Mülheim. Seit einem Jahr tobt der Krieg in der Ukraine, seit einem Jahr engagieren sich Mülheimer für Geflüchtete. Wir stellen einige vor: Was sie bewegt.

Gut ein Jahr lang tobt nun schon Russlands grausamer Angriffskrieg in der Ukraine. Nach dem Kriegsausbruch Ende Februar 2022 hat es nicht lange gedauert, bis in Mülheim erste Kriegsflüchtlinge angekommen sind. Ebenso ließen sich viele Mülheimer nicht lange bitten und engagierten sich ehrenamtlich in der Flüchtlingshilfe. Wir stellen ein paar von ihnen vor.

Angelika Fennekötter ist eine dieser Engagierten. Sie sorgt zusammen mit anderen Frauen jeweils am ersten und dritten Dienstag des Monats dafür, dass Kinder aus der Ukraine, die jetzt im Flüchtlingscamp an der Mintarder Straße leben, mit Spiel und Sport ein Stück Alltagsnormalität erleben. „Ich will einfach mit anpacken. Es macht mir Freude, den Kindern ein Stück Freude zu geben und damit auch die Mütter zu entlasten, die sich selbst erst mal orientieren und sich bei uns zurechtfinden müssen. Ich erlebe bei meinem ehrenamtlichen Engagement immer wieder, wie westlich orientiert die Menschen aus der Ukraine sind und wie sie durch den Krieg in ihrer Heimat aus ihrer Lebensbahn geworfen sind“, berichtet die 72-Jährige.

In Mülheim-Dümpten: Mit Kindern backen, basteln und Ausflüge unternehmen

Hunderte Flüchtlinge leben im Camp an der Mintarder Straße in Mülheim-Saarn. Ehrenamtler helfen auch, dass der Alltag für die Menschen nicht zu trist ist.
Hunderte Flüchtlinge leben im Camp an der Mintarder Straße in Mülheim-Saarn. Ehrenamtler helfen auch, dass der Alltag für die Menschen nicht zu trist ist. © FUNKE Foto Services | Oliver Müller

Die 59-jährige Projektmanagerin Marion Hoven geht immer wieder freitags in die Flüchtlingsunterkunft an der Oberheidstraße in Dümpten, „um den dort lebenden Flüchtlingskindern etwas Ablenkung in ihrem schwierigen Alltag zu verschaffen und Freude auszustrahlen“. Mit anderen Frauen spielt sie mit Kindern, backt mit ihnen Plätzchen, bastelt mit ihnen, organisiert Ausflüge und ein Frauencafé. „Die Eltern sind uns sehr dankbar für unser Engagement – und wo die Sprachkenntnisse nicht ausreichen, können wir uns auch mit Händen und Füßen verständigen“, berichtet Hoven, die sich wünscht, „dass die Flüchtlinge aus der Ukraine und aus anderen Ländern nicht getrennt voneinander untergebracht werden.“

Auch interessant

Elke von der Aue arbeitet immer wieder dienstags und donnerstags zwischen 14 und 17 Uhr im Schenkladen der Arbeiterwohlfahrt mit. Dort, am Dickswall 98, können sich ukrainische Kriegsflüchtlinge mit geschenkter Kleidung und geschenktem Spielzeug oder mit Hygieneartikeln versorgen. „Die Menschen sind sehr dankbar für unsere Hilfe. Manche von ihnen können auch schon etwas Deutsch und sagen: ‚Danke schön!‘ Mir macht es Freude, Menschen zu helfen, die Hilfe brauchen, und ihnen damit eine Freude zu machen. Das ist für mich einfach sinnvoll“, erklärt die 78-jährige Speldorferin.

Mülheimerin: „Durch mein eigenes Engagement habe ich nur gewonnen“

Jacqueline El Masri (2.v.l.) mit Helfern und Helferinnen aus dem Kreis der Mülheimer Arbeiterwohlfahrt. Auch im Bild: Elke von der Aue (4.v.r.), die im Schenkladen der Awo am Dickswall mitarbeitet. Das Bild entstand im Oktober 2022.
Jacqueline El Masri (2.v.l.) mit Helfern und Helferinnen aus dem Kreis der Mülheimer Arbeiterwohlfahrt. Auch im Bild: Elke von der Aue (4.v.r.), die im Schenkladen der Awo am Dickswall mitarbeitet. Das Bild entstand im Oktober 2022. © FUNKE Foto Services | Christoph Wojtyczka

Jacqueline El Masri (43) vom Verein „Kinder aus Mülheim“ engagiert sich zusammen mit ihrem Mann Nadin hinter den Kulissen des Awo-Schenkladens am Dickswall, in dem sie, mittwochs zwischen 15 und 17 Uhr, die in der ergotherapeutischen Awo-Praxis an der Hauskampstraße 58 eingehenden Sachspenden sortiert und bei Bedarf auch reinigt und verpackt. „Ich finde es großartig zu sehen, wie viele Menschen sich hier ehrenamtlich engagieren. Durch mein eigenes Engagement habe ich nichts verloren, sondern nur gewonnen, vor allem neue Freunde. Wir sind hier wie eine Familie“, sagt die dreifache Mutter, die neben ihrer beruflichen Arbeit in der Kindertagespflege derzeit Soziale Arbeit studiert.

Diakonin Iris Schmitt hilft, „weil es für mich als christlicher und politisch interessierter Mensch wichtig ist, Menschen in Not humanitäre Hilfe zu leisten, egal, woher sie kommen“.
Diakonin Iris Schmitt hilft, „weil es für mich als christlicher und politisch interessierter Mensch wichtig ist, Menschen in Not humanitäre Hilfe zu leisten, egal, woher sie kommen“. © PR-Foto Köhring | Kai Peters

Iris Schmitt,Diakonin aus der Vereinten Evangelischen Kirchengemeinde, engagiert sich mit vielen anderen Frauen und Männern im kirchlichen Gemeindenetzwerk für Flüchtlinge aus der Ukraine, „weil es für mich als christlicher und politisch interessierter Mensch wichtig ist, Menschen in Not humanitäre Hilfe zu leisten, egal, woher sie kommen.“ Im Netzwerk hilft die 59-Jährige, indem sie zusammen mit anderen Begleitung bei Ämtergängen, die Wohnungssuche, Umzugshilfen und Erstausstattungen für Wohnungen und Gästezimmer organisiert.

Bernd Werdin hilft bei Behörden-Angelegenheiten

Zu Schmitts Mitstreitern im Hilfenetzwerk gehört auch der 64-jährige Ökonom und Ministerialbeamte Bernd Werdin, der eine ukrainische Flüchtlingsfamilie bei allen bürokratischen Erfordernissen unterstützt. „Behörde kann ich und freue mich deshalb, wenn ich Menschen mit dem, was ich kann, weiterhelfen und sie so stabilisieren kann. Dann mache ich das gerne“, sagt Werdin zum Beispiel mit Blick auf die Registrierung beim Ausländeramt, auf Hilfeleistungsanträge beim Sozialamt oder die Schulanmeldung ukrainischer Flüchtlingskinder. „In unserem Land wird allen Gruppen geholfen und deshalb sollten wir als reiche Nation unsere Möglichkeit nutzen, auch den Flüchtlingen aus der Ukraine zu helfen“, betont der 64-Jährige.

„Es ist schön, Menschen zu helfen und ich möchte nicht damit aufhören“, sagt Julia Köchling, die zusammen mit ihren Freundinnen den Spendenfonds „Hilfe für das Flüchtlingsdorf in Mülheim Saarn!“ betreibt und sich in Zusammenarbeit mit der Caritas für Frauen und Kinder aus der Ukraine engagiert, die in dem vom Deutschen Roten Kreuz betreuten Flüchtlingslager an der Mintarder Straße Zuflucht gefunden haben. Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine zeigt Köchling: „Auch uns kann es treffen.“ Es sind Sachspenden von der Bettwäsche über Schulranzen bis hin zu Kleidung, Möbel und Spielzeug, die vor der Ausgabe in ihr von privat zur Verfügung gestellten Lagerflächen gesammelt und sortiert werden. Immer wieder ist Julia Köchling begeistert, „wie dankbar und respektvoll die Flüchtlinge aus der Ukraine auf unsere Unterstützung reagieren“.

Mülheimer Engagierte: „Die Flüchtlinge aus der Ukraine sind sehr dankbar für die Hilfe“

Eine der Freundinnen Köchlings, die sich in der Flüchtlingshilfe mit dem Spendenfonds sowie in der Zusammenarbeit mit der Caritas engagiert, ist die aus Kasachstan stammende und deshalb sprachkundige Alena Römer. Obwohl ihre Zeit als zweifache Mutter und Unternehmerin knapp bemessen ist, nimmt sie sich Zeit, um zum Beispiel Flüchtlinge aus der Ukraine bei Ämtergängen zu begleiten und Sachspenden zu organisieren. „Ich möchte menschliches Leid mindern und hoffe, dass Russen und Ukrainer wieder gut und friedlich zusammenleben können, denn wir sprechen doch eine gemeinsame Sprache und haben auch eine gemeinsame Vergangenheit“, sagt Alena Römer zu den Motiven ihres ehrenamtlichen Engagements. Zuletzt dachte sie darüber nach, wie man eine ukrainisch-sprachige Psychotherapeutin finanzieren kann, die bereits seit einigen Monaten ehrenamtlich in der Flüchtlingsunterkunft in Saarn tätig ist, um den traumatisierten Kriegsflüchtlingen, die dringend notwendige psychologische Hilfe benötigen, zu helfen.

„Man ist so hilflos“, sagt die 59-jährige Kosmetikerin Heide Dennison, die sich, wie schon bei der ersten Flüchtlingswelle 2015/16, auch deshalb unter dem organisatorischen Dach der Caritas und des Centrums für bürgerschaftliches Engagement (CBE) für die Kriegsflüchtlinge und deren Erstausstattung etwa mit Kleidung und Möbeln stark macht. Sie engagiere sich, um ihre Ohnmacht angesichts der Folgen aggressiver Machtpolitik zumindest etwas erträglicher zu machen. Als eine positive Erkenntnis ihres ehrenamtlichen Engagements nimmt Dennison das gute Gefühl mit, „dass viele Menschen in unserem Land wachgerüttelt worden sind und die Flüchtlinge aus der Ukraine sehr dankbar für die Hilfe sind, die sie in unserem Land erfahren.“

Auch Mülheimer Betriebe packen tatkräftig in der Flüchtlingshilfe mit an

Es helfen auch zahlreiche Betriebe. Anpacken in der ersten Stunde war etwa angesagt bei der kompletten Mannschaft des Garten- und Landschaftsbaubetriebs von Andreas Sinoradzki aus Raadt. Als Anfang April 2022 das Flüchtlingsdorf in Saarn zur Unterbringung ukrainischer Menschen ausgebaut wurde, stellte das Team unentgeltlich seine Arbeitskraft, Maschinen und Material zur Verfügung, um den matschigen Untergrund zwischen den zu Wohnzwecken umfunktionierten Containern zu befestigen. (mit sto)

Das komplette Team des Mülheimer Garten- und Landschaftsbaubetriebes von Andreas Sinoradzki packte im April 2022 unentgeltlich an, um die Wege an neuen Flüchtlingscontainern in Saarn zu befestigen.
Das komplette Team des Mülheimer Garten- und Landschaftsbaubetriebes von Andreas Sinoradzki packte im April 2022 unentgeltlich an, um die Wege an neuen Flüchtlingscontainern in Saarn zu befestigen. © FUNKE Foto Services | Oliver Müller

Flüchtlingsunterbringung in Mülheim – Leseempfehlungen