Mülheim. Kleiner Mülheimer Stadtteil, großer Ärger um Flüchtlingsunterkunft: Die Bezirksregierung als Betreiberin zu den Klagen und zum Stand der Dinge.

Die Bezirksregierung Düsseldorf hat am Dienstag auf den Protestbrief zweier Nachbarn der neuen Flüchtlingsunterkunft in Raadt reagiert, der unter anderem an NRW-Innenminister Herbert Reul gerichtet war. Dabei stellte sie auch die große Not des Landes heraus.

Es habe „keine Handlungsalternative“ gegeben zur Belegung der Zentralen Unterbringungseinrichtung (ZUE) im Rekordtempo, rechtfertigte sich die Bezirksregierung dafür, dass das neue Heim seit seiner Inbetriebnahme am 21. Juni innerhalb kürzester Zeit nah an eine Vollauslastung gebracht worden ist: Fast 600 Menschen sind seither eingezogen bei einer Kapazität von 650 Schlafplätzen. Das hat allen Beteiligten viel abverlangt, von 0 auf 100 zu kommen: dem Betrieb ebenso wie den Nachbarn im Raadter Umfeld.

Behörde: ZUE in Mülheim-Raadt war von Beginn an „betriebstauglich“

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„Das Land NRW sieht sich derzeit mit der Herausforderung konfrontiert, eine Vielzahl geflüchteter Menschen aufnehmen und versorgen zu müssen“, erklärte die Bezirksregierung, warum die Einrichtung in Raadt nicht langsam habe wachsen können. „Mit Blick auf die Vermeidung von Obdachlosigkeit bestand keine Handlungsalternative“, hieß es zur Steuerung seitens der sogenannten Asylkoordination, die die Bezirksregierung Arnsberg verantwortet.

Die Düsseldorfer Behörde legt derweil Wert auf die Feststellung, dass die ZUE in Raadt von Beginn an „grundsätzlich bezugsfertig“ und „betriebstauglich“ gewesen sei – mit belegbaren Betten, einer produktionsfähigen Küche und dem notwendigen Personal ausgestattet. Die Dienstleister für Betreuung, Sicherheit und Verpflegung seien vor Ort, ebenso Mitarbeitende der Bezirksregierung. Die wesentlichen baulichen Maßnahmen seien erledigt.

Bezirksregierung: Alle Anfragen aus der Nachbarschaft werden kurzfristig beantwortet

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Was noch ausstehe, sei die TÜV-Abnahme eines instandgesetzten Aufzugs, wegen Lieferschwierigkeiten sei auch die Ausstattung insbesondere im Freizeitbereich noch nicht komplett, etwa fehlten Tischtennisplatten und Kickertische. Die Räumlichkeiten des schulnahen Bildungsangebotes, das planmäßig erst nach den Sommerferien beginnen soll, sind ebenfalls noch auszustatten. Und auch Angebote für Sichtschutzfolien an den Fenstern der Bewohnerzimmer, die Bewohnern wie Nachbarn Privatsphäre gewährleisten sollen, sind noch reinzuholen. „Wir bedauern diese Verzögerung natürlich und hoffen, dass diese Lücken bald geschlossen werden können“, so die Bezirksregierung.

Die Stelle eines Umfeldmanagers ist auch noch unbesetzt, Anwohner hatten dies kritisch angemerkt. Sie könne kurzfristig besetzt werden, sagt nun die Bezirksregierung. Bis dahin nähmen die Einrichtungsleitung und Beschäftigte des Betreuungsdienstleisters diese Aufgabe wahr, die insbesondere darin bestehe, „auf ein gutes Miteinander der Beschäftigten und Bewohner der ZUE mit der Nachbarschaft hinzuarbeiten“. So würden auch jetzt schon alle Anfragen aus der Nachbarschaft umfassend und kurzfristig von Mitarbeitenden der Bezirksregierung beantwortet.

Erster „Jour Fixe“ erst im August: Mülheimer Anwohner ärgert das

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Noch ein wunder Punkt bei Anwohnern: Auch gut einen Monat nach der Inbetriebnahme hat die Bezirksregierung noch nicht zu einem „Jour Fixe“ eingeladen, der Bürgerinnen und Bürgern einen Raum bieten soll, um von Angesicht zu Angesicht Probleme zu debattieren und nach Lösungen zu suchen, die ein Miteinander im kleinen Stadtteil möglich machen. Weiter ist Geduld gefragt: „Voraussichtlich gegen Ende der Sommerferien beziehungsweise zum Anfang des neuen Schuljahres“ werde es einen ersten Termin geben, teilt die Bezirksregierung auf Anfrage mit. Einen festen Turnus – Anwohner hatten einen „Jour Fixe“ alle zwei Wochen eingefordert – kann die Düsseldorfer Behörde auch noch nicht festlegen. „In den ersten Monaten wird der Bedarf sicherlich höher sein“, heißt es nur, ohne auch nur einen ersten Termin schon angeboten zu haben.

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Manche Anwohner haben wenig Verständnis für dieses Hinhalten. Es sei nun „alles dafür zu tun, die Bürger einzubeziehen“, damit Probleme angesprochen und gelöst werden könnten, so ein Anwohner aus der Neubausiedlung an der Theodor-Wüllenkemper-Straße, der angesichts jüngster Anfeindungen in sozialen Netzwerken anonym bleiben will. „Ich will konstruktiv daran mitwirken“, sagt er, es gebe eine humanitäre Verpflichtung, die Geflüchteten aufzunehmen. Nun müsse es aber darum gehen, Qualität zu gewährleisten: für die Bewohner der ZUE, aber eben auch für Nachbarn der Einrichtung.

Anwohner: Akuter Handlungsbedarf war zu prophezeien

Er klagt auch über Ruhestörungen und asoziales Verhalten „einer verschwindend geringen Anzahl an Bewohnern“ und sieht diese verantwortlich dafür, dass die gesamte ZUE in Verruf gerate – die, das sei abzusehen gewesen, in ihrer Dimension mit 650 Bewohnerplätzen nicht in den nicht einmal 5000 Einwohner großen Stadtteil passe. Jetzt erst akuten Handlungsbedarf zu sehen, wie es Mülheims Sozialdezernentin am Montag geäußert hat, greife zu kurz. „Es war abzusehen.“

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