Oberhausen. Mit dem neuen Heizungsgesetz setzt der Bund auf den Ausbau der Fernwärme – als Alternative zur Wärmepumpe. Ist das für Hauseigentümer billiger?

Das neue Heizungsgesetz (Gebäudeenergiegesetz) der Ampelkoalition im Bund ist zwar deutlich abgemildert worden, enthält aber weiterhin einschneidende Verbote: Wenn die alte Heizung kaputt geht, ist der Einbau neuer, reiner Ölheizungen in der Regel langfristig nicht mehr erlaubt, der Einbau neuer Gasbrenner nur bei (womöglich teurer) Wasserstoff-Versorgung in Zukunft.

Mit der Heizreform setzt der Bund neben der mit Strom betriebenen Wärmepumpe stärker auf Fernwärme als Heizungs- und Warmwasserenergie, die in der Regel als ausreichend regenerativ eingestuft wird. Sie nutzt die Abwärme von Industrieanlagen, Müllverbrennungsanlagen und Blockheizkraftwerken, die überwiegend mit Gas betrieben werden. Fernwärme ist also Zweitverwerter von ohnehin entstehender Wärme, die sonst in die Luft geblasen werden würde – und liefert heißes Wasser in die Haushalte.

Hauseigentümer bitten um Fernwärme-Angebote von der EVO

Die Energieversorgung Oberhausen (EVO) ist als Monopol-Anbieter von Fernwärme im Stadtgebiet in den vergangenen Monaten regelrecht überrannt worden von Hauseigentümern, die wissen wollen, ob und zu welchen Preisen ihre Immobilie ans Fernwärmenetz angeschlossen werden kann. Auf einer neuen Karte der EVO können die Interessenten schon einmal vorab einschätzen, ob in ihrer Nähe überhaupt eine der dicken Fernwärmeleitungen im Boden liegt.

Oberhausen hat dabei trotz seiner reichhaltigen Industriegeschichte mit viel Abwärme kein flächendeckendes Fernwärmenetz. Versorgen kann die EVO Haushalte derzeit im Kerngebiet von Sterkrade, Buschhausen, Schwarze Heide, in Osterfeld, in der Neuen Mitte, in Teilen von Lirich und in Alt-Oberhausen – wie auf der Fernwärmenetzkarte der EVO zu sehen ist. Bisher deckt die EVO-Fernwärme sowohl den Bedarf für Raumwärme als auch für die Warmwasserbereitung von 30.000 Haushalten in rund 8000 Oberhausener Gebäuden. Wer als Nicht-Fernwärme-Kunde ein Angebot für die Fernwärmeversorgung von der EVO erhalten möchte, muss auf die erste Antwort der Energiefachleute des Unternehmens derzeit acht Wochen lang warten.

Wärmepumpen kosten bis zu 40.000 Euro, Fernwärme-Anschlüsse bis zu 30.000 Euro

Wärmepumpen sind in der Bevölkerung vor allem deshalb hitzig debattiert worden, weil sie beim Kauf, aber durchaus auch angesichts der Strompreisentwicklung im Betrieb deutlich teurer sind als Öl- oder Gasheizungen – erst recht in Altbauten, die nicht optimal gedämmt sind. Wer schon bei Erwerb und Installation von Wärmepumpen 25.000 bis 40.000 Euro hinblättert, muss im Betrieb mit dem Strompreis von 40 Cent pro Kilowattstunde kalkulieren. Je nach Dämmzustand des Gebäudes benötigt der Hauseigentümer mehrere Tausend Kilowattstunden an Strom, um seine Wohnungen zu beheizen. Und eine neue Dämmung von Dach und Wänden mit Super-Fenstern kostet eine sechsstellige Summe.

Bedauerlicherweise ist die Fernwärme nicht auffallend billiger – Anschluss und Betrieb sind viel teurer, als die meisten Bürger denken. Schließlich müssen von der Hauptleitung aufwendige Tiefbauarbeiten quer zur Straße ins Haus erfolgen. „Einfach umsteigen – der Zeitpunkt war noch nie günstiger“, wirbt die EVO um neue Fernwärmekunden: Doch einfach ist bei notwendigen handwerklichen Arbeiten in der Regel nichts – und günstiger war die Fernwärme mal früher. Denn der Preis der Fernwärme ist indirekt mit einem halben Jahr Zeitverzug an die Gaspreise gekoppelt – die hohen Gaspreise des vergangenen Jahres schlagen jetzt im Jahre 2023 bei der Fernwärme so richtig zu.

Für die Verlegung von Fernwärmeleitungen müssen Tiefbauarbeiter heran, die ein Zufluss- und ein Abflussrohr quer zur Straße von der Hauptleitung in den Keller des Gebäudes legen. Da es auch in dieser Baubranche personelle Engpässe gibt, dauert der Anschluss in Essen bis zu 18 Monate, in Oberhausen bis zu sechs Monate.
Für die Verlegung von Fernwärmeleitungen müssen Tiefbauarbeiter heran, die ein Zufluss- und ein Abflussrohr quer zur Straße von der Hauptleitung in den Keller des Gebäudes legen. Da es auch in dieser Baubranche personelle Engpässe gibt, dauert der Anschluss in Essen bis zu 18 Monate, in Oberhausen bis zu sechs Monate. © WAZ Oberhausen | mape

Liegt eine Fernwärmeleitung in der Straße und benötigt man für den Anschluss eines Ein-, Zwei- oder Vierfamilienhauses höchstens eine zehn Meter lange Leitung, dann kosten Tiefbauarbeiten, Wärmeübergabestation für Warmwasser und Heizung im Keller nach EVO-Rechnung 18.000 bis 20.000 Euro. Doch das reicht nicht, denn ein Heizungsbauer muss die Wärmestation noch mit dem Heizwasser- und Warmwassernetz im Hause verbinden, er muss die alten Öl- oder Gasbrenner abbauen, den Öltank demontieren und einen hydraulischen Abgleich machen – geschätzte Kosten: zwischen 5000 und 10.000 Euro. Gesamtkosten also: 30.000 Euro.

Hohe Förderung für den Fernwärmeanschluss von bis zu 50 Prozent

Ob Wärmepumpe oder Fernwärme – zum Glück fördert der Bund den Abbau alter Öl- und Gasheizungen bereits heute stark. So beträgt der Zuschuss zu den Kosten durch das zuständige Bundesamt für Wirtschaft (BAFA) schon nach den gültigen Fördergesetzen bis zu 40 Prozent (30 Prozent für die Fernwärme, zehn Prozent für den Abbau der alten Heizung). Ab 1. Januar 2024 könnten es nach den jetzigen Plänen der Regierungsfraktionen 50 Prozent werden (30 Prozent für die Fernwärme und 20 Prozent Geschwindigkeitsbonus). Demnach könnten also 15.000 der 30.000 Euro Kosten vom Steuerzahler bezahlt werden. Wer wenig im Jahr verdient, soll ab 2024 noch mehr erhalten.

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Und im Betrieb? Die EVO nennt bei einem Verbrauch von 15.000 Kilowattstunden im Einfamilienhaus 2000 Euro Betriebskosten im Jahr. Die Summe setzt sich aus Verbrauchskosten, Grundgebühr für die gelieferte Leistung und Messgebühr zusammen. Bei einem Zweifamilienhaus und angenommenen 25.000 Kilowattstunden Gesamtverbrauch kommen Jahreskosten von gut 3000 Euro zusammen.

Martina Zbick, Energieberaterin der Verbraucherzentrale Oberhausen: lieber Fernwärme als Wärmepumpe.
Martina Zbick, Energieberaterin der Verbraucherzentrale Oberhausen: lieber Fernwärme als Wärmepumpe. © FUNKE Foto Services | Oliver Mueller

Im Gegensatz zu anderen Fernwärmeversorgern im Ruhrgebiet, die nur Zehn-Jahres-Verträge bei Neukunden abschließen, bindet sich der Oberhausener an die EVO zunächst einmal nur für zwei Jahre. Und auch den Anschluss schafft die EVO besser als andere: Während die Steag in Essen jetzt 18 Monate für den Neuanschluss eines Gebäudes kalkuliert, geht die EVO nur von einem halben Jahr aus, bis das heiße Wasser fließt.

Wärmepumpe oder Fernwärme? Was Energieexperten empfehlen

Ob sich in Zukunft eher eine Wärmepumpe oder ein Fernwärmeanschluss finanziell lohnt, können selbst Experten kaum einschätzen – sie müssten eine Glaskugel haben. Denn wie sich die Strompreise entwickeln und wie sehr die Unternehmen ihr Monopol bei der Fernwärmeversorgung in einer Stadt ausnutzen, weiß niemand – erst recht nicht, wie viel Gas künftig kostet und ob es bei der Preisbindung an Gas bleibt. Der Vorteil der Fernwärme: Sie funktioniert auch bei ungedämmten Gebäuden – und hat einen niedrigeren CO2-Preisaufschlag als Gas oder Heizöl.

Fragt man Energiefachleute, ob sie Wärmepumpe oder Fernwärme bei Ein- und Zweifamilienhäusern empfehlen, so ist deren Urteil eindeutig: Fernwärme. „Man kann hier zentral neue klimafreundliche Technik anwenden, um Wasser zu erhitzen, etwa Geothermie oder Großwärmepumpen – und sofort profitieren alle angeschlossenen Haushalte von neuer Technik“, argumentiert Martina Zbick, die erfahrene Energieberaterin der Verbraucherzentrale Oberhausen.

Der neue kaufmännische Manager der Energieversorgung Oberhausen (EVO), Timm Dolezych, empfiehlt die Fernwärme für Ein- und Zweifamilienhäuser – statt einer Wärmepumpe.
Der neue kaufmännische Manager der Energieversorgung Oberhausen (EVO), Timm Dolezych, empfiehlt die Fernwärme für Ein- und Zweifamilienhäuser – statt einer Wärmepumpe. © FUNKE Foto Services | Tanja Pickartz

Und auch der neue EVO-Manager Timm Dolezych, dessen Unternehmen schließlich an beiden Energiequellen kräftig verdient, fällt ein glasklares Urteil: „Ich bin ein Fan der klimafreundlichen Fernwärme, die bei uns unter anderem die Abwärme der Industrie und von Müllverbrennungsanlagen nutzt. Sie ist günstiger als der Einbau einer Wärmepumpe. Wenn ein Haus nicht vernünftig isoliert ist, dann muss man für eine Wärmepumpe zusätzlich dämmen – und da ist man schnell im sechsstelligen Bereich an Renovierungskosten. Dies kann doch kaum jemand stemmen. Wir benötigen deshalb soziale Ausgleichsmechanismen bei größtmöglicher Technologieoffenheit.“

Heizung und Strom: Wichtige Artikel zu vielen Energiefragen

In diesen Zeiten zunehmender Klimakrise, hoher Energiepreise und rätselhafter Gesetzesreformen haben wir für Oberhausener Bürgerinnen und Bürger zahlreiche Artikel zum Energie-Thema recherchiert und geschrieben, die Hintergründe, Analysen und orientierende Basis-Informationen bieten. Hier ein Überblick:

Berichte zu Heizungen, Warmwasser und privater Stromerzeugung:

Heizungsgesetz: Die zehn wertvollsten Energieberater-Tipps

Energieversorger: Zu wenig Zeit für Ausbau der Fernwärme

Experten: So teuer sind Wärmepumpen für Zweifamilienhäuser

Oberhausen: Das sagen Schornsteinfeger zum Heizungsgesetz

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Berichte zur Energieversorgung Oberhausen (EVO):

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