Mülheim. Mülheims Innenstadt ist in ihrer Entwicklung gehemmt. Viele Projekte liegen auf Eis oder sind gar aufgegeben. Der Baudezernent stellt Forderungen.
Zuletzt war es die Beerdigung der jahrelang vor sich hergeschobenen Pläne, den Nordeingang des Hauptbahnhofs zu beleuchten, um dem Eingangstor zur Stadt das Etikett eines Angstraumes zu nehmen: Doch dies ist nur die Spitze der Probleme, die Mülheim vor sich herschiebt, geht es doch um eine belebende Innenstadt-Entwicklung.
Nicht zum ersten Mal bekommt die Stadt nicht umgesetzt, wofür eigentlich Fördermittel zur Verfügung standen. Fast sieben Jahre nach einem Gestaltungswettbewerb ist nun klar, dass es keine Lichtinstallation am Nordeingang des Bahnhofs geben wird. „Wir kriegen es nicht rechtzeitig umgesetzt“, führte die Verwaltung zuletzt an, dass aufgrund der gestiegenen Kosten die Eigenmittel der Stadt nicht aufzubringen seien, um die 130.000 Euro, die das Land bereits zugesichert hatte, entsprechend aufzustocken.
An Mülheims Rathausmarkt wird sich vorerst auch noch nichts tun
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Aber auch in der Planung hat sich die Stadt schwer getan. Standen die Landesmittel doch bereits seit fünf Jahren zur Verfügung, so sah man sich erst in diesem Jahr bereit, eigenes Geld zuzuschießen – als überschuldete Kommune im Stärkungspakt sind die Reglementierungen zu Investitionen streng. Zudem machte die Umplanung Schwierigkeiten, war die Lichtinszenierung ursprünglich doch für die Bahnunterführung gedacht. Und schließlich fand die Stadt niemanden, der die Fachplanung übernehmen wollte.
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So bleibt die Umgestaltung des weiterhin tristen Nordeingangs am Hauptbahnhof Stückwerk wie anderes in der Stadt. Zum Rathausmarkt hatte OB Marc Buchholz eigentlich noch für dieses Jahr Bewegung angekündigt. Ende vergangenen Jahres hatte er verkündet, Beschäftigte aus den Werkstätten der Theodor-Fliedner-Stiftung sollten nach Abriss des alten einen neuen Kiosk übernehmen – und womöglich dort, am Fuße des Radschnellweges, auch eine kleine Radstation betreiben. Charmant die Idee zur Kiosk-Renaissance mit Kaffee, Tee, Brötchen und Kuchen – gar den Sektempfang für Hochzeitspaare aus dem Standesamt können sich die Fliedners vorstellen zu übernehmen.
Studierende der Ruhr-Uni Bochum entwickeln Ideen für Mülheims Rathausmarkt
Doch selbst für ein solches, vergleichsweise mickriges Innenstadt-Projekt fehlt’s am Geld. Nicht einmal für den Abriss ist Geld da. 50.000 Euro dafür könnten erst 2024, wenn Mülheim aus dem Stärkungspakt ausgeschieden sei, im Haushalt zur Verfügung gestellt werden, sagte der OB am Montag. Ein Architekt habe aber schon Testentwürfe für einen Kiosk-Neubau angefertigt, ergänzt Planungsdezernent Blasch. Mittel für einen solchen Neubau, laut Blasch mit einer Summe im mittleren sechsstelligen Euro-Bereich kalkuliert, müssten auch noch aufgetan werden.
Für 2024 wolle man einen Förderantrag nicht nur für den Kiosk stellen, sondern auch für eine Platz-Aufwertung, sagt Blasch. In einem Projekt erarbeiteten zurzeit Studierende der Ruhr-Uni Bochum Ideen dafür. Anfang des Jahres sollen die Semesterarbeiten vorliegen. Es sei dann zu schauen, ob die Stadtplaner davon was für die weitere Planung verwenden könnten. Bis Ende September 2023 muss ein Förderantrag gestellt sein.
Stadt Mülheim musste auch Projekt zur Begrünung der Innenstadt aufgeben
Ein weiteres Problem zeigt sich womöglich in Beispiel Nummer 3: Bereits im Sommer informierte die Bauverwaltung die Politik darüber, dass sie eigenmächtig einen Förderantrag zur Begrünung der Innenstadt zurückgezogen hatte. Mit dem Antrag sollten ursprünglich Bundesmittel an Land gezogen werden, um am Ende für 80.000 Euro mehr Grün, insbesondere im Bereich Auer-/Löhstraße sowie am Wallstraßen-Platz, möglich zu machen.
Den Förderantrag hatte die Verwaltung im Februar zwar beantragt, sie sah sich später aber nicht in der Lage, eine vom Fördergeber eingeforderte Überarbeitung in einem Zeitrahmen zu leisten, um das Projekt mit zwingend vorlaufender Bürgerbeteiligung bis Jahresende noch zu realisieren. Dezernent Blasch beklagt eine Verzögerung und zu enge Fristsetzung durch den Bund. Aber (natürlich) fehlte es auch wieder am lieben Geld für die Eigenmittel. . . Eigentlich sollten hierfür Mittel aus anderen Bauprojekten zusammengekratzt werden, wie es oft wenig nachvollziehbar aus der Kämmerei heißt. Doch hierfür sei aufgrund der Baupreissteigerungen kein Puffer mehr.
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Baudezernent mahnt: Stadt muss ab 2024 aktiver werden und investieren
Vieles, was zumindest etwas gestalterische Entwicklung in die von Leerstand und mangelhafter Aufenthaltsqualität geprägte Innenstadt bringen könnte, ist gestrichen oder auf die lange Bank geschoben. Zwischen Bahnbögen am Radschnellweg und Kaiserplatz, der auch schon vor langer Zeit zur Umgestaltung aufgerufen war, zwischen Kurt-Schumacher-Platz und Leineweberstraße samt Übergang zur Altstadt bleiben viele Wünsche unerfüllt. Belebung und mehr Aufenthaltsqualität lassen auf sich warten, da auch private Investitionen und Bemühungen um mehr Entwicklungstempo zu wünschen übrig lassen.
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Mahnende Worte zur Innenstadt-Entwicklung wählte nun Baudezernent Felix Blasch vor Planungspolitikern der Stadt. Zwar existiere ein Innenstadtkonzept, doch „müssen wir eigentlich noch mal komplett neu was aufsetzen, um längerfristig was machen zu können“. Es gelte ein Konzept zu erstellen, das – anders als das aktuelle – nicht nur auf Kleinprojekte setze und auf kaum vorankommende Privatinvestoren (so für das Hauptpost-Areal). Größere Förderprojekte seien aufzulegen für die Zeit nach dem Stärkungspakt ab 2024. Blasch sagte dies im Bewusstsein, dass auch 2024 kein Geldsegen zu erwarten sei. Diskutieren müsse man mit dem Stadtkämmerer dennoch: „Es wäre schade, wenn wir nicht mehr machen könnten“, so Blasch im Planungsausschuss.
>> Weiter hohe Leerstandsquote in Mülheims Innenstadt
- Eine Trendumkehr im Ladenbesatz, die auch zur Belebung beitragen könnte, ist nicht zu erkennen. Das Forum befindet sich mitten in einer Umstrukturierung, die sich zudem erst noch wird beweisen müssen. Die Leerstandsproblematik bleibt gewaltig.
- Für den Kern der Innenstadt sei die Leerstandsquote erneut minimal auf 12,1 Prozent gestiegen, berichtete die Stadtverwaltung im Wirtschaftsausschuss Anfang November. 43 Geschäfte stünden leer, im vergangenen Halbjahr habe es 18 Mieterwechsel in den Erdgeschossflächen gegeben. „Die Leerstandsballungen im Stadtquartier Schloßstraße sowie in/an der Leineweberstraße verfestigen sich“, hieß es.
- 128 Einzelhandelsläden gibt es nur noch im Innenstadtkern. Viele Sortimente würden gar nicht oder nicht in zufriedenstellender Tiefe bedient, stellt die Verwaltung fest. Positives sei nur vom Wallviertel zu berichten. Es hebe sich in qualitativer und quantitativer Hinsicht positiv ab. Die Leerstandsquote liege dort nur noch bei 8,9 Prozent – trotz Aus für den Unverpacktladen „Püngel & Prütt“.