Mülheim. . Mülheims Baudezernent soll laut Politik anordnen, Mängel an der Thyssenbrücke zu beseitigen und Tempo zu machen. Doch spielt die Baufirma mit?

Die Thyssenbrücke soll trotz weiter ungeklärter Verantwortlichkeiten für die Baumängel so schnell wie möglich weitergebaut werden. Das beschloss am späten Donnerstagabend in nicht öffentlicher Sitzung der Stadtrat. Allerdings knüpfte er dies, den Vorgaben von Baudezernent Peter Vermeulen folgend, an zahlreiche Bedingungen. Die Situation bleibt höchst angespannt.

Der Baudezernent präsentierte dem Rat am Donnerstag ein neues Papier. Vermeulen legte sich dabei fest, dass er den zügigen Weiterbau der Brücke gegenüber einem Stillstand und gerichtlichen Beweissicherungsverfahren präferiert. Die Politik folgte ihm „mit großer Mehrheit“, hieß es im Anschluss an den nicht öffentlichen Teil der Sitzung, in dem der Beschluss gefasst wurde. Vermeulen hatte Debatte und Beschluss zuvor zur Geheimsache deklariert, verwies dabei auf Anwälte der Baufirma, die im Publikum gesessen haben sollen.

Risiken können in die Millionen gehen

Öffentlich legte der Baudezernent lediglich seinen Beschlussvorschlag vor, den er anhand einer Präsentation noch erläuterte. Hierbei machte er deutlich, dass ein weiterer Stillstand an der Großbaustelle für die Stadt erhebliche finanzielle Risiken birgt, die schnell in die Millionen gehen könnten. Sehr schnell sogar.

Das dem so sein könnte, liegt daran, dass an der alten Brücke, die während der Feriensperrpause der Bahn im Herbst abgerissen werden soll, sprichwörtlich viel dran hängt. So nämlich ein Leitungsrohr, mit dem die Friedrich-Wilhelms-Hütte mit Gas versorgt wird. Kann die neue Leitung bis dato nicht an der neuen Brücke montiert werden, könnte die Stadt schadenersatzpflichtig sein. Eine Gaslieferung per Lkw oder Ersatzleitung könnte laut Vermeulen bis zu 100 000 Euro kosten – und das täglich.

Straßenbahnen müssen fahren

Ein anderer Kosten-Hammer: Sollten die Straßenbahnen nicht mehr zwischen Oberhausen und Mülheim verkehren können, rechnete der Dezernent vor, entstünden weitere Zusatzkosten von rund 240 000 Euro monatlich. Insbesondere aus dem Grund, weil die Wartung der Oberhausener Bahnen vertraglich an die Ruhrbahn-Werkstatt in Broich gekoppelt ist. Da müssen die Bahnen im Zweifel aufwändig hintransportiert werden, falls keine Schienenverbindung zur Verfügung stehen sollte.

Ein gerichtliches Beweissicherungsverfahren mitsamt Stillstand auf der Baustelle, so Vermeulen, würde am Ende „möglicherweise monatlich mehr kosten als ein Weiterbau insgesamt“.

Sieben Bedingungen will die Stadt erfüllt sehen

Das überzeugte die Politik, die Vermeulens Vorschlag, möglichst zeitnah weiterzubauen, Folge leistete. Demnach wird Vermeulen die Mängelbeseitigung und den Weiterbau anordnen, sobald sieben Bedingungen erfüllt sind: 1. Es besteht tatsächlich eine Schadenersatzpflicht der Stadt für die Unterbrechung der Gasversorgung der Hütte, 2. die Baufirma (Heinrich-Walter-Bau) erkennt die Schadensursachen an, die vom städtischerseits beauftragten Gutachter mittlerweile festgestellt worden sind, 3. die Baufirma akzeptiert den Lösungsvorschlag zur Mängelbeseitigung, 4. die Baufirma garantiert, dass die neue Gasleitung in den Herbstferien montiert werden kann, 5. die mutmaßlichen Schadenverursacher (Planer und Baufirma) beteiligen sich an der Vorfinanzierung der Mehrkosten, 6. die Stadt macht ihre Schadenersatzansprüche notfalls gerichtlich geltend und schlussendlich 7. der Weiterbau soll unverzüglich beginnen.

Die Verhandlungsstrategie der Stadt ist nun festgezurrt. Jetzt liegt der Ball bei den mutmaßlichen Schadenverursachern, insbesondere bei der Baufirma. „Mal sehen, ob sich Heinrich-Walter-Bau darauf einlässt“, sagte Vermeulen am Freitag. „Ich gehe davon aus, dass wir Dienstag vermutlich mehr wissen.“ Bis dahin wolle sich die Baufirma erklärt haben, ob sie den Weg mitgehen will.

>>> URSACHEN DER MÄNGEL UND LÖSUNGSWEG

Die Planergruppe Grassl / Schüssler Plan hat laut Baudezernat der Schadenfeststellung schon zugestimmt. Sie soll bei einer Umplanung der östlichen Auflager Fehler gemacht haben.

Die wesentliche Verursacherin der Baumängel ist laut Gutachter der Stadt Mülheim aber die Baufirma Heinrich-Walter-Bau. Ihr werden Fehler bei der Bestellung der Stahlträger vorgehalten.

Planer, Gutachter und Stadt haben einen Lösungsweg skizziert, mit dem die Mängel behoben werden könnten. Dafür werden Kosten von rund 300 000 Euro veranschlagt. Hinzu kommen unbestimmte Kosten für beschleunigte Baumaßnahmen und eventuell für einen Schienenersatzverkehr.