Mülheim. Die Stadt Mülheim und Firmen streiten seit 2018 um Brücken-Baumängel und erhebliche Zusatzkosten. Nun soll der Fall vor Gericht geklärt werden.
So lange rollen schon Autos, Lkw, Straßenbahnen und Räder über die neue Thyssenbrücke in Styrum, dass ein großes Ärgernis komplett aus dem öffentlichen Blickfeld verschwunden, auch seit Jahren nicht mehr politisch thematisiert worden ist: Weiter streitet die Stadt mit beteiligten Firmen darum, wer die Kosten in Millionenhöhe trägt für die immensen Baumängel, die die Baustelle seinerzeit zwischenzeitlich zum Stillstand gebracht hatten. Jetzt aber wird’s ernst.
Kurze Rückblende: Im Mai 2018 verfinsterte sich die Miene von Mülheims damaligem Baudezernenten Peter Vermeulen, als er sich vor Ort selbst ein Bild machte von dem Bauschlamassel unfassbaren Ausmaßes. Gerade waren die Stahlträger der neuen Brücke per Schwerlastkran auf den Unterbau aufgesetzt worden. Doch im Osten der Brücke klaffte zwischen Pfeiler und Träger Luft, fünf bis sieben Zentimeter breit.
Stadt Mülheim wollte keinen Bau-Stillstand riskieren und schoss Geld vor
Es entbrannte ein Streit zwischen der Stadt, der Baufirma und einem externen, auch mit der Bauaufsicht betrauten Planungsbüro, wer verantwortlich war für die erheblichen Baumängel. Nach einigem Hin und Her ließ sich die Stadt darauf ein, die Kosten zur Mängelbeseitigung selbst vorzuschießen, um keinen langfristigen Stillstand auf der Baustelle zu riskieren.
Auf ein vehement vom damaligen Fraktionschef des Bürgerlichen Aufbruchs, Jochen Hartmann, eingefordertes gerichtliches Beweissicherungsverfahren verzichtete die Stadt aus eben diesem Grund. Sie wählte einen anderen Weg, wie Rechtsdezernentin Anja Franke dieser Tage auf Anfrage noch einmal schilderte: Beweise habe man seinerzeit umfangreich dokumentiert, „ein renommiertes Ingenieurbüro und Sachverständige im Bereich Brückenbau“ hätten die Mangelursachen anschließend ausgewertet.
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Baufirma und Planungsbüro weisen Verantwortung für Baumängel in Mülheim von sich
Jene gutachterliche Auswertung kam zu dem Schluss, dass Baufirma und externe Brückenplaner verantwortlich seien für die Mängel. Problem nur: Die Firmen weigerten sich, auf Basis dieses Gutachtens eine Kostenübernahme-Vereinbarung, die ihnen die Stadt vorgelegt hatte, zu unterschreiben.
Zu seinem Abschied aus dem Technischen Rathaus hatte Dezernent Vermeulen bereits im Interview mit dieser Redaktion offenbart, dass einer Klage auf Schadenersatz der Stadt eine Gegenklage mit Forderungen der beteiligten Firmen gegenüberstehe. Seit Ende Juli 2021 läuft das Verfahren am Landgericht Düsseldorf nun schon. Laut Rechtsdezernentin Franke gab es seitdem ein schriftliches Vorverfahren, in dem die Beteiligten mehrfach Stellung zur Sache bezogen hätten.
Stadt Mülheim fordert einen Schadenersatz in Höhe von gut 1,1 Millionen Euro
Nun hat das Landgericht Düsseldorf einen ersten Verhandlungstermin angesetzt, er soll Ende August stattfinden. Auch den Streitwert bezifferten Rechtsdezernat und Gericht nun auf Heller und Pfennig: Die Stadt fordert einen Schadenersatz von 1.155.497,97 Euro, „nebst Zinsen in Höhe von neun Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Zustellung der Klage“. Dezernentin Franke, die den Streit geerbt hat, ist optimistisch, das Geld für die Stadt zurückzuholen: „Die Erfolgsaussichten werden angesichts der aussagekräftigen, sachverständigen Ausführungen als gut bewertet“, teilte sie mit.