Langenberg. Mitte Juli setzen der Hardenberger und der Deilbach Teile der Altstadt von Velbert-Langenberg und einige Straßen in Nieremhof unter Wasser.
Dreißig Minuten im Juli haben das Leben in Langenberg mehr geprägt, als viele andere Ereignisse davor oder danach – und sie haben neben großen Zerstörungen auch Hoffnung gebracht.
Es ist der 14. Juli und es regnet. Und regnet. Und regnet. Hardenberger Bach und Deilbach führen schon viel Wasser, über die vielen kleineren Bäche strömt noch mehr die Langenberger Hügel hinab. Und dann treffen die Wassermaßen auf das eingeengte Bachbett der Altstadt.
Feuerwehr ist in Langenberg mit 120 Leuten im Einsatz
Innerhalb von einer guten halben Stunde steigt der Pegel dermaßen schnell, dass Gegenmaßnahmen fast gar nicht mehr möglich sind. „Innerhalb von dreißig Minuten war der untere Teil der Altstadt überflutet“, meldete damals Jens Berker von der Einsatzleitung der Feuerwehr. Die ist mit 120 Leuten in der Spitze im Einsatz – doch auch sie ist machtlos gegen die Flut.
Ruckzuck ist der Froweinplatz überspült, die Tiefgarage und zahlreiche Keller laufen voll. In der Märkischen Straße wird das Kopfsteinpflaster weggerissen, die Häuser stehen teilweise bis zur Unterkante des Obergeschosses unter Wasser. Betroffen sind auch Teile der Kamper Straße.
Der Strom ist in den überfluteten Bereichen weg, die Fellerstraße wird unterspült, zwei Brücken gehen kaputt und auch in Nierenhof steigt das Wasser besonders im Grünen Winkel und am Grenzweg. Mehrere Personen muss die Feuerwehr aus ihren Autos befreien, in Nierenhof wird ein Haus evakuiert.
Nach dem Wasser bleiben Schlamm und Müll
Doch genau so schnell wie es gekommen ist, ist das Wasser auch wieder weg. Was bleibt: Schlamm und Müll, tonnenweise Müll. Und es beginnt das Kapitel des Hochwassers, das Mut macht. Denn eine weitere Welle erfasst Langenberg – eine Welle der Hilfsbereitschaft.
Bereits am Donnerstagmorgen sind die ersten Freiwilligen da, in den Sozialen Medien bieten viele Menschen ihre Hilfe an. Die Stadt richtet auf ihrer Homepage eine eigene Infoseite ein, verschiedene Organisationen richten Sammelstellen für Spenden ein.
Überwältigende Hilfsbereitschaft
Währenddessen wird in der Altstadt und in Nierenhof malocht – und schon am Montagmorgen ist das beeindruckende Ergebnis zu bestaunen: Die Straßen sind frei und befahrbar, zahlreiche Keller und Erdgeschossräume sind bereits leer. Das Brummen von Elektrogeneratoren liegt über den nun sonnenbeschienen Straßen und Gassen.
„Überwältigend, einfach Gänsehaut“, beschreibt Arnt Schiller vom „Alt-Langenberg“, wie sich die Hilfsbereitschaft für ihn anfühlt. „Eine ältere Dame stand in Gummistiefeln und mit einer Schippe hier, gemeinsam mit ihrem Enkel. Das war einfach toll.“
„Wie bei den Heinzelmännchen“, beschreibt Carina Bongardt den Einsatz der Freiwilligen. „Da kamen Leute aus ganz Deutschland, die kannten sich vorher gar nicht. Manche haben sich sogar extra Urlaub genommen.“ Und wer nicht mit anpacken kann, hilft anders – bringt Getränke, grillt, backt Kuchen.
Stadtwerke und TBV im Dauereinsatz
Lob gibt es von den Betroffenen aber nicht nur für die freiwilligen Helferinnen und Helfer, sondern auch für die, die beruflich im Dauereinsatz sind. „Die Jungs von den Technischen Betrieben haben gearbeitet, bis sie nicht mehr konnten“, ist WAZ-Leserin Jasmin Freyer beeindruckt.
Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stadtwerke Velbert sind auch fast rund um die Uhr vor Ort, damit die Häuser wieder Strom haben, damit Anschlüsse wieder funktionieren. Feuerwehr, Polizei und Rettungssanitäter sind ebenfalls gefordert – ein Einsatz, für den die Betroffenen unglaublich dankbar sind.
Bürgerstiftung sammelt Spenden und hilft Betroffenen
Diese Hilfsbereitschaft zeigt sich aber auch anders – die Grenzen des Stadtbezirks übergreifend. Denn die Evangelische Gemeinde Langenberg richtet ein Spendenkonto ein (Bürgerstiftung), innerhalb kürzester Zeit kommen dort mehrere hunderttausend Euro zusammen.
Knapp drei Wochen nach der Überflutung beginnt die Bürgerstiftung mit der Auszahlung der Hilfen. Unbürokratisch geht das, denn „wir kennen die Betroffenen ja meist persönlich“, sagt Klaus Lübke, der Treuhänder der Stiftung. Und er hat festgestellt: „Zum ersten Mal habe ich das Gefühl, dass wir eine Stadt sind“ – denn große und kleine Spenden kommen aus allen drei Bezirken, nicht nur aus Langenberg.
Reparatur und Sanierung erweist sich als langwierig
Als langwierig erweist sich die Vorbereitung für die Reparatur und Sanierung der überfluteten Häuser. Die müssen erst einmal getrocknet werden. Da aber viele Fachwerkhäuser betroffen sind, rät Velberts oberste Denkmalschützerin Lea Fernau zu Geduld.
Im Fachwerk sind Naturmaterialien verbaut, Holz und Lehm zum Beispiel. Und die „haben ihren eigenen Rhythmus“, weiß die Expertin. Wer per Gebläse den Trocknungsprozess beschleunige, mache oft alles nur noch schlimmer. „Das Material kann dann reißen“, warnt Lea Fernau.
Tiefgarage weiter geschlossen, die S-Bahn fährt wieder
Inzwischen ist zwar auf den Straßen nichts mehr zu sehen, Dreck und Schlamm sind weg. Aber noch immer sind zahlreiche Geschäfte geschlossen oder werden provisorisch betrieben. Und auch die Tiefgarage am Froweinplatz ist frühestens im kommenden Frühjahr wieder nutzbar. Dafür fährt die S-Bahn seit wenigen Tagen wieder – nach fast einem halben Jahr Stillstand.