Washington/Berlin. Brasiliens Regierung hat sich mit Washington angelegt – und musste klein beigeben. Eine erste Militärmaschine mit Miganten erreicht jetzt Bogotá.
Kaum eine Woche nach Amtsantritt von US-Präsident Donald Trump ist der erste massive Konflikt zwischen den USA und einem lateinamerikanischen Land über die Rückführung von Migranten ausgebrochen. Und es ist weder Mexiko noch Panama, sondern überraschenderweise Kolumbien, das Trump mit Strafen zu überziehen drohte.
Ausgangspunkt der Kontroverse: Der linke Staatschef des südamerikanischen Landes, Gustavo Petro, verweigerte am Sonntag US-Militärflugzeugen mit abgeschobenen kolumbianischen Migranten die Landeerlaubnis wegen des Vorwurfs der „würdelosen Behandlung“ der Menschen.
Trump reagierte auf die kolumbianische Weigerung mit Wut und Wucht und verhängte umgehend Strafzölle in Höhe von 25 Prozent auf kolumbianische Importe. Auf seinem Kanal Truth Social kündigte er zudem ein Einreiseverbot für Regierungsmitglieder sowie Beschränkungen im Zahlungsverkehr an. Zudem stellte die US-Botschaft in Bogotá ab sofort keine Visa für kolumbianische Staatsbürger mehr aus. Am späten Abend (Ortszeit) kündigten dann beide Regierungen doch noch eine Beilegung der Kontroverse an.
Und tatsächlich: Kolumbiens Präsident, der in einem trotzigen Brief an Trump ebenfalls mit Zöllen gedroht hatte, knickte ein. Die kolumbianische Regierung habe allen Bedingungen Trumps zugestimmt, einschließlich der „uneingeschränkten Aufnahme“ aller Kolumbianer, die aus den Vereinigten Staaten zurückgeschickt würden, teilte Trumps Sprecherin Karoline Leavitt mit.
Der kolumbianische Außenminister Luis Gilberto Murillo bestätigte, die festgefahrene Situation mit der US-Regierung sei gelöst worden. Auf Anweisung Petros habe man das Präsidentenflugzeug bereitgestellt, um die Rückkehr der Kolumbianer zu erleichtern.
Vienen nuestros connacionales desde EEUU libres, dignos, sin estar esposados.
— Gustavo Petro (@petrogustavo) 28. Januar 2025
Estructuramos plan de crédito productivo, asociativo y barato para el migrante
El migrante no es un delincuente, es una persona humana libre. pic.twitter.com/hRbgCELIF6
Und tatsächlich: Am Dienstag landete dann ein Flugzeug der kolumbianischen Luftwaffe in der Hauptstadt Bogotá. „Sie sind Kolumbianer, sie sind frei und würdig, und sie sind in ihrem Heimatland, in dem sie geliebt werden“, teilte Kolumbiens Präsident Gustavo Petro auf der Plattform X mit. „Der Migrant ist kein Krimineller, er ist ein Mensch, der arbeiten und vorankommen will, der leben will“, schrieb er über die aus den USA zurückgeführten Menschen an Bord des Flugzeuges.
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Strafzölle auf Erdöl, Kaffee, Blumen
Damit sind drakonische Strafen erst mal vom Tisch. Kommende Woche hätten die Strafzölle auf 50 Prozent steigen sollen. „Wir werden nicht zulassen, dass Bogotá seine Verpflichtung zur Rücknahme von Kriminellen, die es in die Vereinigten Staaten gezwungen hat, verletzt“, schrieb Trump. Die USA sind Kolumbiens größter Handelspartner – und so dürften die Sanktionen das südamerikanische Land hart treffen. Es exportiert vor allem Erdöl, Kaffee und Blumen nach Nordamerika.
Trump hatte im Wahlkampf angekündigt, Menschen ohne Aufenthaltsrecht in den USA des Landes zu verweisen. Seit Sonntag lässt er mit Razzien nach ihnen suchen. In den Vereinigten Staaten leben schätzungsweise elf Millionen Menschen ohne gültige Papiere, knapp die Hälfte unter ihnen sind Mexikanerinnen und Mexikaner.
Anscheinend stehen den Staaten Lateinamerikas schwere Wochen bevor, in denen der Druck aus Washington zunehmen dürfte. Mexiko soll vom 1. Februar an ebenfalls 25 Prozent Strafzölle zahlen, Panama wird wegen der geforderten „Rückgabe“ des Kanals weiter unter Druck gesetzt und bekommt in der Angelegenheit diese Woche bereits Besuch von US-Außenamtschef Marco Rubio.
Ende des amerikanischen Traums?
Die kolumbianische Analystin Diana Calderon rief am Sonntag bereits das endgültige Ende des „sueño americano“ aus, des „amerikanischen Traums“. In den USA seien die lateinamerikanischen Migranten und die Region nun endgültig zu Feinden geworden.
Sandra Borda, Politologin an der Universidad de los Andes in Bogotá, fürchtet, dass der Konflikt zwischen Petro und Trump abschreckend auf andere Länder der Region wirkt. „Die US-Regierung nutzt diese Kontroverse, um dem Rest der Welt zu zeigen, was Ländern passiert, die nicht bereit sind, den US-Forderungen zu folgen“, sagte Borda der BBC.
Tatsächlich wirken Trumps ruppige Schritte gegen Kolumbien, als wollte er ein Exempel statuieren. Die Vergeltungsmaßnahmen sind nicht nur die ersten der US-Regierung gegen ein anderes Land in Einwanderungsfragen, es sind auch die ersten Strafzölle, die der neue Herr im Weißen Haus verhängt. Das Sanktionspaket umfasste auch den sofortigen Entzug von Visa für kolumbianische Regierungsvertreter und Familienmitglieder. Zudem hätten die Zollkontrollen aller kolumbianischen Staatsangehörigen und Fracht aus „Gründen der nationalen Sicherheit“ verschärft werden sollen.
Weiterhin verkündete Trump „vollständige Steuer-, Banken- und Finanzsanktionen“ in seinem Post auf Truth Social. Im Gegenzug kündigte Petro ähnliche Maßnahmen an und drohte ebenfalls mit der Einführung von Zöllen in Höhe von 50 Prozent auf aus den USA importierten Waren.
Kolumbien gibt nach, Brasilien beschwert sich
Petro hatte die Landeerlaubnis mit der Begründung verweigert, ein Migrant sei kein Krimineller und müsse mit Würde behandelt werden. Kolumbien werde seine Staatsangehörigen in zivilen Flugzeugen zurücknehmen. Er stelle dafür auch seine Präsidentenmaschine zur Verfügung, betonte der kolumbianische Staatschef. Am späten Sonntagabend gab Petro nach und akzeptierte auch die Repatriierung in Militärmaschinen, falls Washington dafür die Zölle nicht verhänge. Außenminister Murillo werde in den kommenden Tagen nach Washington reisen.
Die Einigung ist ein großer Erfolg für Trump. Der Republikaner dürfte sich in seiner Strategie bestätigt fühlen, internationale Partner durch Einschüchterungen und drastische Drohungen unter Druck zu setzen, um seine Ziele zu erreichen. „Die heutigen Ereignisse machen der Welt deutlich, dass Amerika wieder respektiert wird“, schrieb Trumps Sprecherin Karoline Leavitt.
Vor Kolumbien hatte sich Brasilien bereits über die „entwürdigenden“ Umstände der Repatriierung seiner Landsleute beschwert. Bei einer Zwischenlandung in der Amazonas-Stadt Manaus verlangte die Regierung von Präsident Lula da Silva, dass den 88 Männern und Frauen die Fesseln an Händen und Füßen abgenommen werden müssten.
US-Konsumenten drohen höhere Preise
Für die kolumbianische Wirtschaft sind die Exporte in die Vereinigten Staaten von existenzieller Bedeutung. 2022 ging ein Viertel der Gesamtausfuhren in die USA. Fast 40 Prozent waren Rohöl, weitere jeweils elf Prozent Kaffee und Blumen. Darüber hinaus Bananen und Avocados. Im Blumensektor, der vor allem 200.000 Frauen Arbeit bietet, werden die Strafzölle am schnellsten zu spüren sein. Der bevorstehende Valentinstag am 14. Februar ist die Spitzenzeit für Verkäufe in die Vereinigten Staaten.
Auch ein knappes Drittel des in den USA konsumierten Kaffees wird aus Kolumbien importiert und erreicht einen Gesamtwert von fast zwei Milliarden Dollar. Voraussichtlich werden die Sanktionen also als Erstes die US-Konsumenten in Folge steigender Preise zu spüren bekommen.
US-Außenminister Marco Rubio reist in seiner ersten internationalen Mission überhaupt nach Zentralamerika und besucht außer Panama noch Guatemala, El Salvador, Costa Rica und die Dominikanische Republik. Im Mittelpunkt dürfte das Thema Migration stehen und wie diese Staaten die massive Auswanderung ihrer Bevölkerung in Richtung USA stoppen können.
In Panama wird der Minister die Verärgerung Washingtons darüber zur Sprache bringen, dass das Hongkonger Unternehmen „Hutchison Ports“, hinter dem der Multimilliardär Li Ka-shing, steckt, zwei der fünf Häfen am Panamakanal betreibt.
Auch wenn die Souveränität über den Kanal technisch gesehen nicht an China übergeben wurde, besäße Peking heute in Wirklichkeit „durch ihre Unternehmen, von denen wir wissen, dass sie nicht unabhängig sind,“ die Fähigkeit, den Kanal in einem Konfliktmoment zu blockieren, behauptet Rubio. „Und das ist eine direkte Bedrohung der nationalen Sicherheit der USA.“
Mexiko schmiedet Pläne
Während Kolumbien und Panama den Konflikt mit Trump ausfochten, reagiert das wichtigste und größte Land im unmittelbaren Einzugsgebiet der USA diplomatisch und macht Zugeständnisse. Mexikos Präsidentin Claudia Sheinbaum verkündete einen langfristigen Wirtschaftsplan, der beinhaltet, dass asiatische Importe durch regionale nordamerikanische Produktion ersetzt werden sollen.
Außerdem erhebt Mexiko einen Zoll von 19 Prozent auf Produkte, die es über die chinesischen Online-Plattformen Temu oder Shein importiert. Letztlich hat die Regierung die Beschlagnahmung von Fentanyl und Raubkopien aus China verstärkt.
Sheinbaum verspricht, ihr Land bis 2030 zu einer der zehn führenden Wirtschaftsnationen der Welt zu machen. Mexiko, derzeit die Nummer zwölf der Weltwirtschaft, will dafür die einheimische Produktion fördern, Arbeitsplätze im verarbeitenden Gewerbe schaffen und Bürokratie abbauen, um Investitionen ins Land zu holen.