Washington. Vor seiner Anhörung im Senat als potenzieller Gesundheits- und Sozialminister steht der 71-Jährige schwer in der Schusslinie.
Von allen Kandidaten im neuen Kabinett von Donald Trump sitzt er auf dem heißesten Stuhl: Robert F. Kennedy Jr., Sohn und Neffe ermordeter Glanzlichter der gleichnamigen demokratischen Politiker-Dynastie, wird bei der entscheidenden Anhörung des Senats-Finanzausschusses ein wahres Fragen-Gewitter überstehen müssen, um den ihm zugedachten Posten des Gesundheits- und Sozialministers zu bekommen.
Kennedys vollmundige Versprechen, die Strukturen seines Ressorts zu zerschlagen, das ein Finanzvolumen von mehreren Billionen Dollar verantwortet, den Einfluss der Gesundheitsindustrie auf die Regierung zu brechen und „Amerika wieder gesund zu machen” (Make America healthy again), hat landauf, landab heftige Kontroversen ausgelöst.
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Hunderte Ärzte warnen in öffentlichen Brandbriefen vor der Installierung des Mannes, der noch vor einem Jahr ein mit Trump rivalisierender Präsidentschaftskandidat war. Andere sehen in dem 71-Jährigen eine Art Allzweckwaffe gegen ein Gesundheitssystem, das im weltweiten Maßstab viel zu teuer und zu ineffizient ist, gleichwohl Millionen Kranke produziert.
Gigantische Querschnittsaufgabe: Abtreibungspolitik, staatliches Krankensystem, globale Gesundheit
Als HHS-Sekretär bekäme Kennedy, der noch nie einen großen Apparat geleitet hat, eine gigantische Querschnittsaufgabe. Das Ministerium befasst sich mit der Abtreibungspolitik wie mit der Behandlung von Drogenkranken. Auch die globale Gesundheit – Viren, Seuchen, etc. –, und der Klimawandel wie der medizinische Datenschutz fielen im Falle einer Bestätigung in seinen Zuständigkeitsbereich. Mindestens 50 von 100 Senatoren müssten sich für ihn aussprechen.
In dem Falle fiele ihm auch die Aufsicht über die großen staatlichen Kranken- und Sozialversicherungs-Versorger Medicare und Medicaid zu. Auch die weltweit angesehenen Forschungseinrichtungen „National Institutes of Health” und die Arzneimittel-Behörde „Food and Drug Administration” (FDA) unterstünden künftig der Marschroute eines Mannes, vor dem in Medizin und Forschung viele warnen.
Mit die schwersten Geschütze fahren ausgerechnet konservative Medien auf, deren Bosse (Rupert Murdoch etwa) symbiotisch enge Beziehungen zu Donald Trump pflegen. So hat das ihm gehörende „Wall Street Journal” in einem Leit-Kommentar dringend zur Nicht-Wahl Kennedys aufgerufen.
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Seit Nominierung: Kennedy Jr. hat öffentliche Impfskepsis abgemildert
Zwar habe der in Kalifornien lebende Jurist seine hinlänglich bekannte Impfskepsis abgemildert, trauen dürfe man Kennedy aber trotzdem nicht. Das WSJ listet erneut auf, dass Kennedy behauptet hatte, der Masern-Impfstoff verursache Autismus, obwohl unzählige Studien keinen ursächlichen Zusammenhang festgestellt haben. Der Polio-Impfstoff, so Kennedy, habe möglicherweise viel mehr Menschen getötet als das eigentliche Virus. Auch das Corona-Vakzin sei oftmals lethal.
Seit seiner Nominierung durch Trump, der sich dafür erkenntlich zeigte, dass Kennedy im vergangenen Jahr seine eigene Präsidentschaftskandidatur zurückzog, beteuert der von der eigenen Familie angefeindete Millionär, dass er niemandem die Impfstoffe wegnehmen wolle. Sie sollten lediglich gründlich(er) untersucht werden; auf dass sich die Amerikaner auf die Sicherheit der Vakzine verlassen können.
Kritiker nehmen ihm die moderate Attitüde nicht ab. Sie verweisen darauf, dass Kennedy als Anwalt mehrere Millionen Dollar dafür erhalten hat, Klienten an Anwaltskanzleien, die diverse Impfstoff- und Arzneimittelhersteller verklagt haben; etwa das Unternehmen Merck wegen seines Gardasil-Impfstoffs, der vor dem humanen Papillomvirus schützt – einem der größten Risikofaktoren für Gebärmutterhalskrebs.
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Nicht nur Impfskepsis und „Star-Power“ – Kennedy hat auch mehrheitsfähige Ideen
„Solche Interessenkonflikte sind normalerweise ein Ausschluss-Kriterium”, sagen demokratische Kongress-Abgeordnete. Sie befürchten, dass Kennedy als Minister befreundeten Prozess-Anwälten zu neuen Aufträgen verhelfen könnte. Was wiederum mit seinem Anspruch als unbestechlicher Korruptionsbekämpfer und unabhängiger Gesundheits-Papst kollidieren würde. Das Fazit des „Wall Street Journal“ ist vernichtend: „Die Senatoren wären gut beraten, RFK Jr.s Karriere als Verbreiter von Unwahrheiten zu glauben und nicht seinen Bekehrungen.“
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Bei der Breitband-Kritik wird ausgeblendet, dass Kennedy, der aus Trumps Sicht vor allem „Star-Power“ wegen seines Namen mitbringt, Ideen propagiert, die durchaus mehrheitsfähig sind. Er will Schul-Mahlzeiten gesünder machen, hoch verarbeitete Lebensmittel verbieten, die für Fettleibigkeit und Diabetes verantwortlich gemacht werden, und die vielen staatlich unkontrollierten Zusatzstoffe etwa in Eiscreme oder Tiefkühlgerichten einschränken. Damit befindet sich Kennedy auf einer Linie mit vielen Lobby- und Interessengruppen, die seit Jahrzehnten darüber klagen, dass Amerikaner sich viel zu ungesund ernähren.
Gleichwohl halten viele Fachleute Kennedys Impf-Standpunkt für entscheidend bei der Frage, ob man dem stets tief gebräunten Mann die Schalthebel im Gesundheitswesen übertragen darf. „In der Medizin sagen wir: Richten Sie vor allem keinen Schaden an. Ich bin sicher nicht davon überzeugt, dass RFK Jr. unserer Impfpolitik und unseren Kindern nicht eine Menge Schaden zufügen würde“, sagt Tom Frieden, einst Direktor der Gesundheitsbehörde CDC.
Abzuwarten bleibt, ob republikanische Senatoren (ihre demokratischen Counter-Parts werden RFK Jr. mehrheitlich durchfallen lassen) ihr Abstimmungsverhalten von sachfremden Details abhängen machen: Um die von Trump geplanten Steuersenkungen vorzugsweise für Reiche und Unternehmen zu finanzieren, müssen bei den Bundesausgaben Milliarden-Summen eingespart werden. Niemand im Kabinett hat mehr „Fett, das man wegschneiden könnte” als Kennedy, erklärt ein Gesundheits-Experte der Denkfabrik Brookings.