Mülheim. Krieg in der Ukraine, Unruhen im Sudan – Gründe, die Menschen zur Flucht aus ihrer Heimat bewegen. Etliche von ihnen landen auch in Mülheim.

Mülheim weist bei der Aufnahme von Geflüchteten derzeit eine Erfüllungsquote von über 100 Prozent auf, genügend Wohnraum sei aktuell vorhanden, so Mülheims Sozialdezernentin Daniela Grobe. Gleichwohl rechnet man bei der Stadt mit weiterem Zuzug von Schutzsuchenden, die ihre Heimatländer verlassen. Über 2000 Ukrainer sind inzwischen in Mülheim gemeldet.

Mülheim hält derzeit eine Kapazität von 2277 Plätzen für Geflüchtete bereit, wovon laut Sozialdezernentin maximal 75 und 80 Prozent der Plätze belegt werden. Aktuell sind Daniela Grobe zufolge 1511 Geflüchtete (Stand 18. April) städtisch untergebracht – insgesamt 806 Menschen leben in von der Stadt angemieteten Wohnungen, 705 in Gemeinschaftsunterkünften wie am Klöttschen sowie an der Eltener Straße, wo die Flüchtlingsunterkunft wiederertüchtigt wurde, und an der Mintarder Straße.

Aktuell genug Platz für Geflüchtete in Mülheim, aber wohl „Ruhe vor dem Sturm“

Im Flüchtlingsdorf an der Mintarder Straße in Saarn sind laut Sozialdezernentin derzeit 293 Menschen untergebracht. Nach wie vor müsse die Harbecke-Halle eingesetzt werden, um dort Neuankömmlinge aufzunehmen, die im Anschluss zumeist in die benachbarte Unterkunft an der Mintarder Straße wechselten.

Daniela Grobe hofft allerdings, die Harbecke-Halle „in diesem Jahr, vielleicht auch zeitnah, wieder freigeben zu können“. Grundlegend dafür sei unter anderem auch die Planung einer neuen Unterbringungsmöglichkeit auf dem Gelände der ehemaligen Stadtgärtnerei, die gemeinsam mit der MWB umgesetzt werden soll. Zudem habe die MWB zugesagt, jährlich bis zu 150 Wohnungen aus ihrem Bestand für die Geflüchtetenunterbringung zur Verfügung zu stellen.

Mülheims Sozialdezernentin Daniela Grobe hofft, die Harbecke-Halle nicht mehr allzu lange als Notunterkunft für Geflüchtete nutzen zu müssen.
Mülheims Sozialdezernentin Daniela Grobe hofft, die Harbecke-Halle nicht mehr allzu lange als Notunterkunft für Geflüchtete nutzen zu müssen. © FUNKE Foto Services | Tanja Pickartz

Da Mülheim bei der Flüchtlingsunterbringung im Moment eine Erfüllungsquote von über 100 Prozent vorweisen könne, bestehe aktuell keine Aufnahmeverpflichtung, es gebe derzeit keine Zuweisungen aus dem Asylbereich. In anderen Regionen sei die Lage noch anders, skizziert die Sozialdezernentin: „Wo die Erfüllungsquote noch nicht erreicht ist, hat das Land in den vergangenen Wochen Geflüchtete hin verteilt.“ Zu erwarten sei, so Grobe, dass auch Mülheim wieder Zuweisungen bekomme, sobald die anderen Regionen auch zu 100 Prozent ihre Aufnahmeverpflichtung erfüllten. In der Ruhrstadt herrsche aus ihrer Sicht derzeit momentan die Ruhe vor dem Sturm.

Geflüchtete aus der Ukraine bringen Chancen mit nach Mülheim, sagt Sozialdezernentin

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Mit Blick auf die Geflüchteten aus der Ukraine schildert die Sozialdezernentin, dass seit Kriegsbeginn vom Ausländeramt insgesamt 2622 Schutzsuchende erfasst worden sind. Aktuell noch in Mülheim gemeldet seien 2200 ukrainische Menschen. Städtisch untergebracht sind laut Grobe momentan 645 Ukrainerinnen und Ukrainer. Der größere Teil der vor Putins Angriffskrieg Geflüchteten sei mit 1555 Personen privat untergebracht. Grobe ordnet ein: „Ein Verhältnis, das wir in etwa so die ganze Zeit hatten.“ Von den 2200 in Mülheim gemeldeten Ukrainern bezögen derzeit 1667 Menschen Sozialleistungen, 533 finanzierten sich selbst, so die Erkenntnis der Stadt.

Manche von ihnen, mutmaßt Daniela Grobe, würden wohl bleiben wollen: „Das bedeutet auch Chancen: Da kommen Menschen, die Kompetenzen mitbringen, gerade vor dem Hintergrund des demografischen Wandels und des Fachkräftemangels.“ Wünschenswert wäre aus Sicht der Sozialdezernentin, dass der Arbeitsmarkt auch für Geflüchtete aus anderen Herkunftsländern schneller zugänglich wird. „Wir hätten eine andere Situation, wenn auch Asylbewerber von vorne herein schneller am Arbeitsmarkt integriert werden könnten, so wie es bei Menschen aus der Ukraine möglich ist.“ Denn auch Firmen wollten ja Mitarbeitende einstellen, doch das werde nicht selten durch den Aufenthaltsstatus blockiert und sei rechtlich nicht möglich.

Flüchtlingsgipfel im Bundeskanzleramt: Mülheims Dezernentin fordert Unterstützung

Gleichwohl sei ein weiterer Zustrom von Geflüchteten zu erwarten, denn nicht nur der Krieg in der Ukraine sei noch nicht beendet, sondern auch Krisenherde wie im Sudan bewegten Menschen zur Flucht aus ihrer Heimat. Auch aus der Türkei registriere man mehr Zuwanderung. Weiterhin kämen auch Schutzsuchende aus Herkunftsländern nach Mülheim, die schon länger große Fluchtbewegungen aufweisen wie Syrien und Nigeria – 156 Personen beziehungsweise 103 von dort Geflüchtete sind aktuell in Mülheim städtisch untergebracht.

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Auch mit Blick auf die steigenden Asylbewerberzahlen könne man sich in der Ruhrstadt nicht zurücklehnen, sagt die Sozialdezernentin. Denn der Vorsitzende des Städtetages NRW, Essens Oberbürgermeister Thomas Kufen, rechnet landesweit mit rund 70.000 Erstanträgen auf Asyl in diesem Jahr, wenn sich die Entwicklung so fortsetze wie in den ersten Monaten des Jahres – das wären rund 63 Prozent mehr als im Vorjahr. Heruntergebrochen auf Mülheim bedeute das 700 zusätzliche Asylanträge, kalkuliert Daniela Grobe und sagt: „Das sind Zahlen, die man erstmal stemmen muss.“

Angesichts des bevorstehenden Flüchtlingsgipfels am 10. Mai im Bundeskanzleramt fordert die Mülheimer Sozialdezernentin Unterstützung auch finanzieller Art seitens des Bundes und des Landes, um verlässliche und dauerhafte Unterbringung und Integration von Geflüchteten gewährleisten zu können. „Die Forderung in Richtung Gipfel ist, dass da klar die Verantwortung übernommen wird.“