Essen. Noch gibt es in Essener Unterkünften freie Plätze. Doch die Stadt blickt besorgt auf steigende Flüchtlingszahlen – und wendet sich an den Bund.

Mit Sorge beobachtet die Stadt Essen die in jüngster Zeit wieder steigenden Flüchtlingszahlen. Fast 80 Prozent Plätze in den städtischen Unterkünften sind bereits belegt. „Neue Standorte werden derzeit geprüft und akquiriert“, heißt es auf Anfrage. Oberbürgermeister Thomas Kufen appelliert an Bund und Land, „sich bei der Unterbringung mehr zu engagieren“.

Essener OB mahnt, dass die Städte an ihre Grenzen kommen

Kufen, der auch Vorsitzender des Städtetags NRW ist, hatte dieser Tage deutlich gemacht, dass es dabei nicht allein um finanzielle Hilfen für die Kommunen geht. So reiche etwa der von der Landesregierung geplante Ausbau der eigenen Plätze auf knapp 35.000 nicht aus, benötigt würden doppelt so viele Plätze in Einrichtungen des Landes. Denn: „Viele Städte kommen an ihre Grenzen.“

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Das gilt auch für die Stadt Essen, die immerhin über 2515 Plätze in Unterkünften verfügt, von denen aktuell noch 200 frei sind. Allerdings hat Essen seine Aufnahmeverpflichtung nach dem sogenannten Königsteiner Schlüssel damit noch nicht erfüllt: „Um die Erfüllungsquote zu 100 Prozent zu erreichen, müssten wir noch 174 weitere Personen aufnehmen“, teilt Stadtsprecherin Silke Lenz mit. Die Platzreserven könnten also schnell erschöpft sein, wenn die Flüchtlingszahlen weiter steigen.

Neben den Ukrainern kommen wieder mehr Flüchtlinge aus anderen Ländern

Und danach sieht es aktuell aus, nicht nur weil weiter ukrainische Kriegsflüchtlinge hier ankommen. „Gleichzeitig steigen die Zahlen der Asylanträge aus anderen Ländern deutlich an“, betont OB Kufen. So leben in den städtischen Unterkünften schon jetzt 725 Menschen, die nicht aus der Ukraine stammen.

Seit geraumer Zeit musste Essen niemanden mehr in provisorischen Unterkünften unterbringen. Zwischenzeitlich wurden zwar 193 Betroffene auf Hotels verteilt, doch auch sie seien mittlerweile in anderen Unterkünften, sagt Stadtsprecherin Silke Lenz. Dass die Stadt bislang nicht auf Notlösungen zurückgreifen musste, liegt auch am Engagement, das die Essener und Essenerinnen seit dem russischen Angriff auf die Ukraine gezeigt haben: Von knapp 8300 Ukrainern, die seit März vergangenen Jahres in Essen registriert wurden, kamen fast 5000 zunächst bei Verwandten, Freunden und Fremden unter.

Schwierige Suche nach Flächen und Gebäuden für Unterkünfte

Für die nähere Zukunft richtet sich die Verwaltung auf einen steigenden Bedarf an Unterkünften ein; daher die Suche nach geeigneten Standorten. Erschwert wird die Lage, weil das Jugendhaus St. Altfrid mit seinen 75 Plätzen Anfang April weggefallen ist. „Neue kommunale Gebäude oder Flächen können die Städte nicht aus dem Hut zaubern“, mahnt Kufen.

Das frühere Marienhospital in Altenessen konnte rasch in eine Unterkunft für Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine umgewandelt werden.
Das frühere Marienhospital in Altenessen konnte rasch in eine Unterkunft für Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine umgewandelt werden. © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska

Auch ringen die Städte nicht allein mit der Unterbringungsfrage, sondern mit der Vermittlung von Kita- und Schulplätzen. Allein 1600 Beratungen für ukrainische Familien mit schulpflichtigen Kindern hat die Stadt durchgeführt; 1200 Kinder und Jugendliche wurden Essener Schulen binnen eines Jahres zugewiesen. Offiziell warten derzeit noch gut 350 Seiteneinsteiger-Kinder auf einen Schulplatz. Stadtsprecherin Lenz weist aber darauf hin, dass die tatsächliche Zahl geringer ausfallen dürfte, da einige von ihnen in andere Kommunen umziehen. Andere besuchen zunächst noch einen vorbereitenden Deutschkurs.

Bund soll „eine Schippe drauflegen“

Angesichts der vielfältigen Anstrengungen, die mit der Integration der Flüchtlinge verbunden sind, verlangt Kufen nun Planungssicherheit für die Kommunen. Mit Blick auf das Bund-Länder-Treffen am 10. Mai fordert er: „Das Mindeste ist, dass der Bund eine deutliche Schippe bei der Finanzierung drauflegt.“