Berlin. Die deutschstämmige Joanna Mleczko lebt in Missouri. Ihre Nachbarn: durchweg religiöse Trump-Wähler. Nun zieht sie radikale Konsequenzen.
Mit jedem neuen Schild im Vorgarten der Nachbarschaft wächst das Gefühl, umzingelt zu sein. Mit jeder MAGA-Flagge auf einem Pick-Up-Truck, mit jedem Handwerker, der einen Trump-Sticker auf seinem Auto hat und dann für eine Reparatur ins Haus kommt. Das Gefühl, an ihrem Wohnort nicht dazuzugehören, ja, von allen Seiten abgelehnt zu werden, kann Joanna Mleczko jetzt nicht mehr ignorieren. „Es nimmt mir die Luft zum Atmen“, sagt sie.
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Seit gut vier Jahren lebt die Deutsche gemeinsam mit ihrem Mann Cris, einem Software-Ingenieur, in Doniphan, Missouri. Mit dabei: vier Pferde, sechs Hunde, zwei Schafe, zwei Ziegen, sieben Kühe und ein paar Fische. Knapp 2000 Menschen leben in Doniphan. Die nächste Großstadt liegt drei Stunden mit dem Auto entfernt. Es gibt mindestens 14 Kirchengemeinden vor Ort, ein beachtliches Angebot. Für die Mleczkos ist allerdings nichts dabei – sie sind nicht religiös und fallen allein dadurch schon auf. „Das ist das Stadtgespräch, wenn man am Sonntag nicht im Gottesdienst war“, sagt die 39-Jährige. Vor Ort praktiziert sie als Tierärztin, betreibt einen Kastrations- und Sterilisations-Service für Hunde und Katzen. Auch deswegen, sagt sie, bekommt sie andauernd religiöse Botschaften von Kunden – „du bist ein Werkzeug Gottes“, heiße es da manchmal.
Joanna und Cris Mleczko zogen nach Missouri – und wollten ihren Traum leben
Joanna Mleczko ist eigentlich Wissenschaftlerin. Ursprünglich stammt sie aus Polen, wuchs im Norden Niedersachsens auf und ging zum Studium nach Berlin. 2011 kam sie in die USA, um an der Cornell University im Bundesstaat New York Tiermedizin zu studieren. Später stieg sie in die Forschung ein. Wer mit ihr spricht, fühlt sich ein bisschen an die Serie „Young Sheldon“ erinnert, in der der autistische und hochintelligente zehnjährige Sheldon Cooper dem Pastor im ländlichen Texas im Gottesdienst ins Wort fällt und die Schöpfungsgeschichte als ganz nett, aber unwissenschaftlichen Unfug entlarvt. So scharf scheint auch der Kontrast zwischen den Mleczkos und ihren aktuellen Nachbarn zu sein.
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Hergezogen sind die beiden von ihrem vorherigen Wohnsitz im Bundesstaat New Mexico vor allem, weil Grundstücke in Missouri günstig sind und sie viel Land brauchten, um ihre Pferde direkt am Haus weiden zu lassen. Es war ihre Traumvorstellung vom perfekten Leben. Kinder wollten sie nie haben, „die Tiere sind unsere Kinder“, sagt Mleczko. Ein Punkt, für den sie regelmäßig hasserfüllte Kommentare bekomme. „Es ist für die Leute hier nicht akzeptabel, dass man als Frau einen Wert hat, der über die Mutterschaft hinausgeht.“
Cris‘ Eltern leben in der Nähe, „das heißt hier, wir brauchen 45 Minuten mit dem Auto zu ihnen“, sagt sie. Doch was auch als familiäre Annäherung gedacht war, scheiterte rasch an politischen Ansichten: Cris‘ Vater ist ein überzeugter „Trumpist“. Joanna sagt von sich selbst, dass sie schon als Jugendliche einen starken Gerechtigkeitssinn hatte, dass soziale Gleichbestimmung für sie wichtig ist. Leuten gegenüberzustehen, die gegen Frauenrechte wählen und Minderheiten hassen, das könne sie nicht mit sich selbst vereinbaren.
„Es ist das Gefühl von Isolierung“
Als sich im Sommer 2024 abzeichnete, dass Donald Trump eine reelle Chance haben würde, erneut zum Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt zu werden, reifte in Cris und Joanna ein radikaler Entschluss: Sie würden auswandern. Wegen Trump. Wegen des Gefühls, in den USA umringt zu sein von rechtskonservativen Menschen, denen sie ihre wahre, liberale, wissenschaftsbasierte Haltung zu Abtreibung, Impfungen, Kirche und vielen anderen Themen nicht anvertrauen können.
„Es ist das Gefühl von Isolierung“, sagt sie. „Man entwickelt eine Art Paranoia – ich habe konstant das Gefühl, wenn hier Razzien beginnen würden, um undokumentierte Einwanderer einzusammeln, dann würden die Dorfbewohner die Behördenmitarbeiter auch zu meiner Adresse schicken.“ Sie ist überzeugt: Wäre sie nicht weiß, wäre die Hemmschwelle noch geringer. Die eine Frau, die offen ein Biden-Harris-Plakat im Vorgarten stehen hatte, bekommt noch immer Morddrohungen.
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Es gibt im Ort eine mexikanische Familie, um die sich Joanna Mleczko besonders Sorgen macht. „Manche von denen sind bestimmt nicht legal hier.“ Joanna selbst tut alles, um sich an Recht und Gesetz der Vereinigten Staaten zu halten. Doch auch sie steht derzeit vor einem Problem: Genau genommen verfügt sie nicht über alle notwendigen Papiere. Ihre Greencard ist abgelaufen. „Wir haben die Dokumente zur Erneuerung vor über einem Jahr eingereicht, und seitdem ist nichts passiert.“ Auf Nachfrage hieß es bei ihrem Anwalt, die normale Bearbeitungszeit betrage zwei Jahre.
Jede Polizeikontrolle könnte ihr zum Verhängnis werden
Wie auf rohen Eiern bewegt sie sich deshalb durch den öffentlichen Raum. Jede Polizeikontrolle könnte ihr zum Verhängnis werden, fürchtet sie. „Ich habe keinen legalen Status, ich bin ständig auf der Hut.“ Dass ihre Ehe mit einem US-Staatsbürger ihr helfen könnte, darauf setzt sie nicht – und sagt: „Wenn ich das als weiße, gebildete, wohlhabende Frau eines Amerikaners nicht auf die Reihe kriege, heißt das nur eines: Die USA wollen nicht, dass hier irgendjemand einwandert.“
Cris und sie haben ihre Umzugspläne abgeschlossen. Im Frühjahr ziehen sie in die kanadische Provinz Nova Scotia. Ein anderer Bundesstaat in den USA erschien ihnen zu unsicher – „die derzeit demokratisch regierten Staaten werden nicht mehr lange ein Refugium darstellen“. Schon jetzt arbeiteten etwa die Republikaner an einem bundesweiten Abtreibungsverbot.
Da Cris und Joanna mit allen Tieren wegwollen aus den Staaten, kam nur ein Überlandtransport infrage. Dafür haben sie sich einen alten gelben High School-Bus zugelegt und die Sitze ausgebaut, darin fahren sie mit den Hunden und ihren persönlichen Sachen Richtung Norden. Die anderen Tiere übernimmt ein Umzugsunternehmen. „Es ist“, sagt Joanna Mleczko, „das Ende einer vierjährigen Depression“.
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