Mülheim. Im Schuhhaus Karenfort läuft es, doch rund um das Mülheimer Traditionsgeschäft sind alle Läden zu. Die Citymanagerin findet das „schrecklich“.

Die Mülheimer Geschäftsfrau Birgit Karenfort ist im Privatleben Ausdauersportlerin – sie fährt Rad. Auch beruflich braucht die 51-Jährige Durchhaltevermögen und die Fähigkeit, stets das Ziel im Blick zu behalten. Das Schuhhaus Karenfort an der Viktoriastraße, ein Familienbetrieb mit mehr als 120-jähriger Tradition, besteht inmitten von Leerständen. Ringsherum haben nahezu alle Geschäfte aufgegeben.

Zuletzt habe der Goldschmied gegenüber geschlossen, und der Comicladen „Bilderwelten“ sei auch nicht mehr da, berichtet Birgit Karenfort. Der „Afrika Home Shop“ hat das Geschäft geräumt, das Restaurant an der Ecke Leineweberstraße ist auch wieder dicht – das Haus haben zwei Brüder gekauft, die dort möblierte Appartements unter dem Projektnamen „The Palm“ anbieten. Birgit Karenfort beschreibt die Atmosphäre in ihrem Umfeld so: „Spiel mir das Lied vom Tod.“

Mülheimer Citymanagerin: „Frau Karenfort ist allein auf weiter Flur“

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Auch die Mülheimer Citymanagerin Gesa Delija äußert Mitgefühl: „Frau Karenfort ist allein auf weiter Flur. Schrecklich. Wenn so starke Leerstände da sind, entstehen ja auch andere Laufwege.“ Weniger potenzielle Kundschaft spaziert vorbei. Doch Birgit Karenfort behält die Nerven: „Zurzeit läuft es ganz gut.“ Sie sei fast schon wieder auf dem Stand vor Corona.

Auf ihre Kundinnen und Kunden, die Bequemschuhe schätzen, kann sie sich weiterhin verlassen. Es gebe Tage, da stünden schon zur Ladenöffnung morgens um zehn die ersten vor der Tür. Ältere Leute verbinden Arztbesuche oder Behördengänge in der Innenstadt mit dem Schuhkauf bei Karenfort. Ab mittags werde es allerdings leerer, so dass Karenfort das Geschäft mit drei Teilzeitkräften stemmen kann. Und sie spüre, dass die Kaufkraft bei vielen nachlässt: „Bei sehr hochpreisigen Schuhen ist es schwierig geworden.“

Über die Misere des Einzelhandels in der Mülheimer Innenstadt wird seit vielen Jahren geklagt, immer wieder gibt es aber auch wagemutige Händler, die die Stadt nicht aufgeben wollen. Während das Wallviertel in diesem Sommer im Mittelpunkt einer Veranstaltungsreihe stand, die es zum „Zugpferd“ der gesamten City qualifizieren soll, musste die Viktoriastraße in jüngster Zeit besonders bluten.

Ladenlokale an der Viktoriastraße stehen provisionsfrei zur Vermietung

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In den ausgestorbenen Schaufenstern des ehemaligen Comicshops und des afrikanischen Lebensmittelladens hängen Plakate: „Provisionsfreie Gewerbeimmobilie zu vermieten.“ Als Kontakt angegeben ist GCP: der international tätige Immobilieninvestor Grand City Property, dem diese Gebäude gehören. Das Unternehmen wurde in Mülheim vor rund fünf Jahren öffentlich wahrgenommen, nachdem es in der Innenstadt ein ganzes Immobilienpaket erworben hatte – darunter Häuser an der Schloßstraße, Leineweberstraße und am Synagogenplatz. GCP hatte im September 2017 auch ein „Konzept zur langfristigen Aufwertung dieser Immobilien“ in Aussicht gestellt.

Die Gebäude an der Viktoriastraße lassen nichts davon erkennen. Und auch dem Abteilungsleiter Stadtentwicklung im Mülheimer Stadtplanungsamt, Daniel Bach, ist kein bevorstehendes größeres Invest bekannt. „Grand City Property sind eher dafür bekannt, Immobilien zu kaufen und zu halten“, sagt Bach. Vonseiten der Verwaltung sei aber zeitnah geplant, noch einmal aktiv auf die Hauseigentümer zuzugehen, auf große Unternehmen wie Privateigentümer, mit Blick auf eine Aufwertung ihrer Immobilien.

Wasserschaden in früheren Mülheimer Geschäften

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Speziell bei den verlassenen Läden an der Viktoriastraße 6, ehemals Comicshop beziehungsweise Schmuckgeschäft, ist es mit einer Verschönerung der Fassade sicher nicht getan. Dort hat sich nach einem Wasserschaden Schimmel gebildet. „Diese Ladenlokale müssen hergerichtet werden“, berichtet Citymanagerin Gesa Delija. Die Eigentümer hätten auch bereits eine entsprechende Zusage gegeben – „doch bislang habe ich noch keine Tätigkeit in den Ladenlokalen gesehen“.

Birgit Karenfort ist Eigentümerin des Hauses, in dem ihr Laden liegt. Das Gebäude ist seit den Fünfzigerjahren im Familienbesitz. „Zum Glück“, sagt die Geschäftsfrau. Das 125-jährige Jubiläum ihres Traditionsgeschäftes im November 2026 will sie auf jeden Fall noch feiern, plant auch darüber hinaus, bis zum persönlichen Ruhestand. Sie sei zwar Mitglied der Werbegemeinschaft Innenstadt (WGI), dort jedoch nicht aktiv, erklärt Birgit Karenfort. „Ich mache mein Ding, und ich orientiere mich ungern nach außen.“

„Geld für Jeff Bezos oder für den Krauter um die Ecke?“

Dennoch möchte sie einen Appell an alle Mülheimerinnen und Mülheimer loswerden: „Die Leute sollten sich nicht immer nur über die Innenstadt beschweren, sondern bewusst bei lokalen Händlern kaufen. Und genau überlegen: Wo lasse ich mein Geld? Bei Jeff Bezos oder beim Krauter um die Ecke?“