Mülheim. Im Millionen-Streit um Baumängel an der Thyssenbrücke ist Mülheims Stadtverwaltung auch nach drei Jahren nicht weiter. Jetzt bohrte die SPD nach.
Fast drei Jahre sind vergangen, nachdem am Neubau der Thyssenbrücke in Styrum gravierende Baumängel zu einem Baustopp geführt hatten. Noch immer ist unklar, wer für die Kosten in Höhe von rund zwei Millionen Euro aufkommen soll, die die Mängelbeseitigung gekostet hat. 1,3 Millionen Euro davon hat die Stadt Mülheim vorgeschossen.
Die SPD hatte zuletzt im Planungsausschuss nur spärliche Antworten der Bauverwaltung zum Sachstand der Auseinandersetzung zwischen Stadt, Baufirma und Brückenplanern bekommen, noch dazu verweigerte die Stadtverwaltung mit Verweis auf die weiter ungeklärte Kostenfrage im Wesentlichen Aussagen in öffentlicher Sitzung.
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Zwischen Stahlträgern und Unterbau klafften Lücken von mehreren Zentimetern
Ende April 2018 war es zum Baustopp an der Brücke gekommen. Als die Stahlträger per Schwerlastkran aufgelegt worden waren, klafften zwischen den Trägern und Unterbau Lücken von mitunter fünf bis sieben Zentimetern. Nach einigem Hin und Her holte sich Baudezernent Peter Vermeulen seinerzeit ein politisches Votum dafür ein, nicht auf eine gerichtliche Beweissicherung zur Frage, wer die Mängel zu verantworten hat, zu setzen.
Vielmehr sollten die Bauarbeiten so schnell wie möglich fortgesetzt werden, weil Stillstand die Stadt angeblich auch sehr viel Geld gekostet hätte, etwa wegen der mit der Brücke zusammenhängenden Gasleitung hin zur Friedrich-Wilhelms-Hütte oder der Verpflichtung, Oberhausener Straßenbahnen zur Wartung irgendwie ins Depot nach Broich zu bekommen.
Keine Aussicht auf außergerichtliche Einigung mit Planern und Baufirma
Es wurde weitergebaut, die Stadt hat für sich ein Gutachten fertigen lassen, das die Verantwortung für den Baumangel laut Vermeulen „im Wesentlichen“ bei den Brückenplanern und der Baufirma Heinrich Walter Bau aus Borken, die mittlerweile als Eiffage Infra-West GmbH firmiert, sieht. Doch nun, drei Jahre nach dem Baustopp, hat Baudezernent Peter Vermeulen weiter keine Lösung der Millionen-Frage in Sicht. Eine außergerichtliche Einigung mit den Projektbeteiligten ist weiterhin nicht möglich.
Sowohl Planer als auch Baufirma wollen das Gutachten der Stadt nicht anerkennen, wie Vermeulen auf Anfrage mitteilt. „Aus Sicht der Stadt handelt es sich bei dem Weiterbau um eine Mangelbeseitigungsleistung und Beseitigung bzw. Minimierung von Folgeschäden“, heißt es da – und weiter: „Aus Sicht von Heinrich Walter Bau handelt es sich um eine Vertragsleistung und/oder geänderte Leistung bzw. um ein Planungsverschulden der von der Stadt beauftragten Planungsbüros. Aus Sicht der von der Stadt eingeschalteten Planungsbüros liegt kein Planungsfehler, sondern ein Ausführungsverschulden von Heinrich Walter Bau vor.“
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Stadt Mülheim will sich öffentlich nicht festlegen, wann und ob sie klagen will
Jeder zeigt mit dem Finger auf den oder die jeweils anderen Projektbeteiligten. Inwieweit beteiligte Firmen auch die Stadt in der Pflicht sehen, weil ihr Planungsfehler womöglich bei einer Prüfung durchgegangen sein könnten, ließ Vermeulen offen. Die Geschäftsführung der Baufirma selbst will sich weiterhin nicht zur Sache äußern. Eine verfahrene Situation.
Ihr Gutachten hält Mülheims Verwaltung unter Verschluss. Ebenso will Vermeulen mit Verweis auf das laufende Verfahren nicht öffentlich sagen, wie lange die Stadt noch zuwarten will, bis sie rechtliche Schritte geht, um sich womöglich die 1,3 Millionen Euro, die sie allein zur Mängelbeseitigung vorgeschossen hat, wiederzuholen. Anwalts- und Gutachterkosten sind da noch nicht berücksichtigt.
Hat Baufirma bei Nachträgen getrickst? Baudezernent weist das zurück
Ex-Ratspolitiker kritisiert Baudezernenten
Schärfster Kritiker der städtischen Entscheidung aus dem Jahr 2018, den Brückenbau samt Mängelbeseitigung ohne Einigung mit Planungsbüro und Baufirma fortzusetzen, war der damalige Fraktionsvorsitzende des Bürgerlichen Aufbruchs, Jochen Hartmann.
In seinem Mülheim-Blog wirft er aktuell Baudezernent Vermeulen vor zu mauern. „Alle Beteiligten haben offenbar kein Interesse an einer Lösung und wollen die Angelegenheit aussitzen“, stellt Hartmann fest, der sich seinerzeit für ein gerichtliches Beweisverfahren ausgesprochen hat.
Hartmann rechnet damit, dass es am Ende doch zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung kommt, bei der die Stadt nicht mehr die Chance habe, ohne Verlust aus der Sache herauszukommen, sondern ein Vergleich zu erwarten sei.
Die SPD hatte in ihrer Anfrage im Planungsausschuss mit Verweis auf eine Sitzung des Gremiums Anfang 2020 auch danach gefragt, ob die Verwaltung der Baufirma womöglich vorwirft, in ihren nachträglich geltend gemachten Baukosten faktisch einen „Verlustausgleich für die aus der fehlerhaften Bauausführung entstandenen Kosten“ eingepreist zu haben.
Eine Antwort im öffentlichen Teil der aktuellen Sitzung gab Vermeulen dazu nicht. Auf Anfrage dieser Redaktion sagte er aber: „Was die Anfrage unterstellt, stimmt nicht. Die Verwaltung hat nie vermutet, dass die bauausführende Firma ihre Rechnungen allein mit dem Grund und in der Höhe überzieht, um selbst verschuldete Mehraufwände vollständig zu kompensieren.“