Mülheim. Die Unterbringung Hunderter Geflüchteter in Mülheim-Raadt sorgt für eine öffentliche Debatte. Die war bislang aber zu einseitig. Ein Kommentar.

Es ist eine Debatte, die einen ganzen Stadtteil spaltet und Nachbarn ihre konträren Ansichten deutlich vor Augen führt: Dass in der Zentralen Unterbringungseinrichtung in Raadt zu viele Menschen untergebracht sind, mag keiner der Anwohner bestreiten und doch gehen die Ansichten darüber im eigentlich so idyllischen Viertel weit auseinander. Die Frage danach, wer recht hat und wer nicht, ist an dieser Stelle aber nicht die richtige. Sie wird der Tiefe der hinter der Debatte stehenden Problematik nicht gerecht.

Eines steht fest: Gefühle kann man niemandem absprechen. Wenn sich Anwohnerinnen und Anwohner unsicher fühlen, dann ist das so erstmal hinzunehmen. Nur muss hinterfragt werden – und das ehrlich – warum ist das so? Gibt es faktische Belege dafür, dass die Menschen in der Parseval- und Theo-Wüllenkemper-Straße in ihrer Sicherheit gefährdet sind? Eine Abfrage bei der Polizei ergibt: Bis auf das kurze unbefugte Aufhalten zweier ehemaliger ZUE-Bewohner auf einem privaten Grundstück gibt es keine Anlässe, Straftaten im Zusammenhang mit dem Zuzug in Raadt festzustellen. Und in diesem Falle laufen die Ermittlungen noch, Einbruchsspuren gab es in der Nacht keine.

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Die Fakten sprechen also eine eindeutige Sprache. Aber Gefühle sind nicht rational, sie sind emotional. Sowohl Bezirksregierung als auch die Stadt beteuerten zuletzt vielfach, die Sorgen und Ängste der Anwohner ernst zu nehmen. Einrichtungsleitung und Betreuungsdienstleister stünden vor Ort in engem Austausch mit der Anwohnerschaft. „Sie nehmen Anregungen auf, bearbeiten Beschwerden und arbeiten daran, ein gutes Miteinander von ZUE und Nachbarschaft zu erreichen“, erklärte Beatrix Van Vlodrop, Sprecherin der Bezirksregierung dazu. Genügt das? Um solche Risse zu kitten, braucht es Zeit und es braucht Geduld.

Pragmatismus (oder auch Realismus) kann da helfen. Dass rund 600 Menschen – die Maximalauslastung liegt bei 650 – in der ZUE untergebracht sind, daran wird sich in nächster Zeit absehbar nichts ändern. Für die Stadt war der Standort von vornerein ein Kompromiss, die Unterbringung einer gewissen Zahl Geflüchteter ist ihre Pflicht. Oder in den Worten einer Anwohnerin: „Es ist jetzt, so wie es ist, und wir müssen das Beste daraus machen.“

Mülheim-Raadt: Die Debatte war bislang zu einseitig

Wer am lautesten brüllt, wird am ehesten gehört. Das waren in der öffentlichen Debatte bislang diejenigen, die den Brandbrief verfasst und unterstützt haben. Dass es in Raadt aber auch viele Menschen gibt, die das Schreiben, nicht zuletzt auch abfällige Äußerungen über ZUE und ihre Bewohner, scharf verurteilen, blieb bislang ohne Notiz.

Ansonsten – Zitat Raadter Anwohner – „müssen wir uns nicht wundern, dass die AfD solche Umfragewerte erzielt“. Gerüchte, Hetze und Stimmungsmache sind Wasser auf die Mühle derjenigen, die das Geschehen für ihre Politik instrumentalisieren und bewusst falsche Informationen verbreiten. Dieser Samen keimt besonders dort gut, wo Angst der Dünger ist. Was gegen das Unkraut hilft? Kommunikation.

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