Mülheim. Immer wieder beklagen Bürger untragbare Zustände beim Mülheimer Ausländeramt. Von angekündigten Veränderungen keine Spur. Was die Stadt nun sagt.

Strahlend blauer Himmel, die Sonne scheint zwar, die Temperatur liegt dennoch nur wenige Grad über Null – und vor der Ausländerbehörde an der Leineweberstraße bietet sich ein Bild, das schon längst zum Alltag geworden ist: Schon weit vor 9 Uhr, wenn das Amt seinen Betrieb aufnimmt, stellen sich die ersten Menschen auf dem Gehsteig vor dem Gebäude an, die Warteschlange wird immer länger. Immer wieder beschweren sich Bürgerinnen und Bürger angesichts stundenlanger Wartezeiten bei Wind und Wetter und keinem Durchkommen per Telefon über unhaltbare Zustände.

Eine dieser Bürgerinnen ist Selma Sahbegovic-Puskar. Die 41-Jährige begleitet als Ehrenamtliche eine aus Syrien stammende Familie, die seit mehreren Jahren in Mülheim lebt und nun ihre älteste Tochter als Nachzüglerin offiziell anmelden möchte. „Ich war schon oft beim Ausländeramt, aber mittlerweile hat das Ausmaße angenommen, die nicht mehr zu ertragen sind“, sagt Selma Sahbegovic-Puskar. Mehr als dreieinhalb Stunden steht sie mit der syrischen Familie an – „und das, obwohl wir schon vor 9 Uhr da waren“. Dabei, so Sahbegovic-Puskar, habe sie beobachtet, wie der Türsteher einzelne Menschen, „offenbar Bekannte und Landsleute“, aus der Schlange heraus vorgelassen habe.

Mülheimerin empfindet Zustände beim Ausländeramt als „unfair“

„Einfach unfair“, urteilt die Mülheimerin. Doch welche Alternative bliebe den Menschen, als sich in die Schlange zu stellen und zu warten? „Ich kenne die Ängste dieser Leute“, sagt die 41-Jährige, die selbst aus einer Familie Geflüchteter stammt. „Man will bloß nicht negativ auffallen und wartet.“ Ein Wartebereich, in dem man sich setzen kann und eine Wartenummer zieht wäre doch eine Alternative? „Der Wartebereich wird voll ausgeschöpft“, heißt es dazu auf Nachfrage von der Stadt. Man wisse um die Zustände, „die außergewöhnlich langen Warteschlangen“ der vergangenen Tage seien auf einen Umzug innerhalb des Gebäudes zurückzuführen, so sei die Behörde vom 28. bis zum 30. März geschlossen geblieben.

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„Erschwerend“, heißt es weiter, „kommt ein erhöhter Kranken- und Urlaubsstand bei den Mitarbeitenden hinzu.“ Für Selma Sahbegovic-Puskar und andere Betroffene nur ein schwacher Trost. „Es ist offensichtlich, dass das Personal überlastet ist. Sie können da nichts für. Aber wieso greift die Politik nicht ein?“ Vor rund zwei Monaten hatte Kerstin Kunadt, Leiterin des Ordnungsamtes, im Ausschuss für Bürgerangelegenheiten, Sicherheit und Ordnung die Einführung einer Online-Terminvergabe für April/Mai angekündigt. Dazu erklärt die Stadt: „Das Terminvergabesystem wird nach derzeitigem Stand voraussichtlich im Mai an den Start gehen können.“

Mülheimer will sich nicht vor dem Ausländeramt anstellen müssen

Damit wäre womöglich einem weiteren Bürger und Beschwerdeführer geholfen: Mirsad Jahovic. Der 56-Jährige habe nach eigener Aussage seit zwei Wochen täglich 20 bis 30 Mal bei der Behörde angerufen. „Keine Chance, es klingelt einfach nur die ganze Zeit.“ Sich in die Schlange zu stellen, sehe Jahovic aber auch nicht ein, „da habe ich doch gar keine Zeit für“. Das Arbeitsaufkommen, so die Stadt, steige stetig an. „Die Mitarbeitenden sind [...] in einer engen Taktung mit persönlichen Vorsprachen konfrontiert, so dass eine zusätzliche telefonische Erreichbarkeit nicht gewährleistet werden kann.“ Die Behörde bittet darum, sich per Mail an sie zu wenden. Keine Alternative für Mirsad Jahovic: „Damit habe ich es nicht so. Eine Behörde muss doch wohl telefonisch erreichbar sein?“

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Bei der Stadt jedenfalls sei man um die „Optimierung der Arbeitsprozesse, der Digitalisierung und der Personalplanung“ bemüht – all das aber neben dem laufenden Tagesgeschäft. Bereits vor knapp einem Jahr hatte Kerstin Kunadt unumwunden eingeräumt, dass die Behörde personell zu knapp besetzt ist. Die tägliche Warteschlange vor der Behörde sei aber nur ein sichtbares Beispiel für eine tieferliegende, unsichtbare Problemlage in der Verwaltung. „Wir können nicht aus dem ‘Vollen schöpfen’“, erklärt die Stadt dazu in ihrer aktuellen Stellungnahme, Mülheim befinde sich nach wie vor in der strengen Haushaltskonsolidierung. „Wir müssen die knappen Mittel auf wachsende Aufgaben verteilen – einschließlich der beschriebenen Aufgaben der Organisationsentwicklung.“