viele denken (und andere nicht mal zu denken wagen). Wahrscheinlich eines seiner Erfolgsgeheimnisse. Eher unpfälzisch sei allerdings der Trump’sche Hang, absichtsvoll und methodisch zu lügen.
Land und Leute – ein dialektisches Konstrukt
Bei Punkt zwei der Defintion wird es ein bisschen metaphysisch: Der Pfälzer und die Pfalz, das sei auch ein zutiefst dialektisches Konstrukt, erklärt Habekost. Die Gegend im Südwesten Deutschlands ist aufgrund ihrer Lage seit Urzeiten Zankapfel, Aufmarsch- und Kriegsgebiet, war mal keltisch, mal römisch, mal bayrisch, mal französisch – jahrhundertelang blieben die unterschiedlichsten Menschen hier hängen.
Heute ist es eine üppige Landschaft, die Heerscharen von Touristen anlockt – und dennoch hat sie sich ihre Eigenarten bewahrt, die Dörfer blieben Dörfer, wie Kallstadt, das es seit 1200 Jahren gibt. Diese Widersprüchlichkeit finde man auch in den Einwohnern, sagt Pfalz-Kenner Habekost: Sie seien weltoffen, gleichzeitig auch tief verwurzelt, offenherzig, aber auch etwas linkisch, wenn das Rampenlicht allzu sehr auf sie fällt. Herzlich bei der unmittelbaren Begegnung, aber steif, wenn sie förmlicher werden sollen. Und solcherart gelebter Widerspruch, solche Zwischentöne seien dem eindimensionalen Egomanen Trump völlig fremd, der immer wieder beweist, dass er sich nur und komplett um sich selbst drehe.
Ohne Wein ist die Pfalz kaum denkbar
Damit kommen wir zum wichtigsten Punkt, an dem Donald Trump den Kontakt zu den Wurzeln ganz offensichtlich und total verloren hat: Man kann die Pfalz und die Pfälzer nicht verstehen, ohne ein Weinfest mit ihnen erlebt zu haben. Weinanbau wird hier seit 2000 Jahren betrieben. Getrunken wird er schon länger, wie man aus keltischen Grabfunden weiß. Der Wein prägt Landschaft und Leute und ist Thema einiger Superlative: 220 Quadratkilometer Anbaufläche, 2,4 Millionen Hektoliter Ertrag. Es gibt in Bad Dürkheim das größte Weinfass der Welt und mit dem Wurstmarkt (Worschdmaagd) das größte Weinfest der Welt, die älteste noch gefüllte Weinflasche aus der Römerzeit befindet sich in Speyer. Insgesamt finden in der Region knapp 500 große und kleine Weinfeste statt.
Und bei diesen Festen sind die feierwütigen Pfälzerinnen und Pfälzer ganz bei sich: Eine sehr tragende Rolle spielt dabei die Weinschorle, wobei die regionale Mischung weitgehend auf Wasser verzichtet. Getrunken wird heftig und viel aus Gefäßen, die woanders als Blumenvasen durchgehen: die typischen Schoppen (0,5 Liter). Nicht umsonst ist ein gängiger Spruch hier: In der Pfalz muss einer schon viel saufen, bis man sagt: Der trinkt. Man sitzt beieinander, frotzelt, witzelt, flirtet, streitet (der Pfälzer nennt es „dischpeddiere“) laut und wortreich. Es geht ums Beieinandersein und Miteinandersein, auch soziale Schranken halten dem Ansturm der Schorle-Seligkeit selten stand. Fremde werden umarmt. Es geht darum, das Leben zu feiern.
Und man kann sich Donald Trump in einem solchen Rahmen partout nicht vorstellen, meint Habekost. „Der hat doch auch nie gelernt zuzuhören.“ Trump auf einem Weinfest, den Schoppen teilend mit dem Banknachbarn? Undenkbar. Trumps politische Botschaften verströmen Aggression, ja Hass. Das widerspricht zutiefst dem Wesen dieser frohsinnigen Region. Vielleicht hätte ja geholfen, hätte er in seinem Leben ein paar Hektoliter mehr Riesling-Schorle getrunken. Aber der Zug ist wohl endgültig durch. Deshalb dürfte „Chako“ Habekost mit seinem Wunsch nicht alleine sein: dass Donald Trump trotz seiner Pfälzer Ahnen die Gegend auch künftig lieber meiden möge.
Lesetipp: Christian Habekost – Gebrauchsanleitung für die Pfalz/ Piper / ISBN: 978-3-492-27698-6
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